Von Dr. jur. Hans-Wolfgang Schnupfhagn, Fachanwalt für Familiengericht, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Strafrecht
Bei notariellen Eheverträgen ist eine Inhaltskontrolle durchzuführen, wenn der Ehevertrag nicht Ausdruck und Ergebnis einer gleichberechtigten Partnerschaft, sondern eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehepartners widerspiegelt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn einer der Partner bei Abschluss des Ehevertrages sprachliche Defizite hat und zum Abschluss des Vertrages gezwungen wird.
Zwar unterliegen die Regelungen über den nachehelichen Unterhalt, den Versorgungsausgleich und den Zugewinn grundsätzlich der vertraglichen Disposition der Eheleute. Der Schutzzweck der gesetzlichen Regelungen darf aber nicht durch vertragliche Vereinbarung beliebig unterlaufen werden.
Dies gilt insbesondere bei einer einseitigen Lastenverteilung. Hier ist dabei eine Einzelfallprüfung durchzuführen, bei der auch zu prüfen ist, unter welchen Umständen und zu welchem Zeitpunkt der Ehevertrag geschlossen worden ist. Bei der dann vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind die individuellen Verhältnisse der Ehegatten zu berücksichtigen und dann im Rahmen einer Inhaltskontrolle die Frage der Sittenwidrigkeit der getroffenen Regelungen aufzuwerfen. Grundsätzlich kann von einer Sittenwidrigkeit nur dann ausgegangen werden, wenn in dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingegriffen wird. Dazu zählen in erster Linie der Betreuungsunterhalt, aber auch Alters- und Krankenunterhalt sowie der Versorgungsausgleich. Bei Ausschluss des Versorgungsausgleichs ist aber stets zu bedenken, dass hier staatliche Interessen zu beachten sind. Der Versorgungsausgleich soll gerade bewirken, dass die während der Ehe erwirtschafteten Rentenanwartschaften gerecht unter den Ehegatten aufgeteilt werden, und so verhindert wird, dass einer der Partner im Alter der Sozialhilfe und damit der Allgemeinheit zur Last fällt.
Dagegen hat der Bundesgerichtshof in einer Vielzahl von Entscheidungen herausgestellt, dass Zugewinnausgleich nicht den Kernbereich zuzuordnen ist und deshalb weitreichend regulierbar sein kann. Das bedeutet, dass wegen der Kernbereichsferne des Zugewinnausgleichs Modifikationen des Güterstandes nur unter engsten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich sind.
Deshalb ist eine Anpassung eines Vertrages insoweit nur gerechtfertigt, wenn Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von der ursprünglichen Lebensplanung grundlegend abweicht und dadurch beim belastenden Ehegatten ehebedingte Nachteile entstanden sind, die durch den Ehevertrag nicht angemessen kompensiert werden. Insbesondere wenn der schwächere Partner anderweitigen Ausgleich erhält, besteht kein Anlass, monierend einzugreifen. Es gilt insbesondere dann, wenn der schwächere Ehegatte über den Versorgungsausgleich zumindest im Alter Ausgleich erhält (Fall der sogenannten Funktionsäquivalenz vom Versorgungsausgleich und Zugewinnausgleich). Der Bundesgerichtshof hat es beispielsweise hingenommen, dass ein Arzt im Rahmen eines Ehevertrags, der vor Eheschließung abgeschlossen worden ist, eine Arztpraxis gegenüber der als Hausfrau tätig Gattin beim Zugewinn vollständig außer Ansatz gelassen hat.
Ähnlich hat in einer neueren Entscheidung das Oberlandesgericht Dresden entschieden, dass die Sittenwidrigkeit des Ehevertrages mit der Begründung verneint hat, dass die ungleiche Rollenverteilung und Entwicklung der Erwerbsbiografien sich bereits bei Vertragsschluss realisiert hatten. Die Besonderheit dieses Falles bestand darin, dass der selbständige Ehemann, der sein Betriebsvermögen aus dem Versorgungsausgleich herausgenommen hatte, nicht einmal Altersanwartschaften erworben hatte, was allerdings ebenfalls bei Abschluss des Ehevertrages bekannt war. Das Gericht hat in diesem Falle die Ehefrau auf Unterhaltsansprüche verwiesen und eine geringe Kompensation durch Haushaltsgegenstände für ausreichend gehalten. Die Ehefrau, so wurde schließlich noch ausgeführt, habe sich bei Unterzeichnung des Vertrages in keiner Zwangslage gefunden. Denkbar ist aber, um dies deutlich zu sagen, dass ein güterrechtlicher Verzicht möglicherweise dann zu beanstanden ist, wenn er im Wege einer Gesamtbetrachtung in die Sittenwidrigkeit einbezogen wird. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn trotz Betreuung kleiner Kinder zusätzlich auch auf den Versorgungsausgleich verzichtet worden ist.
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