Weiden in der Oberpfalz
21.02.2020 - 17:39 Uhr

Weniger Armut bedeutet weniger Kriminalität

Gemeinden stehen in der nächsten Wahlperiode vor großen Herausforderungen. Welche Weichen gestellt werden müssten, beleuchteten am Donnerstag im Rothenstädter Lehnersaal die Verdi-Senioren.

Es läuft viel falsch in diesem Land, machten Manfred Haberzeth (links) und Herbert Schmid deutlich. Bild: Kunz
Es läuft viel falsch in diesem Land, machten Manfred Haberzeth (links) und Herbert Schmid deutlich.

Die Verdi-Senioren diskutieren über die Kommunalwahl. Vorsitzender Manfred Haberzeth betonte die wesentlichen Punkte, wie etwa Umsetzung der jüngster Klimabeschlüsse, Mobilität in der Fläche, Ausgestaltung der stationären Gesundheitsversorgung, Internet und Wohnraumentwicklung.

Es sei zwar bekannt, dass die Tarifbindung abnehme. Besonders sichtbar sei dies in der nördlichen Oberpfalz. Er habe aber kein Verständnis dafür, dass der Tarifvertrag im Klinikum aufgeweicht werden sollte, sagte Haberzeth. Die Tarifbindung für alle 3000 Beschäftigten müsse erhalten bleiben.

Kein Lohndumping zulassen

Haberzeth forderte die Kommunen auf, bei der Auftragsvergabe darauf zu achten, dass Lohndumping kein Wettbewerbsvorteil sei. Ein Viertel der Beschäftigten in der Oberpfalz verdiene nicht mehr als 10 000 Euro jährlich. "Da wundert es nicht, dass der Abbau von Hartz IV nicht vorangeht und Ansprüche auf Grundsicherung nicht abnehmen."

Zur Ausweisung von Baugebieten in der Fläche sagte er, dass das nicht zur gewünschten Zunahme der Einwohnerzahlen führen werde. Verdi wolle den Blick verstärkt auf die Sanierung des Wohnungsbestandes lenken. "Die Grundsteuerreform bereitet uns Sorge." Gemeinden hätten es selbst in der Hand, ob die Belastungen stiegen. In den Innenbereichen der Städte gebe es zu viel ungenutztes Bauland.

Leben in der "Filterblase"

Der Geschäftsführer von "Arbeit und Leben in Bayern", Herbert Schmid, betonte die sichere Gestaltung der Lebenswelt in Stadt und Land mit Blick auf die Gewerkschaften. Ihn beschleiche das Gefühl, Menschen lebten nur noch in der Filterblase ihrer digitalen Netzwerke und würden dabei drei wesentliche Dinge vergessen: Dass alles seinen Preis habe, dass es in der Natur Lebenszyklen gebe und, dass Anstand und Respekt Basisanforderungen seien.

Schmid warf die Frage auf, warum heute klassische Volksparteien nicht mehr in der Lage seien, Meinungsbildung zu bündeln. Gründe seien die Auflösung der Milieus (christliche Werte, Arbeiter), aber auch der Strukturwandel, der sowohl Fabriken, wie Dienstleister betroffen habe, die Auffächerung der Lebensstile sowie die Angst vor Fremden und vor der Arbeit 4.0.

Die etablierten Volksparteien hätten Fehler gemacht. "Als DGB sehen wir die Tarifflucht der Betriebe, die Steuererleichterungen für Superreiche und die klaffende Schere zwischen Arm und Reich."

Wer Rentner quält

Nicht grundlos rufe der VdK im März unter dem Schlachtruf "Wer Rentner quält, wird nicht gewählt" zur Demonstration in München auf. Neun Euro Mindestlohn sei blanker Hohn. Man habe vergessen, dass sozialer Friede Voraussetzung für inneren Frieden sei. Man sollte auf Kriminologen hören: "Armutsvermeidende und sozial gerechte Politik kann Kriminalität verringern." In Deutschland stimme seit 1990 das Gleichgewicht der Interessen nicht mehr. "Gesellschaftliche Verhältnisse drohen aus dem Ruder zu laufen."

Nach Schmids Einschätzung kämen die Auswirkungen der "großen Politik" in Berlin und München, jetzt zeitverzögert in den Kommunen an: Nach den Kommunalwahlen müssten wohl Rechenmodelle für Mehrheiten gebastelt werden. Allein in Weiden stellten sich neun Listen und fünf Oberbürgermeisterkandidaten zu Wahl. "Unsere Aufgabe wird es im März sein, arbeitsfähige Kommunalparlamente zu wählen."

Die Gewerkschaften forderten die Rekommunalisierung privatisierter öffentlicher Aufgaben. Wasser, Bildung und Wohnen dürften nicht dem freien Markt überlassen werden. Deutschland brauche einen handlungsfähigen Staat, der seine Aufgaben erfülle und in die Zukunft investiere. "Wir sind gegen die Ideologie des schlanken Staates und der Schwarzen Null."

 
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