Bei einem tragischen Verkehrsunfall Anfang März kam ein 75-Jähriger ums Leben. Ein unvorstellbarer Schock für die Familie. Doch damit nicht genug: Gut drei Wochen später klingelt bei der Witwe das Telefon. Zufällig ist zu dem Zeitpunkt auch ihre Tochter bei ihr, die das Gespräch für die Mutter annimmt. Am anderen Ende meldet sich ein Mann, der sich als Polizist ausgibt. Und er hat eine Hiobsbotschaft: Erneut sei es zu einem tödlichen Unfall gekommen.
Gegenüber Oberpfalz-Medien schildert die Tochter, die mit ihrer Familie anonym bleiben möchte, den Verlauf des Telefonats. Der vermeintliche Beamte spricht die Landkreisbürgerin ziemlich am Anfang des Gesprächs gleich mit ihrem Vornamen an, obwohl sie sich gar nicht mit ihrem Namen gemeldet hatte. Ihr Bruder sei in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt worden, bei dem er notoperiert hätte werden müssen. Eine Frau sei bei dem Crash ums Leben gekommen. Die Ehefrau des Bruders sei in Polizeigewahrsam genommen worden, fährt der Anrufer fort. Im weiteren Verlauf des etwa zehnminütigen Gesprächs ist dann sogar die weinende Schwägerin am Telefon. So scheint es zumindest. "Hilf mir, hilf mir", schluchzt sie in den Hörer. Da hat es bei der Angerufenen "erstmals 'Klick' gemacht", wie sie erzählt. Sie ist aber so unter Schock, dass sie erst nicht sicher ist, ob sie nicht wirklich ihre Schwägerin an der Strippe hat.
5000 Euro gefordert
Dann übernimmt wieder der angebliche Polizist. Der "Schwägerin" drohten fünf Jahre Haft, gegen eine Kaution von 5000 Euro könne sie aber aus dem Gewahrsam freikommen, fordert er. "Da hat es das zweite Mal 'Klick' gemacht", sagt die Frau im Gespräch mit Oberpfalz-Medien. Daraufhin fragt sie, ob ihre "Schwägerin" bei der Polizei in Weiden ist. Nach der positiven Antwort will sie in die Inspektion fahren, um die vermeintliche Ehefrau ihres Bruders sehen zu können. Das gehe nicht, erwidert der falsche Beamte und reicht das Telefonat an seine "Vorgesetzte" weiter. Die wird ruppig und lehnt es weiterhin ab, dass die Landkreisbewohnerin ihre "Schwägerin" sehen kann, obwohl sie darauf besteht. "Mit Ihnen diskutiere ich nicht", raunt die vermutliche Polizistin ins Telefon. "Und ich mit Ihnen auch nicht", antwortet die Angerufene und beendet damit das Gespräch.
Namen aus der Todesanzeige?
"Gottseidank habe ich das Telefonat angenommen", sagt die Tochter. Sie will sich gar nicht ausmalen, was hätte passieren können, wenn ihre Mutter das Gespräch geführt hätte. Sie erzählt ihr aber von dem Fake-Anruf, die Mutter ist natürlich ebenfalls schockiert. Dann ruft sie ihre echte Schwägerin an, die "ganz normal war am Telefon". Ihr Mann kontaktiert daraufhin die Polizeiinspektion Weiden und erstattet Anzeige, die Kripo übernimmt schließlich den Fall. Die Frau ist überzeugt, "dass die Täter die Namen aus der Todesanzeige" erfahren haben.
Die Polizei sieht jedoch keine Anhaltspunkte, dass die mutmaßlichen Täter nur auf diese Art an die Informationen gelangt sind. "Der Weg über die Todesanzeige ist absolut atypisch", sagt Polizeioberkommissar Claus Feldmeier, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz. Vermutlich ist es einfach Zufall, dass die Abzocker in diesem Fall so kurz nach dem tödlichen Unfall des 75-Jährigen bei der Witwe angerufen haben. Solche Betrüger betreiben ihr Handwerk absolut professionell, mit zig Schockanrufen am Tag ist das fast schon wie in einem Callcenter. Auf der Suche nach Nummern halten die Täter im Telefonbuch Ausschau nach "älter klingenden Vornamen", weiß Feldmeier. Auch kurze Telefonnummern können ein Hinweis auf ältere, langjährige Nutzer sein. Und während des Gesprächs suchen die Anrufer im Internet nach weiteren Informationen über ihre Opfer.
Einfach auflegen
"Der wichtigste und prägnanteste Tipp: Legen Sie einfach auf. Die richtige Polizei würde Sie nie mit solchen Geldforderungen am Telefon überrumpeln", betont Feldmeier. "Wichtig ist generell, Angehörige, Nachbarn und andere Personen über diese Form von Betrug zu informieren beziehungsweise sensibilisieren. Die Polizei Oberpfalz setzt beispielsweise mit der Kampagne '#NMMO (Nicht mit meiner Oma, nicht mit meinem Opa)' darauf, dass Großeltern von ihren Enkelinnen und Enkeln auf das Thema Callcenter-Betrug aufmerksam gemacht und Taten so verhindert werden."
2022 gab es oberpfalzweit 2236 solcher Fälle, das Jahr zuvor waren es 1255, informiert Feldmeier. Über die Dunkelziffer sind keine Angaben möglich. In der Angelegenheit der Landkreisbürgerin laufen die Untersuchungen. Die Polizei versucht, die Telefonnummer oder IP-Adresse der mutmaßlichen Täter herauszufinden. Die Wahrscheinlichkeit, den Betrügern auf die Schliche zu kommen, ist aber eher gering, bedauert der Präsidiumssprecher. Denn meistens führt "der Weg ins Nicht-EU-Ausland", was die Ermittlungen oder weitere Maßnahmen bis hin zur Festnahme "massiv erschwert".
Das rät die Polizei bei Schockanrufen
- Die Polizei ruft Sie niemals unter der Polizeinotrufnummer 110 an. Das machen nur Betrüger. Wenn Sie unsicher sind, wählen Sie die Nummer 110. Aber nutzen Sie dafür nicht die Rückruftaste.
- Legen Sie am besten auf, wenn Sie nicht sicher sind, wer anruft und Sie sich unter Druck gesetzt fühlen.
- Rufen Sie den Angehörigen unter der Ihnen bekannten Nummer an.
- Sprechen Sie am Telefon nie über Ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse.
- Übergeben Sie niemals Geld an unbekannte Personen.
- Ziehen Sie eine Vertrauensperson hinzu oder verständigen Sie über den Notruf 110 die Polizei.
- Die Behandlung eines Unfallopfers ist nie von einer vorherigen Zahlung eines Geldbetrags abhängig.
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