Weiden in der Oberpfalz
21.04.2023 - 15:02 Uhr

Literaturtage holen die Welt nach Weiden

Autor Alex Rühle und seine Europa-Reise eröffnen die 35. Weidener Literaturtage, die aus dem kulturellen Leben der Stadt nicht mehr wegzudenken sind. Für Regi-Leiterin Sabine Guhl ist Lesen die wichtigste Ressource in der digitalen Welt.

"Literatur bedeutet unseren Bürgern viel", bekundete Oberbürgermeister Jens Meyer am Donnerstagabend im Neuen Rathaus bei der Eröffnung der 35. Weidener Literaturtage. Die Veranstaltung habe eine Strahlkraft, die weit über die Stadtgrenzen hinausgehe. Hier treffe sich Kunst auf hohem Niveau. Und sie biete Gelegenheit, Schriftsteller persönlich kennenzulernen. Deren Beweggründe, deren Werdegang. Zahlreiche geladene Gäste, "Freunde des gedruckten Wortes", genossen im großen Sitzungssaal die erste Lesung mit Autor Alex Rühle, der sein Buch "Europa wo bist du?" vorstellte.

Lesen sei Kino im Kopf, unterstrich der Oberbürgermeister. Ein Buch halte der Gesellschaft den Spiegel vor Augen, "zeigt uns, wo wir stehen, baut Brücken." Gerade in Krisenzeiten wie diesen sei ein solcher Austausch gefragt. "Der Wille, andere zu verstehen, ist unverzichtbar." Die Literaturtage seien ein kulturelles Standbein, das aus dem Portfolio dieser Stadt nicht mehr wegzudenken sei. Die geknüpften Teppiche an der Wand im Hintergrund, welche die Wappen der Partnerstädte zeigten, machten deutlich, wie europaverbunden Weiden sei. Immerhin sei die Max-Reger-Stadt 1962 eine der ersten deutschen Städte gewesen, die eine Patenschaft mit einer Stadt in Frankreich eingegangen sei.

Lesen hilft zu verstehen

Schirmherr Landtagsabgeordneter Stephan Oetzinger sprach von einem Highlight. Den Organisatoren sei es gelungen, wieder namhafte Autoren zu gewinnen. Er hielt es für besonders wichtig, dass auch Schulen in die Veranstaltungsreihe mit eingebunden seien. Lesen und das Verständnis hierfür sei eine Schlüsselkompetenz und Basis für viele Erfahrungen. Sein Dank galt Sabine Guhl und ihrem Organisationsteam, das seit nunmehr 2008 für die Ausrichtung der Literaturtage verantwortlich zeichne. "Wir bringen Autoren und Leute zusammen", erklärte Guhl. Sie sprach von der Wandelbarkeit der Literaturtage, die sich immer wieder neu erfinden und den jeweiligen Gegebenheiten anpassen müssten. "Die Fähigkeit zu Lesen wird zur wichtigsten Ressource in unserer digitalen Welt."

Rühle: "Europa ist zerbrechlich"

Autor Rühle (Jahrgang 1969) beleuchtete in seinem Buch eine dreimonatige Eisenbahnreise mit dem Interrail-Ticket durch Europa. "Kann man in jedem Alter kaufen. Ganz Europa für nur zehn Euro pro Tag. Kann ich jedem nur empfehlen." Als Ausgangspunkt hatte er die Wiege der Demokratie gewählt, nämlich Athen. 22.000 Kilometer war er unterwegs, absolvierte 33 Grenzübertritte. "Ich hatte meinen gelben Corona-Pass dabei, musste ihn aber nirgends vorlegen." Als er losgezogen war, habe er Europa als etwas Abstraktes betrachtet, erklärte der Schriftsteller, der heute in Schweden lebt, seinen Zuhörern. Heute wisse er: Europa sei ein zerbrechliches Konstrukt.

Überall habe das Bahnfahren reibungslos geklappt. "Nur in Deutschland war es schwierig. Sonst habe ich überall jeden Zug bekommen." Besucht wurden Städte und Orte, die auf irgendeine Weise irgendetwas mit Europa zu tun hatten. Deshalb sei sein Buch auch keine Aneinanderreihung von Stadtporträts, sondern ein Mosaik. Es gehe darum, was die Europäer eine, was sie trenne. Rühle machte sich mit Rucksack und Notizblock auf Spurensuche, um diese Frage für sich zu beantworten. Auf dem Balkan, in den Dörfern Kalabriens, an der estnisch-russischen Grenze in der Altstadt von Lissabon.

Die Weidener Literaturtage werden am Samstag, 22. April, um 19 Uhr mit einer Lesung von Gisela Schneebergers "Kindheitserinnerungen" im Ring-Kino fortgesetzt. Am Sonntag, 23. April, liest Arnold Stadler um 19 Uhr in der Regionalbiliothek Weiden aus seinem Buch "Irgendwo. Aber am Meer".

 
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