Zu viele Kandidaten für Wahlvorstand: Erste Betriebsratswahl bei Brunner Bäcker vorerst geplatzt

Weiden in der Oberpfalz
13.03.2022 - 13:09 Uhr
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Betriebsversammlung, Bestimmung eines Wahlvorstands und in zehn bis zwölf Wochen Wahl des ersten Betriebsrats überhaupt beim Weidener Unternehmen Brunner Bäcker: Das war der Plan. Doch es kommt anders.

Erstmals in der 64-jährigen Geschichte sollte beim Brunner Bäcker ein Betriebsrat gebildet werden. Doch dies scheiterte schon im Anfangsstadium.

Sechs Mitarbeiter hatten, unterstützt von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), eingeladen: Etwa ein Drittel der rund 750 Beschäftigten der Bäckerei Brunner traf sich jüngst auf dem dortigen Parkplatz zu einer Betriebsversammlung. Das Ziel: Bildung eines Wahlvorstands, der erstmals in der 64-jährigen Geschichte des Unternehmens eine Betriebsratswahl einleitet und veranstaltet.

Doch das scheiterte: Keiner der Kandidaten bekam bei der dreistündigen Veranstaltung, die wegen der Corona-Regeln unter freiem Himmel stattfand, in geheimer Wahl mehr als die Hälfte der Stimmen, wie es erforderlich ist. Die Folge: kein Wahlvorstand, keine Betriebsratswahl bei Brunner Bäcker.

Ausschlaggebend dafür war etwas eigentlich Positives: "Die hohe Bereitschaft der Mitarbeiter, sich zur Wahl zu stellen", informiert NGG-Oberpfalz-Geschäftsführer Rainer Reißfelder. Vorab habe es drei Kandidaten gegeben, doch vor Ort hätten sich "noch mehr Kollegen zur Verfügung gestellt für den Wahlvorstand". Insgesamt seien es schließlich 13 Frauen und Männer gewesen – übrigens genau so viele, wie ein Betriebsrat eines Unternehmens dieser Größe Mitglieder hat.

Wegen der zusätzlichen Kandidaten sei aber nicht nur eine Abstimmung "en bloc" ausgeschieden, erläutert der Geschäftsführer der NGG Oberpfalz: Da sich das Votum auf so viele Mitarbeiter verteilt habe, "haben die besten Drei nicht mehr die erforderlichen 50 Prozent der Stimmen erreicht". Somit gebe es keinen ordnungsgemäß gewählten Wahlvorstand, weshalb auch keine "Betriebsratswahl aus dieser Versammlung heraus" möglich sei, macht Reißfelder deutlich.

Kompliziertes Wahlprozedere

Aber: "Es ist noch nichts verloren", hebt Gewerkschaftssekretär Dirk Stockfisch hervor. "Der Weg wird halt länger." Man werde mit den Mitgliedern beraten, "ob wir über das Arbeitsgericht einen Betriebsrat einsetzen lassen", kündigen beide an.

Den Fehlschlag am 6. März, einem Sonntag, führen die NGG-Funktionäre zum einen auf das komplizierte Wahlprozedere zurück. Und dann "ist es schwer, alle Mitarbeiter komplett zu informieren", erklärt Reißfelder mit Blick auf die über 85 Filialen, die der Brunner Bäcker in Ostbayern hat.

"Das ist natürlich ärgerlich, weil es sich nun in die Länge zieht", stellt einer der Beschäftigten aus dem Kreis der Kandidaten für den Wahlvorstand zum Wahlergebnis fest. Von einem Fehlschlag oder Misserfolg will er jedoch nicht sprechen, eher von einem Missverständnis: "Es war zu viel Auswahl da." Es sei sicher nicht beabsichtigt gewesen, dass man sich "gegenseitig Stimmen wegnimmt". Auch er habe "wirklich nicht damit gerechnet, dass sich so viele aufstellen lassen".

Das ist aber nur einer der Gründe, weshalb sein Fazit erfreulich ausfällt. Der zweite: "Wir waren positiv überrascht, dass 200 bis 250 Mitarbeiter gekommen sind. Das ist ein Drittel des Betriebs." In Anbetracht der teilweise weiten Wege aufgrund des großen Einzugskreises, das bis nach Regensburg reicht, sei das ebenfalls ein gutes Zeichen.

Und: Viele Verkäuferinnen müssten derzeit wegen Personalmangels infolge von Corona sechs Tage pro Woche arbeiten, und "haben nun auch den siebten Tag geopfert und mit uns verbracht". Daran sei zu sehen, dass Interesse bestehe. "Ich bin absolut motiviert, dass das der richtige Weg ist."

Betriebsrat als Alleinstellungsmerkmal

Mit der Bildung eines Betriebsrats "wollen wir einen großen Schritt nach vorne tun", sagt der Mitarbeiter. Im Bäckerhandwerk sei ein solcher "immer noch eine Rarität". Mit Blick auf den Mitarbeiterschwund hätte Brunner Bäcker im Vergleich zu anderen Großbäckereien in der Region dann ein Alleinstellungmerkmal.

Denn: "Wir wollen die Besten sein nicht nur in Sachen Qualität, sondern auch der beste Betrieb fürs Personal", macht der Beschäftigte deutlich. "Facharbeiter sind in unserer Branche und in der heutigen Zeit Gold wert, weil Du keinen mehr findest."

Es sei lobenswert, dass Unternehmenschef Gerhard Brunner diesen Weg "so unterstützt und so dafür ist", erklärt der Mitarbeiter. Auch in der Betriebsversammlung habe Brunner deutlich gemacht, dass er die Gründung eines Betriebsrats positiv sehe: "Wenn wir einen haben wollen, legt er uns keine Steine in den Weg", gibt der Beschäftigte Worte des Chefs wieder.

"Sie haben meine volle Unterstützung", bekräftigt Gerhard Brunner. Wenn ein Betriebsrat der Wunsch der Mitarbeiter sei, "mache ich da natürlich mit". Schließlich habe sein Unternehmen "eine gewisse Größe". Und ein derartiges Gremium nehme ihm auch Arbeit ab, führt er mit Blick auf "gewisse unangenehme Entscheidungen" an: "Die trifft man dann nicht mehr alleine, sondern hat ein Team hinter sich stehen."

"Es gibt kein Gegeneinander, sondern nur ein Miteinander", betont Brunner außerdem. Nur gemeinsam könne man "auch solche Krisen bewältigen", sagt er mit Blick auf die Corona-Pandemie und den Ukraine-Krieg sowie Preis-Explosionen und Personalmangel in der Branche.

Auch er blickt deshalb erfreut auf die Betriebsversammlung: "Ich war positiv überrascht, dass das Interesse so groß ist." Dies zeige, dass die Mitarbeiter motiviert seien und "der Zusammenhalt in der Firma da ist": "Das ist das Wichtigste in diesen Zeiten."

Personalrat mit sieben Mitgliedern

Brunner bestätigt, dass seit Herbst vergangenen Jahres eine Mitarbeitervertretung in seinem Unternehmen existiert: Dem Personalrat gehörten sieben Beschäftigte an, die – "wie ein Betriebsrat" – von der Belegschaft gewählt worden seien. Bei der Besetzung sei auf eine Gewichtung geachtet worden, damit alle vertreten seien: Frauen und Männer, Verkauf, Verwaltung und Backstube.

Über ein solches Gremium sei "schon lange diskutiert worden", merkt der Firmenchef an; die Initiative dazu sei von den Mitarbeitern ausgegangen, die auch die Organisation übernommen hätten. Die Arbeit des Personalrats sei die gleiche wie die eines Betriebsrats, sagt Brunner: "Das geht auch nach dem Betriebsverfassungsgesetz." Es gebe regelmäßige Sitzungen, in denen auch Entscheidungen getroffen würden. "Ich spreche mit ihnen die Dinge schon ab."

Als ein "Feigenblatt der Mitbestimmung" bezeichnet dagegen NGG-Geschäftsführer Reißfelder die Mitarbeitervertretung: "Sie existiert erst, seit im Betrieb bekannt wurde, dass Betriebsratswahlen vorbereitet werden." Und sie sei "von Arbeitgeberseite her ins Leben gerufen" worden, widerspricht Dirk Stockfisch dem Firmenchef. Das Gremium sei "gut und schön. Aber so richtig bewegen kann es auch nichts, weil es keine gesetzliche Grundlage hat."

"Keine gesetzlichen Rechte"

Denn die Mitarbeitervertretung sei "nicht auf Basis des Betriebsverfassungsrechts zustande gekommen", erläutert Reißfelder: Sie dürfe "zwar mitreden", könne aber "im Konfliktfall nichts durchsetzen", da sie "keine gesetzlichen Informations- und Beteiligungsrechte" habe. Bei einer Mitarbeitervertretung könne der Arbeitgeber "nach Gutdünken" verfahren, bei einem Betriebsrat komme er "nicht drum herum, ihn an den Prozessen zu beteiligen".

"Was wir wollen, ist ein ordnungsgemäßer Betriebsrat", gibt der NGG-Geschäftsführer deshalb das Ziel vor. "Den braucht ein Unternehmen mit 800 Beschäftigten auch."

Erst einmal ist aber der zweite Versuch, in dem Unternehmen erstmals einen Betriebsrat zu wählen, erfolglos geblieben. Anfang der 2000er Jahre habe es bereits wohl einmal entsprechende Bestrebungen gegeben, weiß Reißfelder von seinem Vorgänger: "Damals wurde Stimmung im Betrieb dagegen gemacht."

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Weiden in der Oberpfalz11.02.2022
Hintergrund:

Brunner Bäcker

  • Gegründet am 1. Mai 1958: Übernahme der Brot- und Feinbäckerei von Johann Baptist Schätzler am Pressather Wald durch Bäckermeister Erich Brunner
  • 1972 Neubau und Umzug in die Georg-Stöckel-Straße
  • 1978 Eröffnung des ersten Fachgeschäfts im E-Center in Weiden
  • Aktuell über 750 Beschäftigte und 86 Filialen von Oberkotzau bis Bad Abbach, von Neuhaus bei Pegnitz bis Waidhaus
 
 

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