Von Rechtsanwalt Dr. Burkhard Schulze
Scheidungswillige Eheleute wohnen häufig gemeinsam in einem Haus oder einer Wohnung, die ihnen gemeinsam gehört. Wollen sie das gesetzlich vorgeschriebene Trennungsjahr nicht in dieser Immobilie verbringen, zieht regelmäßig der eine aus, der andere bleibt.
Ein Scheidungsverfahren kann sich über Monate und Jahre hinziehen, bis das Trennungsjahr abgelaufen ist und die Scheidungsfolgesachen, wie Unterhalt, Zugewinn und Versorgungsausgleich durch das Gericht entschieden sind. Währenddessen genießt ein Ehegatte das Wohnen in der früheren Ehewohnung, viel Kapital ist gebunden und Zins- und Tilgungsleistungen müssen weiter erbracht werden. Je länger dies dauert, umso dringender wird die Frage, ob ein Ehegatte die Immobilie übernimmt und den anderen auszahlt oder ob sie freihändig verkauft wird.
Gibt es hier keine Einigung, kann es zur Teilungsversteigerung auf Antrag eines Ehegatten kommen. Ob dies während des laufenden Scheidungsverfahrens überhaupt möglich ist, war bis vor kurzem höchst umstritten.
Einige Obergerichte hielten es für unvereinbar mit dem Wesen der Ehe vor Rechtskraft der Scheidung einen solchen Antrag zuzulassen. Der Bundesgerichtshof hat nun in einer grundlegenden Entscheidung diesen jahrzehntelangen Streit beendet (BGH Beschluss vom 16.11.2022 XII ZB 100/22):
Danach gebietet der Schutz des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe und der grundsätzlich bis zur Rechtskraft der Scheidung fortbestehende Charakter der ehelichen Immobilie als Ehewohnung es nicht, eine Teilungsversteigerung der Ehegattenimmobilie in der Trennungszeit ohne eine Abwägung der beiderseitigen Interessen generell als unzulässig anzusehen.
Die zu berücksichtigenden schutzwürdigen Belange des teilungsunwilligen Ehegatten würden aber gewahrt, wenn zum Beispiel die Immobilie der einzige Besitz der Ehegatten ist, dann muss dessen Zustimmung vorliegen oder durch das Gericht ersetzt worden sein.
Ganz allgemein können Treu und Glauben entgegenstehen, kann eine vorzeitige Versteigerung gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstoßen und schließlich enthält auch das Zwangsversteigerungsgesetz Schutzvorschriften und letztlich kann Räumungsschutz trotz Versteigerung stattfinden.
Zugunsten des teilungsunwilligen Ehegatten sind insbesondere das Wohl der Kinder zu berücksichtigen, die Dauer der Trennung, die vermögensrechtlichen Folgen für beide Seiten, aber auch die Interessen des anderen Ehegatten, dessen finanzielle Situation, Belastung durch Zins- und Tilgungsleistung sowie Wunsch nach Gründung einer neuen Existenz. Der verbleibende Ehegatte ist in jedem Fall auf eine Drittwiderspruchsklage vor Gericht angewiesen, um gegen den Antrag auf Teilungsversteigerung vorzugehen.
Gute anwaltliche Vertretung ist nicht nur zu empfehlen, sondern zwingend vorgeschrieben, um die jeweiligen Argumente zur Überzeugung des Gerichts vorzubringen.
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