"Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muss man vor allem ein Schaf sein." Das hat schon der blitzgescheite Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein gewusst. Für Wolfgang Herzer stellte sich am Freitagabend in den Räumen des Kunstvereins die bis dato unbeantwortete Frage, ob der Mensch wohl netter wäre, wenn er ein Schaf wäre. Vor allem was den Umgang mit der Natur und untereinander anbelange.
Es ließe sich auch über Berthold Brechts Haifisch-Sentenz paraphrasieren, wo es darum gehe, dass die Großen die Kleinen unter dem Deckmantel der Sorge ausbeuteten, um sie letztendlich zu vernichten. Jürgen Zeller ist Jahrgang 1970 und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Schafen. Seit Freitag hängen seine großformatigen Bilder im Kunstverein. Das Motto der Ausstellung lautet: "Wenn die Schafe Menschen wären".
Bollwerk auf Beinen
Zeller ist ein erfolgreicher Architekt aus dem fränkischen Raum, der weiland auf dem Damm einer Ostseeinsel eine grasende Schafherde entdeckte und darin das immaterielle Urbild der Baukunst, nämlich die Herde als lebendes Sinnbild der Geborgenheit bietenden Gemeinschaft, erkannte. Er sah in der Herde ein Bau- und Bollwerk auf Beinen und auf den Säulen des rechten Maßes und der Solidarität.
Schon bald sattelte Zeller auf die Bildende Kunst um und malt seither Schafe beiderlei Geschlechts. Das waren fortan seine Heldinnen und Helden, die er jeweils in der Reihung von Familiengalerien im Brustportrait darstellte. Auf diese Weise verinnerlichen seine Tiere in wechselhaften Perspektiven und in senkrechter Haltung den aufrechten Gang von Zweibeinern. Herzer sprach von "Abbildern genügsamer Sanftmut".
Studium in Weimar
Orientierungshilfe habe dem Künstler, der seinen Architekten-Job nach 25 Jahren an den Nagel hing, sein Studium an der Bauhausuniversität in Weimar gegeben. Schon allzu oft habe das Vorspielen falscher Ideale den Herdentrieb der Menschen aktiviert, was später dann Millionen das Leben gekostet habe. Herzer erinnerte die Gäste der Vernissage bei diesem Beispiel an das Bild vom Würgeengel und dem sanften Lamm. Das französische Weihnachten im Schützengraben während des Ersten Weltkriegs lasse grüßen.
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