Weiden in der Oberpfalz
03.07.2023 - 11:51 Uhr

Nie wieder Musik und Tanz: Haus der Evangelischen Gemeinde in Weiden entwidmet

Viele Erinnerungen an das Evangelische Vereinshaus wurden am Sonntag wach. Abschlussbälle und Tanzveranstaltungen, Vorträge und Lesungen - das alles ist und bleibt für immer Geschichte. Das Gemeindehaus wurde offiziell entwidmet.

Nicht nur Oberbürgermeister Jens Meyer spürte wackelige Knie und hatte Gänsehaut, wie er sagte. Das ging auch anderen so, die am Sonntagnachmittag die Entwidmung und damit das Veranstaltungsende im Evangelischen Vereinshauses miterlebten. Nie wieder wird hier Musik erklingen. Keine Vorträge mehr, kein Tanz. Auf dem Gelände des Vereinshauses, das 1927 gebaut wurde, soll ein Wohngebäude entstehen. "Die Kirchengemeinde St. Michael hat sich diese Entscheidung alles andere als leicht gemacht", wusste der Oberbürgermeister. Man habe mit mehreren Investoren verhandelt. Aber eine Weiterführung als Veranstaltungsort sei nicht verhandelbar gewesen.

"Heute geht es ums Abschiednehmen von einem Stück Weidener Geschichte", erklärte Regionalbischof Klaus Stiegler. Dieses Gebäude habe Tausende beherbergt. "Danke, dass Sie dem Haus die letzte Ehre erweisen." Er dankte allen kirchlichen Gremien, die sich schlussendlich zu diesem Schritt durchgerungen hätten. "Es gibt keine verantwortungsbare Zukunft für das Vereinshaus." Einer immer kleiner werdenden Kirche eine Zukunft zu geben, habe Vorrang. Nach der Entwidmung waren alle Gäste gebeten, dem Kreuz zu folgen und aus dem Gebäude auszuziehen.

Tränen in den Augen

Wie Dekan Thomas Guba betonte, werden die Evangelisch-Lutherische Verwaltungsstelle und die Dekanatsjugend noch bis Oktober innerhalb des Gebäudes residieren. Wann dann die Abrissglocke anrücke, könne er nicht sagen. Sehr traurig fühlte sich Wilhelm Wolff. Er war hier Hausmeister von 1990 bis 2015. Tränen? "Nein, ich nicht. Aber meine Frau." Die Erinnerungen von Herbert Tischler reichten weit zurück. "Oben auf der Empore saß ich. Unten die Mädchen von der Oberrealschule beim Abschlussball. Ich hab hier meine Frau kennengelernt." Nach dem Krieg habe er engen Kontakt zu den Flüchtlingen gepflegt, die im Vereinshaus untergebracht waren. "Ich denke auch an die vielen schönen Bälle hier. Wenn oben Pause war, ging's unten mit einer anderen Kapelle weiter."

Auch Veit Wagner hing seinen Gedanken nach. "Ich denke da nicht mal an die vielen Abiturfeiern, die ich hier erleben durfte, sondern an einen Auftrittsversuch des 'Westentaschen Kabaretts' mit 500 Besuchern." Die Akustik sei schlecht gewesen, erinnerte er sich. Auch, dass seine Oma gegenüber gewohnt habe und er das Vereinshaus als kleiner Bub als "Evangelisches Hospiz" kennengelernt habe und gar nicht wusste, was das bedeutete. "Aber es ist schade, wie es jetzt gekommen ist." Ähnlich empfand Karin Holl. Das Haus habe sich zuletzt nicht mehr finanziert. "Da hätte man vorher was machen müssen." Stadtrat Stefan Rank machte Mut. Auch aus Neuem könne Gutes entstehen.

Wand voller Erinnerungen

Sechs Stunden lang wurde das Michaelsfest gefeiert. Am Vormittag gab es einen Familiengottesdienst. Dabei wurde im Saal eine Erinnerungswand gestaltet. "Jeder konnte eine Person hinschreiben, mit der er an diesem Ort etwas besonderes erlebt hatte", erklärte Pfarrerin Stefanie Endruweit. "In der Predigt ging es darum, dass es egal sei, wo man seine Zeit verbringt. Hauptsache man verbringt sie miteinander." Die Kulinarik kam nicht zu kurz. Die Pfadfinder bereiteten Paella für 90 Personen in der Pfanne zu. Es gab auch Steaks, Bratwürste und mehr. Im Gebäude lockten Kuchen und Torten. Für die Kinder gab es eine Hüpfburg.

Dort war auch ein Flohmarkt mit Utensilien aus dem Vereinshaus aufgebaut. "Das Interesse war sehr groß, es wurde viel verkauft. Auch im Vorfeld schon", sagte Günther Roscher vom Verband Christlicher Pfadfinder. " Komplett aufgekauft wurden Stühle, Tische, Geschirr und die Spüle. Vieles sei als Andenken weggegangen. "Was nicht verkauft wird, bekommt das Diakonische Werk oder wird entsorgt."

Hintergrund:

Haus der evangelischen Gemeinde

  • Eingeweiht am 27. Oktober 1927 vom Evangelischen Männer- und Jünglingsverein
  • 1974 aufgrund von Schulden übertragen vom Männerverein auf die Kirchengemeinde St. Michael auf Erbbaurecht
  • 1979 bis 1981 Umbau zur jetzigen Form
  • 2023 Offizielle Entwidmung
 
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