"Gorko, Gorko, Gorko", rufen die rund 80 Gäste. "Gorko, Gorko", bis das Brautpaar die Gabeln sinken lässt, mühsam die Stühle zurückschiebt und sich unter wildem Applaus küsst. "Gorko" heißt bitter und verpflichtet das Paar, den Abend wieder "süß" zu machen. Und das geht nur mit Küssen.
Ich war das erste Mal auf einer russischen Hochzeit. Auf den ersten Blick schien sie sich nicht groß von einer deutschen zu unterscheiden. Weiße Rosen, Tränchen verdrücken bei der freien Trauung, ein Sektempfang im Garten. Buffet, Hochzeitstorte, Tanzen bis zum Umfallen. Andere Dinge kamen unerwartet. Von Anfang an hatte ich zum Beispiel Essiggurken-Duft in der Nase. Die Gurken versteckten sich zwischen den Blumengestecken in der Tischdeko und hatten einen Zweck: Dass der Wodka besser runtergeht. Der war großzügig berechnet, dutzende Flaschen hatten Wein und Bier aus den ersten drei Etagen des Getränkekühlschranks verdrängt.
Schon vor dem frühen Abendessen hat uns der "Alkoholbeauftragte" unseres Tischs die überdimensionierten Schnapsgläser vollgeschenkt ohne Ende. Den Beauftragten hatte Moderatorin Irina gekürt, die uns durch den Abend – von einem Spiel zum nächsten – führte. Wir tanzten wie Ägypter und Kroaten, um ans Buffet zu kommen, vier Verkleidete klauten der Braut ihren Schuh, wir mussten Brautstrauß und Strumpfband fangen. Vor lauter Action und Applaus und "Gorko" kam ich kaum dazu, etwas von dem wirklich leckeren Essen zu probieren, weil ständig etwas Neues passierte.
Ein, zwei emotionale Momente gab es auch. Etwa, als das Brautpaar ihren Eltern jeweils eine Kerze überreichten und ihnen für die schöne Kindheit dankten. Irina hat mir später am Abend verraten, dass eigentlich noch viel mehr Programmpunkte geplant waren, aber sie gemerkt hat, dass die Gäste lieber tanzen wollten. Dort hat der Kulturschock so richtig zugeschlagen. Oder, vielleicht nicht so negativ, die Kulturüberraschung. Alle Onkel, Tanten, Menschen jeden Alters, sie standen auf der Tanzfläche und gaben alles und noch mehr. Ich wurde von Männern über die Tanzfläche geschmettert und von Frauen an die Hand genommen. Bis um ein Uhr die Musik plötzlich aus und die Party vorbei war. Danach zu Burger King gehen, das war mir allerdings wieder bekannt.













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