Von RA Dr. Lutz Rittmann
Gelegentlich geschieht es und beschäftigt dann auch die Gerichte, dass sich das Verhältnis zwischen Bauherrn und Architekten während der Durchführung des Bauvorhabens verschlechtert und die Höhe des Architektenhonorars streitig wird. Es ist nach wie vor nicht selten, dass eine schriftliche Honorarvereinbarung nicht getroffen wird und die Vertragsparteien mündlich ein Pauschalhonorar vereinbaren.
Nehmen wir an, die Vertragsparteien hätten ein Architektenhonorar von 50 000 Euro mündlich vereinbart. Die unzufriedene Bauherrschaft will nur noch die Hälfte bezahlen. Der Architekt, nun selbst verärgert, geht zum Gegenangriff über und fordert das Mindesthonorar (heute Basishonorar), das nach der HOAI beansprucht werden kann und das in unserem Fall 75 000 Euro betragen soll.
Seit vielen Jahren war es in der Rechtsprechung – von wenigen Ausnahmen abgesehen – anerkannt, dass die Honorarforderung in Höhe des Mindestsatzes berechtigt ist. Gestützt war dies auf die Regelung in § 7 Abs. 3 HOAI, wonach die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze nur in „Ausnahmefällen“ (die es kaum gab) unterschritten werden können, dies auch nur durch „schriftliche Vereinbarung“. Irritationen gab es dann durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 04.07.2019. Der EuGH stellte fest, dass die Bundesrepublik Deutschland durch die Beibehaltung verbindlicher Honorare für die Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren gegen die Dienstleistungsrichtlinie verstoßen habe.
Das Urteil wurde von Architekten aus anderen europäischen Ländern begrüßt. Sie sahen den Wettbewerb und ihre Chancen, größere Aufträge in Deutschland zu akquirieren, gestärkt, weil es ihnen nun gestattet war, die Mindestsätze der HOAI zu unterbieten. Der Gesetz- und Verordnungsgeber reagierte 2021 mit einer Änderung der HOAI. Es blieb dabei, dass trotz kritischer Anmerkungen des EuGH die HOAI weiterhin nicht berufs- sondern leistungsbezogen ist. So lautet ihr ausführlicher Titel nicht wie in der üblichen Abkürzung „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure“ sondern „Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen“.
Man muss also weiterhin kein Architekt sein, um Planungsleistungen nach der HOAI abrechnen zu können. Nun ermöglicht die HOAI ausdrücklich, Vereinbarungen über ein Honorar zu treffen, das unter dem Basishonorarsatz liegt. Allerdings gilt dieser nach wie vor als vereinbart, wenn keine Vereinbarung über die Höhe des Honorars „in Textform“ getroffen wurde. Immerhin sind nun aber Honorarvereinbarungen unter dem Basishonorarsatz möglich.
Was gilt aber nun für die Fälle, in denen die Architektenverträge vor 2021 abgeschlossen wurden und die derzeit die Gerichte beschäftigen? Hier herrschte mehr als zwei Jahre in der Praxis große Unsicherheit. Ein Teil der Oberlandesgerichte hielt das vom EuGH als unionsrechtswidrig erkannte HOAI-Preisrecht für nicht mehr anwendbar und wies „Aufstockungsklagen“ auf erhöhtes Architektenhonorars ab. Die Unsicherheit ist nun durch ein weiteres EuGH-Urteil vom 18.01.2022 und drei BGH-Urteilen vom 02.06.2022 beendet. Hiernach steht fest, dass die damalige Regelung in der HOAI grundsätzlich wirksam war. Solange keine grenzüberschreitenden Merkmale vorliegen, also keine Vertragspartei außerhalb der Bundesrepublik ansässig ist oder die in Rede stehenden Leistungen außerhalb dieses Gebiets erbracht werden, ist das Mindestsatzrecht der HOAI weiterhin anzuwenden. Architekten können weiterhin mit Erfolg das Mindesthonorar nach der HOAI gerichtlich auch dann durchsetzen, wenn mündlich eine abweichende Honorarvereinbarung getroffen worden ist.
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