Was waren und sind die Ziele Russlands im derzeitigen Krieg mit der Ukraine? Was will Putin erreichen und wie ist der Konflikt zu lösen? Diese Fragen diskutierte auf Einladung der Gesellschaft für Sicherheitspolitik (GSP) der Russland-Spezialist Brigadegeneral a. D. Reiner Schwalb (68) im Kasino der Ostmarkkaserne mit den Zuhörern. Das große Interesse an den Aussagen des pensionierten Brigadegenerals zeigte sich an der Anwesenheit von weit über Hundert Soldaten, Vertretern der Stadt und Funktionären aus Reservistenkreisen und dem Bayerischen Soldatenbund.
Schwalb war 1973 in die Bundeswehr eingetreten. Er studierte dort Bauingenieurswesen und in Washington Politikwissenschaften. Später diente er an verschiedensten Stellen in der Truppe und in der NATO. Unter anderem war Schwalb Austauschreferent im britischen Verteidigungsministerium und „Deputy Chief War Plans“ in Heidelberg. Zwei Jahre lang war Schwalb im Brigadestab in Weiden. Zu dieser Zeit wohnte er in Tännesberg. Im Anschluss war er sechs Jahre in Cham. Von 2011 bis 2018 fungierte er als Verteidigungsattaché der Deutschen Botschaft in Moskau.
Die dort erworbenen tiefen Einblicke in die russische Seele und die Vielfalt dieses Riesenreiches qualifizierten Schwalb für zahlreiche Expertengruppen und sein Engagement zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen. Zudem habe ihn seine Tätigkeit in der GSP und die Bekanntschaft mit GSP-Sektionsleiter Harald Puckschamel und dessen Vertreterin Manja Bönchendorf nach Weiden geführt, sagte Schwalb. Der General wohnt in Frechen bei Köln und wird demnächst an einer Tagung in Lippstadt („Von Kabul auf die Krim“) teilnehmen.
Oberstleutnant Thorsten Wallschus, Kommandeur der Ostmarkkaserne, führte in den zweieinhalbstündigen Vortrag mit der Feststellung ein, dass „nach jahrzehntelangem Denkverbot“ nun „der Versicherungsfall eingetreten“ sei und „wir jetzt mit den Konsequenzen leben“ müssten. Die „Erfüllung des von der Politik Versprochenem“ stehe noch aus.
Russlands Reaktion zu erwarten
Schwalb berichtete über Russland mit seinen 130 Völkern und Ethnien sowie die Geschichtswahrnehmung der Bevölkerung, wie er sie in zahlreichen Reisen während seiner sieben Jahre Russland-Zeit kennenlernte. Nach der „Nationalen Sicherheitsstrategie“ des Landes seien Sicherheit, Stabilität, Respekt, wirtschaftliche Entwicklung und der Status als Großmacht die Hauptziele. Nach Schwalbs Meinung war es eine strategische Fehlentscheidung, nach Beginn der Krise russische Diplomaten auszuweisen. Es sei mit der Gegenreaktion Russlands zu rechnen gewesen.
Anfangs sei nicht die Eroberung der Ukraine das Ziel gewesen, sondern die Erzwingung von Verhandlungen, eventuell auch die Einsetzung einer Marionettenregierung. Das Militär habe die Lage falsch eingeschätzt. Seit Mitte März sei das Ziel nur noch, Voraussetzungen für einen vorteilhaften Frieden zu schaffen, so Schwalb.
Von Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskij wisse man nicht, was er wolle. Waffenstillstand? Frieden? Freiheit? Sofort und auf Dauer? Ziel der USA sei „die maximale Schwächung Russlands“. Schwalb setzt auf jeden Fall auf „Diplomatie im Geheimen“. "Der Westen muss die Ukraine unterstützen. Schwere Waffen braucht das Land auf jeden Fall, auch wenn der Krieg im Donbass endet und die Ukraine ein neutraler Staat - EU-gestützt und Nato geschützt - wird." Wenn Finnland und Schweden jetzt den Antrag auf Nato-Mitgliedschaft stellen, sei „viel Geschrei“ von russischer Seite zu erwarten. Man solle aber darauf achten, dass Russland stabil bleibe, riet der Experte.
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