"Mein Vortrag über Trump ist im Grunde nach ein Vortrag über Deutschland", meint der Regensburger Politologen. Auf Einladung des Freundeskreises Tutzing und der Volkshochschule Weiden-Neustadt sprach der Wissenschaftler über das Thema "Donald Trump, zwei Jahre Präsident der USA - Folgen für sein Land und die Welt". Mit wissenschaftlicher Präzision analysierte Bierling die Ursachen für einen Wahlerfolg, den vorher kaum jemand für möglich gehalten hatte. "Trump profitierte von der polarisierten US-Gesellschaft." Die Polarisierung habe ihre wichtigste Ursache in der modernen Medienwelt. Sie mache es möglich, nur noch solche Nachrichten wahrzunehmen, die die eigene Meinung bestätigen.
Wählerstamm gehalten
Die gemeinsame Informationsbasis einer Massendemokratie sei nicht mehr vorhanden, stellte Bierling fest. Unter diesen Rahmenbedingungen profitierte Trump von drei Gruppen. Zunächst von den "Trumpisten", also denjenigen, die sich in der modernen Gesellschaft abgehängt fühlen und glauben, Amerika gehe zugrunde. Weiterhin den "sozial Konservativen und Abtreibungsgegnern" sowie den "Wirtschaftsliberalen". Alle innenpolitischen Entscheidungen der ersten zwei Regierungsjahre von Trump zielten darauf ab, diese "Koalition" zusammenzuhalten, so Bierling.
Steuersenkungen, konservative Richter auf Lebenszeit und "Empörung als Dauerzustand" gehören zum Programm. Oberstes Gebot für Trump sei nicht, zusätzliche Wähler zu gewinnen, sondern seinen Wählerstamm zu halten. Umfragen (konstant 45 Prozent) bestätigen diese innenpolitische Strategie.
In der Außenpolitik beharre Trump ("Ego-Trip eines alternden Narzisten") anders als seine Vorgänger auf dem Motto: "Bei allen bisherigen Strategien hat die USA verloren." Demnach seien IWF, UNO, Nato, Weltbank und andere internationalen Organisationen Bestandteile einer liberalen Weltordnung und hätten die USA geschwächt. "Trump will das alte System abwickeln", sagt Bierling. Das Hauptmotiv: "Selbstglorifizierung". Europa werde als Gegner betrachtet, der Zerfall der EU deswegen befürwortet.
Vorwürfe an Deutschland
Allerdings stellt Bierling auch fest: "Die Vormachtstellung der USA wäre auch ohne Trump in Gefahr gekommen." Für Europa hält der Wissenschaftler die Folgen für dramatisch. Artikel 5 des Beistandspaktes der Nato sei von Trump infrage gestellt worden. Das Vertrauen werde nicht mehr so schnell zurückkommen. Was 70 Jahre selbstverständlich war, gilt nicht mehr. "Trump setzt das Messer an den freien Welthandel", stellt Bierling fest. TTIP sei die letzte Chance gewesen, selbst Regeln zu setzen. Bald werde China - jährlich sieben Prozent Wachstum - dies tun.
Auch Deutschland, das von der liberalen Weltordnung stark profitiert habe, werde von Trump als Gegner gesehen. Die Vorwürfe an Deutschland (Handelsüberschuss, keine zwei Prozent Militärhaushalt, Migrationspolitik, Ostseepipeline) hält Bierling "nicht alle für substanzlos". Doch Deutschland sei nach wie vor militärisch und wirtschaftlich an die USA gebunden. Wichtigste Konsequenz für Deutschland müsse sein, die Gesellschaft "lebendig" zu halten. Bierling schließt nicht aus, dass eine Entwicklung wie in den USA auch in Deutschland droht.













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