Weiden in der Oberpfalz
15.12.2023 - 11:27 Uhr
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Vollmachtserteilung statt Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge

Entgegen früherer Rechtslage steht verheirateten Eltern nach Trennung und Scheidung gegenüber minderjährigen Kindern das gemeinsame Sorgerecht zu.

Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn Bild: Rechtsanwaltskanzlei Schnupfhagn
Dr. Hans-Wolfgang Schnupfhagn

Von RA Dr. jur. Hans-Wolfgang Schnupfhagn

Die elterliche Sorge umfasst dabei die Sorge für die Person und das Vermögen des Kindes. Das Gesetz trägt damit dem Umstand Rechnung, dass es dem Wohl des Kindes entspricht, wenn es auch nach einer Trennung und Scheidung von beiden Eltern versorgt wird. Sind die Eltern bei Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu, wenn sie eine entsprechende Sorgeerklärung abgeben, sich miteinander verheiraten oder das Familiengericht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam überträgt.

Einen breiten Raum in der familiengerichtlichen Praxis nehmen mittlerweile die Fälle ein, bei denen ein Elternteil, abweichend von der gesetzlichen Regelung, die alleinige elterliche Sorge für sich beantragt. Abgesehen von relativ klaren Fällen (sexueller Missbrauch, erhebliche Suchtproblematik) geht es in vielen Fällen darum, dass derjenige Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, darüber klagt, dass zwischen den Eltern ein Kommunikationskonflikt besteht, eine gemeinsame Entscheidungsfindung in kindbezogenen Belangen kaum möglich ist und es deshalb permanent zu Schwierigkeiten bei der Vertretung des Kindes kommt. Dies gilt insbesondere bei streitigen Ehesachen, in denen das Sorgerecht häufig von strategischer Bedeutung ist. Zwar hat der betreuende Elternteil in Angelegenheiten des täglichen Lebens die Befugnis zur alleinigen Entscheidung. Allerdings zeigt sich in der Praxis, etwa in Pass- und Ausweisangelegenheiten oder bei Eröffnung von Schülerkonten, dass Passämter oder Geldinstitute die Unterschrift auch des anderen Elternteils fordern.

Zieht dann der nichterziehende Elternteil nicht mit, ist dies dann in der Praxis häufig Anlass für den erziehenden Elternteilt, die umfassende Übertragung des Sorgerechts auf sich zu fordern. Umstritten ist allerdings die Frage, unter welchen Voraussetzungen wegen des bestehenden Kommunikationskonflikts der Eltern die Übertragung des alleinigen Sorgerechts erfolgen darf, insbesondere im Hinblick darauf, dass mit der Aufhebung der gemeinsamen Sorge und Übertragung der Alleinsorge auf den antragstellenden Elternteil zwangsläufig ein Eingriff in das durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützte Elternrecht des anderen Elternteils verbunden ist. Einig ist man sich, dass ein solcher Eingriff nur dann in Betracht kommt, wenn dem Kindeswohl nicht durch mildere Mittel als die Sorgerechtsübertragung entsprochen werden kann. In diesem Zusammenhang stellt sich insbesondere die Frage, ob eine Sorgerechtsübertragung durch die Erteilung einer Vollmacht entbehrlich werden kann.

Teilweise wird die Frage allgemein verneint, weil eine Vollmacht jederzeit widerrufen werden kann. Teilweise wird die Vollmachtserteilung nur dann als ausreichend betrachtet, wenn eine Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern besteht oder wenn die Vollmacht auf der Grundlage einer Individualvereinbarung erteilt wurde und ein Mindestmaß einer tragfähigen Beziehung zwischen den Eltern besteht. Andere verlangen das Bestehen einer sozialen Beziehung des Kindes zum bevollmächtigenden Elternteil.

Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung jetzt die Auffassung vertreten, dass eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich ist, wenn und soweit dem bevollmächtigtem Elternteil eine ausreichend verlässliche Handhabe zur Wahrnehmung der Kindesbelange ermöglicht. Dies setzt danach aber eine ausreichende Kooperationsfähigkeit- und bereitschaft der Eltern voraus. Nach der Vorstellung des Bundesgerichtshofs sollen dem vollmachtgebendem Elternteil Mindestkontrollbefugnisse- und pflichten verbleiben. Betont wird allerdings, dass auch bei Vorliegend dieser Vollmacht der Fortbestand der gemeinsamen elterliche Sorge eine Kooperationsfähigkeit- und bereitschaft der Eltern erfordert, soweit diese zur wirksamen Ausübung der Vollmacht im Interesse des Kindeswohls erforderlich ist. Denn andernfalls, so der Bundesgerichtshof, wäre die Vollmachtserteilung nicht geeignet, eine Sorgerechtsübertragung entbehrlich zu machen.

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