Weidener Kinobesitzer als Helfer bei Europameisterschaft in München

Weiden in der Oberpfalz
09.07.2021 - 13:55 Uhr
OnetzPlus

Ganz großes Kino für die Familie Nadler: Die „Neue-Welt“-Geschäftsführer aus Weiden waren als Volunteers bei allen Spielen der Fußball-Europameisterschaft in der Münchener Arena dabei.

Alexander Nadler, Tochter Lisa und Frau Evelyn haben sich auch schon für die EM 2024 als Volunteers in München registrieren lassen.

Faszinierende Einblicke hinter die Kulissen erhaschten Evelyn, Alexander und Lisa Nadler bei den vier Spielen der Europameisterschaft in der Münchener Arena. Als "Volunteers", freiwillige Helfer, waren sie hautnah dabei und konnten erfahren, wie viel Organisation und Manpower es braucht, um so ein Event zu stemmen.

Die drei bewarben sich schon im Frühjahr 2019 für die EM, die ursprünglich im Juli 2020 stattfinden sollte. Nach einem einfachen Anschreiben mussten sich die Bewerber mit einem Lebenslauf näher vorstellen. Es folgte ein Interview in München, bei dem auch Fragen auf Englisch beantwortet werden mussten. Mutter, Vater und Tochter wurden angenommen. Die Einsatzbereiche der Volunteers unterteilen sich in die Bereiche Akkreditierung, Zeremonien, Transport, Medien, Ticketing, Spieldurchführung und Zuschauerservice. Die drei Weidener Kandidaten sollten als "Mobility Makers" die Fußballfans an der U-Bahn-Station begrüßen.

Keine Fotos, keine Selfies

"Dann kam Corona, und alles wurde erst mal auf Eis gelegt", erinnert sich Alexander Nadler. Erst im Herbst wurden sie angeschrieben, ob sie noch Interesse an der Aufgabe hätten. "Von den ursprünglich 1000 Volunteers wurden nur mehr 800 gebraucht. Die Aufgaben wurden neu verteilt." Alexander war nun als Fahrer eingeteilt. "Ich musste UEFA-Angestellte, Schiedsrichter, Dopingkontrolleure und Medienvertreter zum Flughafen, Stadion oder ins Hotel fahren." Es galt die strikte Anweisung: "Keine Fotos, keine Selfies und kein Trinkgeld." Der Regularien-Katalog der UEFA sei enorm streng gewesen. Das Hygienekonzept schrieb zum Beispiel vor, dass in einem Neun-Sitzer nur vier Leute auf vorgeschriebenen Plätzen chauffiert werden durften.

Die beiden Frauen wurden gefragt, ob sie in die Kategorie "Ceremony" wechseln würden. "Da sind wir ganz vorne auf dem Rasen. Ja, das machen wir", beschreibt die 26-jährige Lisa ihre Freude. Anfang Mai fand der „Kick-off“ zusammen mit den ersten Schulungen in einer großen Online-Veranstaltung mit TV-Studio in der Arena München statt. Die Volunteers konnten sich zuschalten, insgesamt waren über 250 Zuschauer drei Stunden lang dauerhaft mit dabei. Im Studio in der Arena waren unter anderem die EM-Botschafter Philipp Lahm, Celia Šašić und Sportreferent Florian Kraus zu Gast.

Katastrophale Generalprobe

Evelyn erinnert sich an die beiden Trainingstage vom 12. und 13. Juni auf den Trainingsgelände des FC Bayern München. "Lisa und ich mussten bei der Zeremonie eines der beiden großen Nationaltrikots auf dem Rasen aufziehen." Jede Art von Schmuck oder sogar Haarnadeln waren streng verboten: "Man hätte ja auf dem heiligen Rasen zum Beispiel einen Ring verlieren können und Manuel Neuer wäre draufgehüpft", meint Lisa. Die 26-Jährige rutschte während der Generalprobe aus und fiel hin. "Wir dachten am Ende des zweiten Trainingstags, dass das niemals klappen wird", erzählen die beiden Frauen.

"Vor dem ersten Spiel Deutschland gegen Frankreich hatte ich den Schiss meines Lebens", gibt Lisa offen zu. "Wir standen ja schon eine Viertelstunde vorher im Spielertunnel. Wenn dann die Musik losgeht und die Karawane zieht los, gibt es kein Zurück mehr." Durch die enorm lauten Fans war der EM-Song auf dem Rasen unten kaum mehr zu hören. "Der Schlüsselmoment war, als wir die T-Shirts der zwei Mannschaften auf dem Spielfeld aufgezogen. Da erwachte das Stadion. Das war ein echter Wow-Moment", erinnert sich Evelyn.

Nach ihrem Zeremonien-Einsatz liefen die beiden Frauen die Zuschauerränge auf und ab, um mit Schildern die Fans auf Maske und Abstand hinzuweisen. Die UEFA habe großen Wert auf die Vorbildfunktion der Volunteers gelegt. "Wir trugen immer eine Maske, manchmal sogar zwei übereinander", meint Evelyn. Alexader Nadler: "Wir mussten uns auch immer testen lassen und bestätigen, dass wir komplett symptomfrei sind. Beim kleinsten Husten war man weg. Aber das war ein ganz großer Ehrenkodex. Jeder war darauf bedacht, dass Corona keine Rolle spielen darf."

Liebe Portugiesen, aggressive Ungarn

Die Eigenheiten der verschiedenen Fangruppen hat die Familie sehr beeindruckt - leider nicht nur im positiven Sinn. "Die Portugiesen waren sehr entspannt, richtig nett und lieb", weiß Alexander Nadler, der die Spiele "über Umwege" im Stadion verfolgen konnte. "Die Ungarn dagegen kamen schon mal alle in Schwarz, waren aggressiv und auf Krawall gebürstet. Das war organisiert, das konnte man klar erkennen." Das Regenbogenthema sei den ungarischen Hooligans gerade recht gekommen. Bei den deutschen Fans handelte es sich überwiegend um Familien. "Da waren kaum Hardcore-Fans dabei." Dementsprechend sei die Atmosphäre dort eher fröhlich, aber nicht richtig mitreißend gewesen. "Nach dem Sieg gegen Portugal dachten wir, dass der Knoten jetzt geplatzt ist. Obwohl so wenig Leute im Stadion waren, war die Stimmung gigantisch. Aber es wollte bei den Deutschen bei dieser EM einfach keine Begeisterung aufkommen. Da sind die Italiener ganz anders", meint der 59-Jährige.

"Ohne Corona wäre alles besser gewesen", ist sich Alexander Nadler sicher. "Vieles von dem Zauber ist dadurch zerstört worden." Einen Tag nach dem letzten Spiel in München gab es für alle Volunteers eine Abschlussveranstaltung. Neben einer Reisetasche und kleineren Geschenken bekamen die Helfer jeweils ein Paar Turnschuhe. "Bei einer Stadionführung durften wir in die Kabinen und nochmal auf den heiligen Rasen", erzählt Evelyn. Der Zauber, den die Weidener Kino-Besitzer hinter den Kulissen einer Europameisterschaft erleben durften, reichte jedoch offenbar für eine Entscheidung aus: "Wir haben uns schon wieder als Volunteers für die EM 2024 registrieren lassen."

Deutschland & Welt03.07.2021
Familie Nadler in Volunteers-Montur im Münchener Stadion.
Gruppenbild der Familie Nadler im Stadion in München.
Die Anzüge der UEFA für die Volunteers fanden Lisa (links) und Evelyn Nadler (rechts) nicht sehr chic. Trotzdem trugen sie sie bei ihren Einsätzen mit Stolz.
Hintergrund:

München als Gastgeberstadt der UEFA EURO 2020

  • München ist als eine von elf Host-Citys der UEFA EURO 2020 Austragungsort für vier EM-Spiele. Bis zu 14.500 Zuschauer durften in der Münchner Fußball-Arena dabei sein.
  • Deutschland – Frankreich 0:1 am 15. Juni 2021.
  • Portugal – Deutschland 2:4 am 19. Juni 2021.
  • Deutschland – Ungarn 2:2 am 23. Juni 2021.
  • Viertelfinale Belgien – Italien 1:2 am 2. Juli 2021.
  • Die Fußball-Europameisterschaft ist gleich zweimal hintereinander in der bayerischen Landeshauptstadt zu Gast. München ist auch einer der zehn EM-Spielorte bei der Fußball-EM 2024 in Deutschland.
 
 

Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Zum Fortsetzen bitte

Um diesen Artikel zu lesen benötigen sein ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.