Die Weidener Motorradszene ist in Aufruhr. Grund ist der Vorschlag von Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer, Autofahrern den Zugang zu Leichtkrafträdern mit bis zu 15 PS deutlich zu erleichtern. Geht es nach dem CSU-Minister, sollen Besitzer der Führerscheinklasse B künftig die kleinen Motorräder ohne zusätzliche Prüfung fahren dürfen, wenn sie mindestens 25 Jahre alt sind und seit fünf Jahren ihren Autoschein haben. Lediglich sechs praktische Übungsfahrten und eine Theorieeinheit sollen zur Vorbereitung genügen.
Internationaler Polizeimotorradclub: "Keinen Sinn"
"Dieser Vorschlag kann nur von einem Nicht-Motorradfahrer kommen", sagt dazu Georg Arnold. Der Präsident des internationalen Polizeimotorradclubs "Blue Knights" Weiden sieht "überhaupt keinen Sinn darin". Warum? "Das geht voll auf Kosten der Verkehrssicherheit." Arnold war vor seiner Pensionierung selbst über viele Jahre bei der Verkehrspolizeiinspektion Weiden und fuhr dort Motorradstreife. Der 67-Jährige sitzt seit seiner Jugend auf Zweirädern und kennt die spezifischen Gefahren aus eigener Erfahrung. "Die Unfälle werden steigen, und auch das Erscheinungsbild von Motorradfahrern wird dadurch noch schlechter, als es schon ist. Als Biker mit Helm und schwarzer Lederkombi wird man automatisch in ein Klischee reingepresst. Die Leute halten einen oft schon allein wegen des Aussehens für einen aggressiven Raser. Unser Ruf leidet weiter, wenn die Regelung wirklich kommt. Denn dann sind Unfälle vorprogrammiert", zeigt sich Arnold besorgt.
Fahrlehrer sagen: "Wahnsinnig gefährlich"
Auch Fahrlehrer Matthias Ponader aus Weiden ist aufgebracht. "Wenn das umgesetzt wird, dann kann man mit dem B-Schein ja auch gleich Flugzeug fliegen. Ein Motorrad ist etwas ganz anderes als ein Auto. Ich halte das für wahnsinnig gefährlich", sagt er über Scheuers Vorschlag. Die Ausbildung für Zweiräder ist dem Weidener zufolge sehr umfangreich. "Es gibt 12 Sonderfahrten plus normale Fahrstunden, insgesamt also rund 25 Stunden. Dazu gehören Ausweichübungen, starkes Bremsen, Nacht- und Slalomfahrten. All das soll jetzt in sechs Übungsstunden gemacht werden. Das könnten wir nie unterbringen."
Aber sind die Fahrlehrer womöglich deshalb kategorisch gegen die Änderungen im Verkehrsrecht, weil ihnen durch weniger Motorradschüler Geschäft entginge? "Nein, absolut nicht", entgegnet Ponader entschieden. "Die Fahrschulen sind überlastet und leiden unter Lehrermangel. Von daher wäre es für uns gar nicht so schlecht, wenn etwas weniger kämen. Aber nicht auf Kosten der Sicherheit." Ponader geht weiter und würde sogar interessierte Autofahrer abweisen, die in seiner Fahrschule die vorgeschriebenen sechs Übungsstunden absolvieren wollen: "Selbst wenn es Gesetz wird und so jemand das Recht dazu hätte – ich bin selbst leidenschaftlicher Biker. Aber das zu schulen könnte ich einfach nicht verantworten."
Berufskollege Edwin Funk sieht dies genauso. Auch der Inhaber der Fahrschule Deisinger würde Autofahrer nicht annehmen, wenn sie nur kurz umschulen wollten: "Ich würde mich weigern, solche Leute anzunehmen, denn ich züchte Motorradfahrer und keine Organspender. Fahrer mit lächerlichen sechs Stündchen auszubilden, das kann ich mit meinem Berufsethos nicht vereinbaren", begründet er seine Ablehnung. Um ein Leichtkraftrad mit 125 Kubikzentimeter sicher fahren zu können, "da braucht man eine fundierte Ausbildung und kein Wischi-Waschi. Ich will nicht verantwortlich sein, wenn so jemand tot im Graben liegt."
Die Argumente der Befürworter, so könnte mehr und günstigere Mobilität auf dem Land geschaffen werden, teilt Funk nicht. "Mit der B-Klasse kann man ja schon 50-Kubik-Roller fahren. Damit ist man bereits mobil."
Automobil- und Motorradclub: Vorschlag Testphase
Es gibt jedoch nicht nur Kritik, sondern auch Ideen, wie es besser laufen könnte. So findet der Vorsitzende des Automobil- und Motorradclub Weiden (AMC), Karlheinz Ach: "Ich würde nichts überstürzen und erst mal eine Testphase machen wie damals beim Führerschein mit 17. Dann kennt man die Zahlen und kann in Ruhe auswerten." Der AMC-Boss ist zugleich Betreiber des ADAC-Straßendienstes und weiß deshalb, dass die Unfallzahlen steigen: "Wir schleppen regelmäßig auch verunfallte Motorräder ab und ich kann sagen: In den letzten Jahren müssen wir immer mehr abschleppen, die Zahlen sind im Grenzbereich."
Hinzu kommt nach Achs Einschätzung die Rivalität zwischen Zwei- und Vierrädern. "Die Biker fahren meistens sehr bedächtig. Oft sind die Autofahrer schuld, wenn es kracht. Zudem nimmt die Verkehrsdichte immer mehr zu." Der 60-Jährige fährt privat eine BMW 1000 RS und sagt mit über 40-jähriger Motorrad-Erfahrung: "Eine Saison muss man auf jeden Fall fahren, damit man sattelfest ist. Niemand wird sofort Profi, man braucht immer praktische Erfahrung im realen Verkehr."
Auch wenn Ach die angedachten sechs Übungsstunden für zu wenig hält, so lehnt er den Vorstoß Scheuers nicht gänzlich ab. Weil die Politik den Umstieg auf E-Autos forciert, diese aber für die meisten viel zu teuer sind, sieht der AMC-Vorsitzende "in Motorrädern eine günstige Überbrückungsmöglichkeit, bis E-Autos massentauglich sind". Seine Überlegung: Wenn Autofahrer mit ihrem B-Schein zukünftig zumindest teilweise auf Leichtkrafträder umsteigen, wären sie günstiger mobil und zugleich umweltschonender unterwegs als in einem Pkw.
Polizei hält sich bedeckt
Die Polizei selbst bittet um Verständnis, dass sie sich zur Thematik nicht äußern kann. Erster Polizeihauptkommissar Werner Ochantel sagt dazu: "Es handelt sich um einen laufenden Geschäftsprozess. Nach Rücksprache mit dem Präsidium dürfen wir als untere Dienststelle dazu nichts sagen. Ansonsten würden wir als Polizei politisch werden, und das geht nicht." Dass der Leiter der Verkehrspolizeiinspektion Weiden jedoch sehr daran interessiert ist, einen weiteren Anstieg der Unfallzahlen zu verhindern, zeigt schon der "Boxxenstopp" von Ende Mai. Bei dem jährlichen Verkehrssicherheitstag der Weidener Polizei standen 2019 besonders die Motorradfahrer im Fokus. Die Beamten empfahlen den Bikern eine regelmäßige Überprüfung und Auffrischung des Fahrkönnens.
Wird folglich die Intention des "Boxxenstopps", die Sicherheit von Motorradfahrern zu erhöhen, durch die Überlegung konterkariert, Autofahrer mit nur sechs Übungsstunden auf ein 15-PS-Zweirad zu lassen? Ochantel darf hierzu zwar nichts sagen, der Ex-Verkehrspolizist Georg Arnold von den "Blue Knights" Weiden hingegen ist ehrlich: "Natürlich, das widerspricht sich."
Ich züchte Motorradfahrer und keine Organspender
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.