Weiden in der Oberpfalz
03.06.2019 - 12:04 Uhr

Was der Mensch zum Leben braucht

KAB-Vorsitzender Hermann Stadler sprach beim Kamingespräch im Vereinsheim Almrausch mit Landtagsabgeordneter Annette Karl zum Thema „Was braucht der Mensch zum Leben und was kann die Politik leisten“.

von FSB
Beim Kamingespräch der KAB spricht Landtagsabgeordnete Annette Karl mit Moderator Alfons Ernstberger und den Anwesenden. Bild: fsb
Beim Kamingespräch der KAB spricht Landtagsabgeordnete Annette Karl mit Moderator Alfons Ernstberger und den Anwesenden.

Schriftführer Alfons Ernstberger übernahm die Moderation zu den Fragen der Besucher. Er führte mit einem Statement in die Thematik ein. Wirklich zum Leben notwendig seien Nahrung, ein Dach über dem Kopf und soziale Kontakte. In unserer Konsumgesellschaft verleite uns die Werbung dazu, mehr haben zu wollen, als im täglichen Leben verwendet und benötigt wird. Doch es gebe auch in der heutigen Zeit noch Menschen, die nicht einmal ihre Grundbedürfnisse stillen können. Die vom Paritätischen Wohlfahrtsverband dokumentierte voranschreitende Armut in Deutschland sei in vielen Medien als „Jammern auf hohem Niveau“ dargestellt worden.

Die Ansicht, arm sei nur, wer real hungern müsse, sei absurd und menschenverachtend. Der Mensch sei auf die Verbindung zu seinen Mitmenschen angewiesen und auf die Akzeptanz, von ihnen als gleichwertig anerkannt zu werden. Wenn das fehle, zerstöre diese „relative Armut“ die Menschen schleichend, aber dauerhaft von innen heraus. Sie würden ihre Würde einbüßen und vereinsamen. Deshalb sei soziale Gerechtigkeit ein Bindestoff der Gesellschaft, doch die Politik leiste einer immer stärkeren Spaltung in Arm und Reich Vorschub.

Für Karl gehören zum Leben neben den materiellen Grundlagen und der Möglichkeit zu sozialen Kontakten auch die Zukunftsperspektiven. Deshalb müsse die Politik hierzu reagieren. Es gehe um eine ausreichende Entlohnung der Arbeit, wobei der Mindestlohn erster Schritt war und bei 60 Prozent des Durchschnittslohns liegen sollte, und um das Eindämmen prekärer Arbeit wie zum Beispiel der digitalen Arbeitslöhner und international ausgeschriebener Arbeitsplätze mit niedrigsten Stundenlöhnen. Karl trat für eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung am Ende eines Arbeitslebens, nach Erziehung der Kinder oder nach Pflegezeiten bei Angehörigen ein. Das Erlassen des Solidaritätszuschlags für die reichsten zehn Prozent koste der Staatskasse elf Milliarden Euro, die Grundrente würde fünf Milliarden Euro ausmachen. Es gelte zudem, Arbeit für alle Menschen zu organisieren, auch in einer digitalen Welt. Hierzu gehören Bildung und Weiterbildung sowie die Vereinbarung von Familie und Beruf.

Eine totale Absage erteilte sie den Forderungen der Landtags-FDP auf Ausweitung von Arbeit rund um die Uhr und von Sonntagsarbeit auf sechs Tage im Jahr und 40 Tage in touristischen Orten. Weil gerade junge Menschen Planbarkeit brauchen, müsse man weg von befristeten Arbeitsverträgen. Weitere Forderungen gebe es für die Polizei vor Ort, mehr Beteiligungsmöglichkeiten der Menschen in der Kirche, insbesondere durch Frauen, und ein gemeinsames Vorgehen gegen die Angstmacher unserer Zeit.

Die zahlreichen Fragen aus dem Kreis der Zuhörer betrafen ein breites Spektrum.

● Läge ein mögliches Grundeinkommen bei 800 Euro, sei es aber bei Streichung paralleler Gelder ein Einkommen auf unterstem Niveau.

● Beim Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich fänden Vorschläge, das Kapital Einzelner über die bisherige maximale Grenze von 25 Prozent hinaus zu besteuern, in der Bevölkerung keine Mehrheit, wie die Wahlen zeigten.

● Die fehlende Besteuerung von übernational agierenden Kapitalgesellschaften sei eine große Herausforderung der EU und müsse zu einer einheitlichen Kapitalsteuer in ganz Europa führen. Ein Boom beim deshalb günstigeren und attraktiven Internethandel werde zudem auf dem Rücken der Paketzusteller ausgetragen, die als „selbständige“ Subunternehmer gerade mal eine Minute Zeit für eine Paketzustellung hätten.

● Dass ein „normaler“ Arbeiter gerade etwas mehr als ein Hartz-IV-Empfänger mit Wohn- und Kindergeld verdiene, stimme, doch die Lösung sei, den arbeitenden Menschen mehr Geld zu geben statt Hartz-IV zu verringern.

● Zum Thema Energie vermerkte Karl, dass alle von erneuerbaren Energien verursachten Kosten auf die Stromkosten aufgeschlagen würden, während der Rückbau von Kernkraftwerken über die Steuerzahler finanziert würde. Sie rief auf, gegen die „Energiearmut“ zu demonstrieren. 40 Milliarden Euro Strukturhilfe für den Kohleausstieg seien für den Aufbau neuer Wirtschaftszweige und für Renaturierungen vorgesehen.

● Wenn es beim ÖPNV um kostenlose Fahrten für Schüler, Studenten und Senioren, Anrufbusse und Baxis gehe, müsse man es nur wollen.

Resümee der Gespräche war, dass die Politik klarer und schneller werden müsse, ohne dabei die Redlichkeit zu verlieren. Sie müsse auch den Draht zu den Jugendlichen wieder finden, die Politik ganz anders wahrnehmen, sich über soziale Medien statt Zeitungen informieren und es nicht gewohnt sind, seitenlange Texte zu lesen.

Beim Kamingespräch der KAB spricht Landtagsabgeordnete Annette Karl mit Moderator Alfons Ernstberger. Bild: fsb
Beim Kamingespräch der KAB spricht Landtagsabgeordnete Annette Karl mit Moderator Alfons Ernstberger.
 
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