Professor Dr. Michael Brenner (54) ist Experte für jüdische Geschichte und Kultur, lehrt in München und Washington – und stammt aus Weiden.
ONETZ: Ist Chanukka das jüdische Weihnachten?
Professor Dr. Michael Brenner: Es gibt Gemeinsamkeiten. Beide sind in ihrem Ursprung Lichterfeste, die sich in manchen Jahren zeitlich sogar überschneiden. Allerdings richtet sich Chanukka nach dem jüdischen Kalender, der in Mondmonate aufgeteilt ist. Aus Sicht des christlichen Kalenders ist es daher ein bewegliches Fest. Chanukka dauert auch länger als Weihnachten, nämlich acht Tage: Dieses Jahr wurde es vom 2. bis 10. Dezember gefeiert. Im hebräischen Kalender beginnt Chanukka übrigens an einem Abend, weil alle Tage nach jüdischer Auslegung abends beginnen. Weihnachten beginnt ebenfalls an einem Abend, dem christlichen Heiligen Abend. Noch eine Gemeinsamkeit: Auch an Chanukka beschenkt man sich, und zwar bekommen die Kinder in manchen Familien täglich eine Kleinigkeit.
ONETZ: Sie haben eine erwachsene Tochter. Was hat die denn geschenkt bekommen?
Professor Dr. Michael Brenner: Letztes Jahr einen Rucksack. Weil sie den für eine Weltreise benötigte. Normalerweise gibt es, wie gesagt, nur etwas Kleines. Zum Beispiel eine Tafel Schokolade. Aber eben an diesen acht Tagen jeden Tag etwas.
ONETZ: Was genau feiern die Juden an Chanukka?
Professor Dr. Michael Brenner: Chanukka bedeutet im Hebräischen soviel wie „Einweihung“. Die Makkabäer ließen den von den Griechen entweihten Tempel wieder aufbauen und im Jahre 164 vor der christlichen Zeitrechnung wieder weihen. Die Menora, der Leuchter im Tempel, sollte für immer brennen. Der Überlieferung nach war aber nach den Kämpfen nur Öl für einen Tag da. Wie durch ein Wunder brannte es jedoch acht Tage, bis neues verfügbar war. Deswegen feiert man Chanukka acht Tage lang. Symbolisiert wird dieses „Wunder“ durch den Chanukka-Leuchter. Er hat neun Arme. Acht stehen für das achttägige Wunder, ein Arm ist der sogenannte Diener. Mit ihm zündet man während des Chanukka-Festes an jedem Tag eine neue Kerze am Leuchter an.
ONETZ: Welche Bedeutung hat Chanukka im Reigen der jüdischen Feste?
Professor Dr. Michael Brenner: Im Grunde gar keine so zentrale. Erst im Mittelalter und bei jüdischen Gemeinden im christlichen Umfeld hat es an Bedeutung gewonnen. Die europäischen Juden wollten vermutlich ein Gegengewicht zum christlichen Weihnachtsfest schaffen und passten sich so auch an. Das ist vermutlich der Grund, warum die Juden sich, ähnlich wie die Christen an Weihnachten, zum Chanukka-Fest beschenken. In Amerika ist Chanukka aber viel präsenter. Man sieht zum Beispiel in den Schaufenstern Chanukka-Leuchter und auch die nicht-jüdischen Amerikaner verbinden etwas mit dem Wort. Die christlichen und jüdischen Bräuche überlagern sich heute zum Teil aber auch. So wird in manchen Familien „Weihnukka“ gefeiert, wie wir scherzhaft sagen. Ein gläubiger Jude feiert aber natürlich kein christliches Weihnachten. Wir wünschen uns auch nicht „frohe Weihnachten“, sondern hier in den USA „Happy Hanukkah!“
ONETZ: Wie verbringt man Chanukka?
Professor Dr. Michael Brenner: Ich erinnere mich an schöne Familienfeste. Chanukka wird zu Hause, nicht in der Synagoge gefeiert. Es wird viel gespielt, zum Beispiel mit Kreiseln. Traditionell gibt es Krapfen und Kartoffelpuffer zu essen. Das sind Speisen, die in Öl gebraten oder gebacken werden – Öl, das wie durch ein Wunder acht Tage brannte. Weihnachten war für mich als Kind dagegen langweilig, weil wir es als Juden ja nicht feierten, die meisten Schulkameraden dagegen schon. Da sucht man nach Alternativen. In Amerika gehen viele Juden an Weihnachten chinesisch essen.
ONETZ: Welches Geschenk wünschen Sie sich in diesen Tagen zwischen Chanukka und Weihnachten?
Professor Dr. Michael Brenner: Ich glaube, wir sollten Chanukka und Weihnachten dazu nutzen, Andersgläubige besser zu verstehen und ganz allgemein über Frieden nachzudenken. Im Großen und im Kleinen.
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