Weiden in der Oberpfalz
19.10.2018 - 15:03 Uhr

Ihr Revier: Geld und Gier

Alle schweren Raubüberfälle der jüngsten Zeit konnte das Kommissariat 2 der Weidener Kripo aufklären. Schwerer tut man sich mit den Betrügern, die ihre Opfer virtuell schröpfen.

Das K2 mit (von links) Kommissariatsleiter Peter Weig, Kommissarin Carina Buhl, den Kommissaren Jürgen Preisinger, Gilbert Fehlner, Franz Hilburger, Bilanzbuchhalterin Daniela Kormann sowie den Kommissaren Carsten Schultes und Jens Meyer. Es fehlt Heiko Erl.	Bild: gsb Bild: gsb
Das K2 mit (von links) Kommissariatsleiter Peter Weig, Kommissarin Carina Buhl, den Kommissaren Jürgen Preisinger, Gilbert Fehlner, Franz Hilburger, Bilanzbuchhalterin Daniela Kormann sowie den Kommissaren Carsten Schultes und Jens Meyer. Es fehlt Heiko Erl. Bild: gsb

Nicht einmal als billiger Liebesroman würde diese Story durchgehen: Schweizer Ingenieur verliebt sich via Internet in eine Frau aus der Oberpfalz. Er ist auf dem Weg nach China, um Schiffsbauteile zu verschiffen. Da gerät er in die Hände von Piraten. Alle sind tot, seine Mutter, seine Frau. Nur eine kann ihn auslösen.

Genau. Die neue Liebe aus der Oberpfalz. Und sie zahlt. "Sie hat ihn nie gesehen und zahlt", bedauert Kommissarin Carina Buhl. Eine Frau aus der Region überwies 85000 Euro in zwei Jahren. Lachen kann darüber keiner im Kommissariat 2 der Kriminalpolizei Weiden. Hier weiß um das manipulative Geschick von Betrügern. Unter Leitung von Kriminalhauptkommissar Peter Weig ermitteln Kriminaloberkommissarin Carina Buhl sowie die Kriminalhauptkommissare Carsten Schultes, Jürgen Preisinger, Gilbert Fehlner, Franz Hilburger, Heiko Erl und Jens Meyer immer dann, wenn's um viel Geld geht. Zum Team gehört Bilanzbuchhalterin Daniela Kormann.

In der Hand von Piraten

"Romance"-Scamming nennt sich der Betrug mit der großen Liebe. Irgendwann sitzen die Enttäuschten in den nüchternen Büros der Ermittler. Zigtausende Euros sind unwiederbringlich überwiesen an Konten im Ausland, abgeräumt von der "Nigeria-Connection", einer Art Callcenter-Industrie in Westafrika. Bis zuletzt, sogar noch bei der Polizei, hegen die Betroffenen einen letzten Funken Hoffnung, dass doch etwas Wahres dran ist. Sie berichten von kurzen Videoanrufen, bei denen sie sich mit dem Freund unterhalten konnten. Sie zeigen Whatsapp-Profilbilder. "Einmal war ein kanadischer Schauspieler darunter", berichtet Schultes. Manche überweisen nach Anzeigeerstattung noch einmal.

Ähnlich perfide: der Trick mit dem falschen Polizisten. Man geht davon aus, dass sich die Callcenter in diesen Fällen in der Türkei befinden. Deutschsprachige Türken "bequatschen" per Internetanruf gezielt Senioren. Im Display erscheint die Nummer der Weidener Polizei. Erzählt wird beispielsweise Folgendes: Es habe einen Einbruch in der Nachbarschaft gegeben. Dabei sei eine Liste gefunden worden, da stünde auch ihr Name drauf. Die Betroffenen sollten ihr Vermögen sichern. "Und dann hängen die Leute tatsächlich einen Stoffbeutel mit 50 000 Euro an den Türknauf", berichtet Kommissariatsleiter Weig. "So etwas passiert in dieser Republik jeden Tag." Ein älterer Herr aus der Region hat 100 000 Euro auf Anweisung eines vermeintlichen Staatsanwalts verschickt, adressiert an Adressen von Türken in ganz Deutschland.

"Wir gehen in diesem Bereich von einer Riesendunkelziffer aus, weil sich gerade alte Leute dafür schämen", vermutet Weig. Immer mal wieder können die "Finanzagenten" ermittelt werden, die in Deutschland Geld einsammeln und in die Türkei bringen. Die großen Auftraggeber sitzen aber in der Türkei - "und dort ist für uns schnell Ende".

Die Kommissare des K2 sind zuständig für Eigentums- und Vermögensdelikte und Wirtschaftskriminalität und ob ihrer gehobenen "Kundschaft" oft in Anzug und Sakko unterwegs. Ihre kühle Gelassenheit verlieren sie genau an diesem Punkt: wenn es um alte Menschen geht. "Täter, die Senioren angehen, stehen bei uns ganz oben auf der Liste: Sie vergreifen sich an den schwächsten Personen der Gesellschaft und bringen diese um ihr Erspartes für den Lebensabend", sagt Leiter Weig.

Schockiert von Brutalität

Das gilt auch für die Raubüberfälle der jüngsten Zeit. 40 Jahre ist der Falkenberger im Dienst. Aber ihm ist nicht erinnerlich, dass es je so viele Überfälle auf Senioren gab, bei denen man bewusst in Kauf nahm, dass sie daheim sind. Kollege Fehlner hat den Hammerweg-Raub bearbeitet: "Diese Brutalität gegenüber alten Menschen schockiert mich." Die Täter traten auf eine 90-jährige Frau ein, bis neun Rippen brachen. "Die haben doch auch eine Oma."

Im K 2 ist man froh, all diese schweren Delikte aufgeklärt zu haben: den Bankraub in Tännesberg, die Raubüberfälle in der Hammerweg-Siedlung und in Grafenwöhr ("Rio) sowie auf Uhren-Heinz in Weiden. Wenn man diesen Verbrechen eine positive Erkenntnis abgewinnen kann, dann die, dass die Zusammenarbeit mit Tschechien heutzutage überhaupt kein Hindernis mehr darstellt. Im Fall Rio griff Sachbearbeiter Schultes für die Nachermittlungen auf kurzem Dienstweg zum Hörer, um den Prager Kollegen anzurufen. Kommuniziert wurde auf Englisch. Für gerichtsverwertbare Beweise wird mit großer Routine auf das Gemeinsame Zentrum Petrovice-Schwandorf zurückgegriffen.

Viele Fälle des K2 sind grenzüberschreitend. In wenigen Minuten sind die Täter über A6 und A93 im Nachbarland. Etliche Serien (Rasentraktoren, Bäckerei-Einbrüche) starteten und endeten in Tschechien. Aber man hat die Erfahrung gemacht, dass Tschechien kein "Basislager" für Verbrecherbanden sein will: "Die tschechischen Kollegen hauen sich voll rein für uns", sagt Weig. "Man ist auch dort sehr interessiert an einer Strafverfolgung." Am Rande erwähnt: Wohnungseinbrüche sind stark rückläufig, womöglich zurückzuführen auf den hohen Ermittlungsdruck und bessere Einbruchssicherung.

Eine aktuelle Serie betrifft eher Firmen: das "Glas-Stechen". Die Täter durchstechen Fenster nahe des Knaufs. Über 80 Fälle sind in der Oberpfalz, Oberfranken und Niederbayern aufgelaufen. Dran: das K2.

Ob Hammerweg, „Rio“, Tännesberg – oder Uhren Heinz: Das K2 der Weidener Kripo konnte alle schweren Überfälle der jüngsten Zeit klären. Bild: Helmut Kunz
Ob Hammerweg, „Rio“, Tännesberg – oder Uhren Heinz: Das K2 der Weidener Kripo konnte alle schweren Überfälle der jüngsten Zeit klären.
Hintergrund:

Warum kein K3?

Schon schade. Eigentlich gibt es kein K3. Und dabei hätten die Kommissare einiges zu erzählen. Bei der Weidener Kriminalpolizei ist dem Kommissariat K2 (Eigentumsdelikte) das K3 (Vermögens- und Wirtschaftsdelikte) einverleibt. Das gibt es in Bayern nicht oft.

Das Tätigkeitsfeld ist enorm groß. Das K3 ermittelt bei Insolvenzverschleppung: Binnen von drei Wochen muss Meldung über die Zahlungsunfähigkeit gemacht werden. Geschieht dies nicht, folgt oft der Bankrott und als Nebenprodukt noch das Vorenthalten von Arbeitsentgelt.

Aktuell laufen mehrere Verfahren wegen Abrechnungsbetrug von Pflegeheimen und -diensten zum Schaden der Krankenkassen. Die Kassen haben inzwischen alle interne Abteilungen gegründet, die bei Betrugsverdacht Anzeige erstatten. Es geht dabei um Leistungen, die nicht erbracht wurden oder nach falschen Schlüsseln abgerechnet wurden.

Auch ein Thema: Subventionsbetrug. Das kommt immer mal wieder in der Landwirtschaft vor, wenn beispielsweise Linsen und Erbsen auf einer bestimmten Fläche angemeldet sind, dafür Förderung kassiert wird - und dabei wachsen auf den Feldern ganz andere Pflanzen.

In den Reihen der Kommissare findet sich mit Franz Hilburger ein absolutes Ass für gefälschte Überweisungsträger. "Er braucht kein BKA", scherzen die Kollegen: "Wir legen ihm den Überweisungbeleg hin und er weiß sofort, welche Gruppierung das ist." Derzeit sind Täter aus Frankreich aktiv: Sie besorgen sich über den Generalbundesanzeiger die Daten von GmbHs und versenden vom Briefzentrum Aachen aus gefälschte Überweisungträger an Banken in ganz Deutschland. "Zum Glück halten die Banken oft Rücksprache", sagt Hilburger. In acht von zehn Fällen bleibt es beim Versuch. (ca)

 
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