Wiesau
08.07.2018 - 10:59 Uhr

Heimatgeschichte hochmodern

An Festvorträgen kommt auch der Nordgautag nicht vorbei. Moderiert wird der tiefgreifende Exkurs in Geschichte und Kultur am Samstagvormittag vom Vertreter des Oberpfälzer Kulturbunds, Martin Dallmeier aus Regensburg.

Alfred Wolfsteiner hat sich intensiv mit der Fuchsmühler Holzschlacht befasst. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er Dr. Heim, der aus der Holzschlacht nicht wegzudenken ist. WRO
Alfred Wolfsteiner hat sich intensiv mit der Fuchsmühler Holzschlacht befasst. In den Mittelpunkt seiner Ausführungen stellte er Dr. Heim, der aus der Holzschlacht nicht wegzudenken ist.

Das "Kulturfest der Oberpfälzer" war ein geeigneter Anlass, zusammen mit Adalbert Busl und Alfred Wolfsteiner markante Teile der Heimatgeschichte, mit Ludwig Schießl zudem auch die regionalen Spracheigenschaften in den Fokus zu rücken. Unter den Gästen saßen auch der Vorsitzende des Oberpfälzer Kulturbunds Volker Liedke, der Herausgeber des Nordgautag-Heimatbuches 2018, Manfred Knedlik, und viele andere Interessierte.

Schicksale im Grenzlager

Für den Auftakt im Rathaus sorgte Adalbert Busl. Zweifellos gehört das damalige Grenzlager, das während der Nachkriegszeit ein umzäuntes Dorf im Dorf war, unverrückbar zur Wiesauer Ortsgeschichte. Ausführlich und erschütternd rief der Nordgaupreisträger und ehemalige Grundschulrektor die Geschehnisse, die das Wiesauer Bild durchaus mit verändert haben, rund eine Stunde lang wach. Busl, der viele Dokumente dazu zusammengetragen hat, schilderte das Lagerleben der hierher Vertriebenen und deren Schicksale.

"Man war gezwungen, das Beste aus dem Unveränderbaren zu machen", sagte der Wiesauer. "Glücklich, dem Terror entkommen zu sein, verdrängte man den Verlust der Heimat", erinnerte er an das Ungemach der zwangsweise Ausgesiedelten, die in den Baracken eine vorübergehende Heimat fanden. Die Enge wurde zur Gewohnheit. Die täglich eintreffenden Güterzüge stellten den Ort auf eine harte Probe, schilderte Busl. Er erinnerte daran, dass die Vertriebenen, die man zuvor noch "Flüchtlinge" nannte, einen spürbaren Anteil am Aufschwung Wiesaus hatten und das kulturelle Bild mit prägten. Arbeitsplätze entstanden, Wohnungen wurden gebaut, Wiesau wuchs.

"Bauerndoktor"

Gespannt warteten die Gäste danach auf "Dr. Georg Heim und die Fuchsmühler Holzschlacht". Mit Alfred Wolfsteiner am Pult wechselten Thema und Zeitraum. "Wir gehen zurück in eine Zeit, die anders war als die gute alte, wie sie oft beschrieben wird", leitete der Regensburger Schatzmeister des Oberpfälzer Kulturbundes und Archivdirektor a. D., Martin Dallmeier, auf den Gast aus Schwandorf über, der darüber ein Buch verfasst und 1993 als "Chronologie eines Skandals" herausgegeben hatte. Die angekündigte Holzschlacht ließ Wolfsteiner - Heimatpfleger und ehemaliger Leiter der Schwandorfer Stadtbibliothek - aber nur am Rande anklingen. Ausführlicher wandte er sich dafür dem Namen Georg Heim zu, dem im Nachklang zu den Fuchsmühler Ereignissen eine herausragende Rolle zukommen sollte. Engagiert befasste sich Heim mit den Geschehnissen in der "Schrammlohe". Er unterstützte die Fuchsmühler Bauern beim späteren Prozess. Auf Heims Initiative hin entstanden Genossenschaften.

"Zudem strebte er auch eine politische Karriere an", hob Wolfsteiner hervor. Der "Bauerndoktor" genannte Vorausdenker, der in Würzburg seinen Lebensabend verbrachte, verstarb vor 80 Jahren nach einer Blinddarmoperation. Heim bleibe mit der Bayerischen Volkspartei, auch mit Fuchsmühl, vor allem aber mit der Holzschlacht 1894 untrennbar verbunden, machte Alfred Wolfsteiner im vollbesetzten Rathaussaal deutlich. "Georg Heim soll nicht vergessen sein."

Der Heimatkultur "Mundart" widmete sich der letzte Redner. "Ist Dialekt noch zeitgemäß?", fragte Ludwig Schießl. Humorvoll beschrieb der Oberviechtacher Mundartexperte eine Welt, wie man sie mit den Ohren erlebt. "Dialekt ist zeitgemäß", stellte er klar. Der Leiter des Mundartforums seiner Stadt lobte die heimatlichen Dialekteigenschaften als ein Sprungbrett für Fremdsprachen.

"Es dout ma aant"

"Die regionale Ausdrucksweise passt auch ins digitale Zeitalter. Mundart vermittelt Geborgenheit", merkte er an. Sie sei aber auch dem Wandel ausgesetzt, manches früher Gehörte sei nicht mehr in Gebrauch, erinnerte er an den Ausdruck "es dout ma aant", den er mit "Sehnsucht" übersetzte. "Der Dialekt gehört nicht in die Liste gefährdeter Sprachen", stellte Schießl fest. "Er darf nicht mit Stumpf und Stiel ausgerissen werden, denn Heimat ist modern", schloss der Sprecher unter Applaus.

Adalbert Busl (am Rednerpult) erinnerte an das Grenzlager in Wiesau. Vor geraumer Zeit bereits hatte der Grundschulrektor a. D. Bild- und Textdokumente zusammengetragen. WRO
Adalbert Busl (am Rednerpult) erinnerte an das Grenzlager in Wiesau. Vor geraumer Zeit bereits hatte der Grundschulrektor a. D. Bild- und Textdokumente zusammengetragen.
Die Festvorträge zur Geschichte und Kultur im Rathaussaal waren gut besucht. Unter den interessierten Gästen (vorne von rechts) auch der Vorsitzende des Oberpfälzer Kulturbundes Volker Liedtke und der Herausgeber der Nordgautag-Festschrift Manfred Knedlik. WRO
Die Festvorträge zur Geschichte und Kultur im Rathaussaal waren gut besucht. Unter den interessierten Gästen (vorne von rechts) auch der Vorsitzende des Oberpfälzer Kulturbundes Volker Liedtke und der Herausgeber der Nordgautag-Festschrift Manfred Knedlik.
„Täglich kamen die Züge an. Die Menschen wurden vom Roten Kreuz versorgt“, erinnerte Adalbert Busl (Wiesau) an das Wiesauer Hüttendorf nach dem Weltkrieg. Bild: wro WRO
„Täglich kamen die Züge an. Die Menschen wurden vom Roten Kreuz versorgt“, erinnerte Adalbert Busl (Wiesau) an das Wiesauer Hüttendorf nach dem Weltkrieg. Bild: wro
Mit je einem Buchgeschenk bedankte sich Bürgermeister Toni Dutz (3. von rechts) bei den Referenten. Im Bild von rechts: Adalbert Busl, Dr. Ludwig Schießl, Toni Dutz, Alfred Wolfsteiner, Volker Liedtke und der Leiter der Vortragsreihe, Dr. Martin Dallmeier. WRO
Mit je einem Buchgeschenk bedankte sich Bürgermeister Toni Dutz (3. von rechts) bei den Referenten. Im Bild von rechts: Adalbert Busl, Dr. Ludwig Schießl, Toni Dutz, Alfred Wolfsteiner, Volker Liedtke und der Leiter der Vortragsreihe, Dr. Martin Dallmeier.
Dr. Ludwig Schießl aus Oberviechtach appellierte an die Eltern, Schulen und Kindergärten: „Die Mundart muss weiter gepflegt werden.“ Heimat sei modern. Bild: wro WRO
Dr. Ludwig Schießl aus Oberviechtach appellierte an die Eltern, Schulen und Kindergärten: „Die Mundart muss weiter gepflegt werden.“ Heimat sei modern. Bild: wro
Passend zum Festvortrag von Adalbert Busl durfte auch das Modell des Grenzlagers im Rathaus bestaunt werden. WRO
Passend zum Festvortrag von Adalbert Busl durfte auch das Modell des Grenzlagers im Rathaus bestaunt werden.
 
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