Eines macht Diplom-Sozialpädagogin Theresia Kunz gleich zu Beginn klar: "Vor Mobbing ist keiner gefeit. Jeder kann Opfer, aber auch Täter werden." Obendrein zeigen sich die Pädagogen unter den Besuchern sehr offen. Aber auch die Eltern, die im städtischen Kinderhaus "Tohuwabohu" beim Vortrag "Mobbing - auch in der Schule" zu Gast sind reden Tacheles: "Je älter die Kinder sind, desto fieser werden sie", sagt die Mutter eines Opfers. "Aber auch der Täter oder die Täterin haben ein Problem", betont Kunz.
Tatsächlich verstärkten sich laut der Expertin der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) - Diözesanverband Regensburg die Möglichkeiten für Mobbing mit der zunehmenden Technisierung unseres Alltags: "Die Opfer können sich nicht mehr so leicht entziehen", sagt Kunz. Fake News in Whatsapp oder bloßstellende Bilder auf Facebook gebe es auch weit nach Schulschluss. Allein die Interneteinträge zum Stichwort "Mobbing" seien innerhalb der vergangenen zwei Jahre von gut drei Millionen auf knapp fünf Millionen gestiegen. "Aber Mobbing ist nichts Neues. Das gab's schon immer." Nur hießen die Opfer früher Klassenclowns oder Außenseiter. Trotzdem: "Ein Allheilmittel gibt es bis heute nicht."
Merkmale von Mobbing
Dabei sei nicht jeder Streit gleich Mobbing. Mobbing kennzeichne, dass sich erstens die Pöbeleien über einen längeren Zeitraum hinziehen. Zweitens stehe das Opfer immer allein da, als Täter kommen bis zu drei zeitgleich infrage. Entscheidend aber sei drittens: Bei Mobbing gehe es immer um die Ausübung von Macht. Der eine ist der vermeintlich Starke, Tolle, Schlaue, der andere ein Nichts. Und viele schauen einfach zu, sind Mitläufer. Weil's ihnen entweder egal ist, was mit dem anderen passiert. Oder weil sie Angst haben, selbst in die Schusslinie zu geraten.
Nicht so der Sohn einer Zuhörerin: "Er geht in die sechste Klasse und ist eingeschritten. Nun ist er selbst Opfer", offenbart sich die Mutter. "Müll landet jetzt bei ihm im Essen, seine Jacke verschwindet dauernd. Er ist total isoliert. Und der Lehrer sagt, die Kinder sind groß genug, die sollen das selbst klären." Die Expertin rät der Mutter, die Schule weiter hartnäckig um Hilfe und Intervention zu bitten: "Lehrer haben Lehr- UND Erziehungsarbeit zu leisten. Hier wird sonst nur ein halbes Paket geschnürt." Zugleich gelte es, das eigene Kind in seinem Tun zu bestärken.
Allen anderen Eltern sagt Kunz, selbst Mutter von drei erwachsenen Kindern, es gelte eine grundsätzliche Haltung in der Erziehung zu vermitteln, nämlich: "Wenn es jemanden schlecht geht, schauen wir nicht weg. Wir könnten die nächsten sein."
Mobbing kann übrigens immer dort passieren, wo mehrere Menschen zusammentreffen. Klar, in der Schulklasse. Aber auch im Kindergarten, im Verein, in der Clique oder "dort, wo sechs Leute für eine Woche miteinander in den Urlaub fahren", betont Kunz. In all diesen Gemeinschaften treibe jeden Menschen das Grundbedürfnis um, gesehen und gehört zu werden, dazuzugehören. Doch während sich die Gruppe zu finden versucht, kann's krachen, Mobbing droht. "Da hilft nur, vorzubeugen." Wie das geht? "Viele Gespräche führen und bloß nicht sagen, jetzt arbeiten wir endlich weiter."
Hilfe für Opfer und Täter
Zu jedem Mobbing-Opfer gehört aber auch ein Täter. "Also ich würde wissen, wenn ich die Mutter eines Täters wäre", fordert eine Zuhörerin. "Aber es ist nicht leicht, Eltern eines Täters zu sein", gibt die 57-jährige Tirschenreutherin zu bedenken. "Denn es gilt: Wer Schwierigkeiten macht, hat selbst welche." Meist besäßen die Täter ein sehr kleines Selbstwertgefühl. Sie kompensierten das, indem sie jemanden unterdrücken. "Wer andere klein machen muss, hat ein Problem."
Deshalb müsste nicht nur dem Opfer, sondern auch dem Täter geholfen werden (siehe Infokasten mit Hilfestellungen). Das funktioniere ähnlich, also ohne Schuldzuweisungen oder einer Bagatellisierung wie "der andere wird dich halt provoziert haben". Obendrein brauche es ein deutliches Nein von allen Beteiligten - Eltern, Erziehern, Lehrern: "Alle müssen klare Kante zeigen und sagen, so hast du mit niemanden umzugehen. Angst machen, jemanden klein machen: All das geht nicht." Zurechtweisungen allein aber genügten nicht. Vielmehr müsste auch auf die Bedürfnisse des Täters geschaut werden. Was will er? Was braucht er? Was vermisst er? Mit Gelassenheit und Geduld sei das alles zu meistern.
Am liebsten aber wäre allen Zuhörern im „Tohuwabohu“, weder Eltern von Opfern noch von Tätern sein zu müssen. „Erziehen sie deshalb ihre Kinder zu selbstbewussten, starken und autarken Menschen. Pflegen Sie einen wertschätzenden Umgang. Es ist so wichtig, dass man und wie man miteinander redet.“ An diesem Abend scheint es einfach nur wichtig gewesen zu sein, zugehört zu haben. Kinderhausleiterin Doris Schörner dankt Referentin Theresia Kunz für den Vortrag.
Anlaufstellen bei Mobbing-Sorgen
Mobbing kann jeden treffen, weiß die Referentin Theresia Kunz. Aber mit seinen Sorgen müsse auch keiner allein bleiben. Es gibt Hilfe vor Ort, im Internet, in Broschüren, an Schulen, per Telefon und gar pädagogisch wertvolle Spiele. Hier folgt eine Auswahl an Anlaufstellen, die die Diplom-Sozialpädagogin empfohlen hat:
• Unter www.kopfhoch.de werden junge Menschen aus der Oberpfalz anonym und kostenlos im Internet beraten. Sogar ein Kummertelefon für Kinder und Jugendliche gibt es, erreichbar unter 0800/5458668, ebenfalls kostenlos und anonym.
• Die Erziehungsberatungsstellen vor Ort helfen ebenfalls weiter. Zum Beispiel die der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Regensburg am Josef-Witt-Platz 1, Telefon 0961/3917400.
• Spielerisch Mobbing aufarbeiten geht nicht? Von wegen. Der Aktion Jugendschutz e.V. bietet Wenn-Ich-Karten zum Thema Mobbing an, dank derer Kinder mit Eltern ins Gespräch kommen. Preis: 15.50 Euro. Erhältlich online unter www.aj-bayern.de.
• Vor allem für Mobbingfälle in der Schule sei der Schulpsychologe ein guter Ansprechpartner. Wer die Kontaktdaten nicht zur Hand hat, fragt einfach bei der jeweiligen Schule danach.
• Unterstützung bietet Eltern auch die kostenlos unter der Adresse www.aj-bayern.de bestellbare Broschüre „Mobbing gemeinsam beenden“ . Sie hilft Mama und Papa, das Phänomen Mobbing besser zu erkennen und zeigt auf, wie Mobbing gemeinsam mit der Schule beendet oder verhindert werden kann.
Erste-Hilfe-Maßnahmen gegen Mobbing
Und was, wenn’s bereits zu spät ist, die Gespräche verpasst wurden und das Kind nun Mobbing-Opfer ist? Wie reagieren Eltern dann richtig? Das sind die Tipps von Diplom-Sozialpädagogin und Dreifach-Mutter Kunz Theresia Kunz:
- Eltern sollten sich auf jeden Fall Schuldzuweisungen schenken wie „Siehst du, weil du so schüchtern bist!“ oder „Sag doch mal was!“.
- Eltern dürfen die Vorfälle nicht bagatellisieren: Denn Ansagen wie „Du musst nur noch dieses Jahr aushalten“ oder „Das ist doch nicht so schlimm, da stehst du drüber“ führten zu keiner Lösung. Besser sei, genau hinzuschauen,: Vielleicht zeigt sich, es handelt sich nur um einen Streit.
- Eltern müssen Gelassenheit bewahren: „Rufen Sie auf keinen Fall die Eltern des Täters an“, warnt Kunz. Das sei die falsche Ebene, um Mobbing zu stoppen. „Sie müssen immer an den Ort gehen, wo Mobbing passiert.“ Also in die Schule, zu den Lehrern, ... Diese Stellen müssen natürlich auch die Eltern des Täters informieren.
- Eltern müssen unbedingt intervenieren: „Mobbing muss gestoppt werden, weil es sich meist nicht von selbst löst und bis zur Traumatisierung führen kann.“
- Eltern brauchen Geduld: „Mobbing geht über eine längere Zeit und kann deshalb nicht von heute auf morgen vorbei sein.“
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