Die Corona-Pandemie bewirkte eine Verschiebung der Matinee „Autoren verbrannter Bücher“ vom Jahrestag am 10. Mai auf den jetzigen Nachholtermin. Die Anregung zu dieser Lesung mit Musik kam von Landtagsabgeordnetem Stephan Oetzinger, der mit Bibliotheksleiterin Sabine Guhl und der Volkshochschule Weiden-Neustadt eingeladen hatte. Für die Literatur wurde der bekannte Schriftsteller Bernhard Setzwein aus Waldmünchen engagiert. Musikalisch begleitet wurde er vom Regensburger Jazzsaxophonisten Bertl Wenzl.
Oetzinger betonte, es sei 75 Jahre nach Ende der NS-Diktatur und des Zweiten Weltkriegs wichtig, an die Auswirkungen nationalsozialistischen Terrors und des totalitären Regimes zu erinnern, sich bewusst zu machen, wie kurz der Weg von einem demokratischen Staat in die Diktatur sei, und hinzuweisen, dass man den Anfängen wehren müsse.
VHS-Geschäftsführer Stefan Frischholz wies im Zusammenhang mit der Kooperationsveranstaltung auf die ab Oktober geplante und von Susanne Kempf geleitete Schreibwerkstatt „Wer schreibt, der bleibt“ hin, die Bezug zu Schriftstellern nimmt, die trotz Verfolgung in der NS-Zeit in Deutschland geblieben sind.
Eine „punktgenaue Auswahl besinnlicher und geradezu erschreckend aktueller Texte“ bescheinigte Sabine Guhl dem Autoren Bernhard Setzwein. Mit seiner ruhigen, samtenen und ausdrucksstarken Stimme sowie seinen informativen Vorerklärungen zog er die Zuhörer in seinen Bann. Mit eigenen Arrangements und Improvisationen überbrückte Musiker Bertl Wenzl die einzelnen Werkausschnitte und Gedichte oder stimmte während der Lesung auf den Inhalt bezogen ein, mal melancholisch, mal bärbeißig, dann wieder aufrüttelnd oder meditativ.
Setzwein startete mit Kurt Tucholsky, einem erklärten politischen Gegner des Regimes, und dessen Satire „Ratschläge an einen schlechten Redner“. Auch Erich Kästner erhob von Anfang an seine Stimme. Im Gedicht „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“ beschreibt er ein Deutschland, das sich nicht mehr nach Kunst und Schönheit sehnt, sondern sich für Waffen, Krieg und Militär begeistert. Weil er zunächst nicht auf der Liste verbotenen Autoren stand, verfasste Oskar Maria Graf in der internationalen Presse den Aufruf „Verbrennt mich!“, was Bertold Brecht zu seinem Gedicht „Die Bücherverbrennung“ veranlasste.
Von der in Galizien geborenen Mascha Kaléko rezitierte Setzwein ironische Gedichte mit politischer Schärfe und sozialer Kritik wie „Die Leistung der Frau in der Kultur“, „Großstadtliebe“ oder „Memento“. Ihr Landsmann Joseph Roth sah die Entwicklung der 1930er Jahre voraus, wie ein Auszug aus seinem Roman „Im Spinnennetz“ zeigte. Solche Prognosen stellte auch der jüdische Lion Feuchtwanger in seinem Zeitroman „Erfolg“. Zum Abschluss stellte Setzwein noch das Gedicht „Europa“ über einen uneinigen Kontinent und das Essay „Blick in ferne Zukunft“ vor, bei dem der angesichts der politischen Entwicklung verzweifelte Tucholsky von einer Zeit träumt, in der die Menschen zur Vernunft gekommen sind.
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