Nach etlichen Jahren der Arbeitslosigkeit - unterbrochen nur durch befristete Teilzeittätigkeiten oder geringfügige Beschäftigungen - erhielt die 53-Jährige im Februar 2018 eine Festanstellung im Eleonore-Sindersberger-Altenheim. 30 Stunden pro Woche arbeitet sie seitdem als Betreuungsassistentin. Erstmals seit Jahren ist sie dadurch nicht mehr auf amtliche Unterstützung angewiesen.
Möglich gemacht haben das Dieter Riebel vom Jobcenter Weiden-Neustadt, der Sylvia Gräber für das Bundesprogramm "Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt" gewonnen hat, und Diakon Wolfgang Reuther. Der Heimleiter hat die 53-Jährige nach Ablauf des Bundesprogramms in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Er hat seine Entscheidung nicht bereut - im Gegenteil (siehe gesonderten Bericht). Sylvia Gräber selbst schwebt wie auf Wolken. Als alleinerziehende Mutter von vier Töchtern blieb ihr nach der Trennung von ihrem ersten Mann nichts übrig, als aufs Sozialamt zu gehen. "Da bricht auf einmal alles weg", erinnert sie sich. Sie hat zwar immer wieder mal dazuverdient. Aber eine unbefristete Festanstellung war nicht drin. 2013 absolvierte sie in der "Denkstatt" die Ausbildung zur Betreuungsassistentin, hoffte anschließend auf eine Vermittlung. Vergeblich. Wegen einer künstlichen Hüfte hat sie einen Grad der Behinderung von 40 Prozent. Ein Umstand, der so manchen Arbeitgeber abschreckt.
Gute Voraussetzungen
"Also war ich arbeitslos daheim. Da geht's einem nicht gut", räumt sie ein. Sylvia Gräber, ohnehin von ruhiger Natur, zog sich immer mehr in sich selbst zurück, wirkte nach außen hin verschlossen. Große Chancen auf dem Arbeitsmarkt rechnete sie sich nicht mehr aus. Und dann so was: Dieter Riebel vom Jobcenter stellt ihr das Programm "Soziale Teilhabe" vor. Mit der Ausbildung zur Betreuungsassistentin bringt Sylvia Gräber gute Voraussetzungen für den Einsatz im Seniorenheim mit, rechnet sich der Integrationscoach aus. Die Frau, deren Kinder längst aus dem Haus sind, ist einverstanden. Zum 1. Februar 2017 beginnt für sie die Fördermaßnahme bei der Diakonie.
"Ich hab schon Angst g'habt", gesteht die heute 53-Jährige. "Wenn man so lang daheim war ...". Für Pflegedienstleiter Konrad Nickl, ihren direkten Vorgesetzten, ist das kein Wunder. "Am ersten Tag ist alles neu. Bei uns gibt es so viele Kollegen, so viele Bewohner. Das erschlägt einen fast. Das gilt eigentlich für jeden neuen Mitarbeiter." Doch Sylvia Gräber fühlte sich schnell wohl. Sie wurde von Anfang an gut aufgenommen, erzählt sie. "Ich weiß noch, am ersten Tag war ich bei der Gymnastikstunde bei Gerlinde Koch dabei. Das hat mir gleich gefallen."
Tag zwei startete mit einem unerwarteten Hindernis. "Wir hatten starkes Glatteis", erinnert sich Gräber. "Ich wusste, mit der Hüfte schaffst du den Weg nicht. Aber du musst in die Arbeit. Du willst in die Arbeit." Also hat sie sich kurzerhand ein Taxi gerufen. Ein Luxus, den sie sich im Normalfall nicht leistet. Alles lief glatt - ohne Ausrutscher.
Sylvia Gräber ging immer mehr aus sich heraus, erwarb die Sympathie von Kollegen und Bewohnern. Sie selbst fühlt sich sehr gut aufgenommen. "Und die Bewohner geben einem so viel zurück", sagt sie. "Wenn S' sagen: Mei, die Sylvia ist wieder da. Das freut einen so." Früher sei sie total verschüchtert gewesen. "Mein Selbstbewusstsein war ganz unten." Aber wenn man von Kollegen und Bewohnern so gut aufgenommen werde, "das baut einen auf".
"Wir waren ganz überrascht, wie super positiv sie sich entwickelt hat", sagt Diakon Reuther. Kurz vor Ende der Fördermaßnahme habe Sylvia Gräber ihn geben, sie anzustellen. "Sie wollte nicht mehr in Hartz IV. Sie wollte da raus. Und unser Ziel ist es auch, Leute in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen."
Basteln und Bewegung
Sylvia Gräber erhielt den Arbeitsvertrag - zum 1. Februar 2018. 30 Stunden in der Woche ist sie nun als Betreuungsassistentin tätig, hilft den alten Menschen bei der Tagesstrukturierung, macht mit ihnen Bewegungsübungen, Gedächtnistraining oder Bastelaktionen. Ein wichtiger Aufgabenbereich: Hilfestellung beim Essen. Ein Stück Fleisch auf die Gabel spießen, das Glas immer wieder nachfüllen. "Trinken ist wichtig."
Sylvia Gräber ist angekommen. In einem Beruf, der ihr Spaß macht. Und sie ist stolz, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. "Es ist so schön, dass ich nicht mehr vom Jobcenter abhängig bin", strahlt sie. Was ihr heuer ganz besondere Freude macht: "Ich habe zum ersten Mal im Leben Weihnachtsgeld erhalten."
Im November 2015 startete das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“. Bis Ende 2018 laufen die Maßnahmen nun nach und nach aus. „Mit 105 Plätzen hat das Jobcenter Weiden-Neustadt so viele Stellen bewilligt bekommen wie München und auch Nürnberg“, erklärt der zuständige Integrationscoach Dieter Riebel nicht ohne Stolz.
Zielsetzungen sind die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen, die Aktivierung von sogenannten marktfernen Langzeitarbeitslosen und der Abbau von Vermittlungshemmnissen. In der Regel handelt es sich um Teilzeitarbeitsplätze mit maximal 30 Wochenstunden. Über das Programm werden die Löhne zu 100 Prozent finanziert. Integrationscoaches unterstützen die Arbeitskräfte dabei, wieder ins Berufsleben zu finden und halten zugleich den Kontakt zum Arbeitgeber und den jeweiligen Vorgesetzten. Beim Diakonischen Werk laufen die Fäden bei Markus Friedrich im Arbeitsförderungszentrum zusammen.
„Die Förderung ist sinnvoll, damit Arbeitslose wieder eine Perspektive sehen“, betont Dieter Riebel. Sein Chef Peter Witt, Leiter des Jobcenters, bezeichnet ihn als „personifizierten Kümmerer. Er nimmt die Leute bei der Hand, kennt ihre Lebenswege und Probleme.“
Die Betroffenen waren mindestens vier Jahre lang arbeitslos und mussten Schritt für Schritt wieder an die Arbeitswelt herangeführt werden. Von den 105 Teilnehmern dürften bis zu 25 in den ersten Arbeitsmarkt münden, schätzt Riebel, da noch nicht alle Übernahmen absehbar seien. Bei den übrigen würden sich die Vermittlungschancen deutlich verbessern. Den Riesenerfolg des Projekts zeigt das Beispiel von Sylvia Gräber, sagt Witt: „Sie hat eine feste Stelle, verdient Tariflohn und ist nicht mehr auf Leistungen des Jobcenters angewiesen.“ Riebel: „Davon profitieren auch die Stadt und die ganze Gesellschaft.“
Ein Nachfolgeprogramm ist nach Auskunft der Experten bereits in Sicht: Dabei würden die Lohnkosten in den ersten beiden Jahren zu 100 Prozent gefördert, insgesamt wären fünf Jahre Förderung möglich. Weitere Informationen erteilt das Service-Center des Jobcenters unter der Telefonnummer 0961/409 1500.
„Wir sind mit Frau Gräber sehr zufrieden“, sagt Pflegedienstleiter Konrad Nickl. „Ihre Art kommt bei den Bewohnern gut an. Deshalb haben wir sie angestellt.“ Dabei habe die 53-jährige seit dem Start der Fördermaßnahme eine enorme Entwicklung durchgemacht. „Sie ist nicht mehr so introvertiert, geht aus sich heraus.“ Zugleich strahle sie Ruhe aus, und „das kommt bei den Bewohnern gut an“.
Das Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ sei letztlich auch ein Glücksfall für das Sindersberger-Altenheim, meint Nickl. Denn ohne die Förderung wäre es nicht möglich gewesen, die Eignung von Sylvia Gräber als Betreuungsassistentin zu testen. „Wir sind an den Personalschlüssel gebunden. Deshalb muss eine neue Kraft eigentlich von Anfang an funktionieren. Da können wir nichts ausprobieren.“ Dank des Förderprogramms habe sich Sylvia Gräber Schritt für Schritt erproben und entwickeln können. Das Heim wiederum konnte so feststellen, ob die 53-Jährige für eine Anstellung geeignet sei.
Sylvia Gräber ist übrigens nicht die einzige Teilnehmerin, die bei der Diakonie ankommt. „Zwei weitere Anstellungen stehen im St. Michaelszentrum an“, sagt Diakon Wolfgang Reuther, der auch diese Einrichtung leitet. Dort werden demnächst zwei Kräfte aus dem Förderprogramm als Stationshilfen fest angestellt.
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