(ubb) Am Bahnsteig wehen übrig gebliebene Programm-Flyer durch die Luft. Der Regen hat die Fuß-Abtritte auf der staubigen Granittreppe wieder weggespült. Es waren viele von vielen Besuchern. Bürgermeister Toni Dutz ist mit der Resonanz auf die künstlerische Seite des Nordgautags sehr zufrieden. "Begegnungen", so hieß das Symposium im Bahnhof, enthielt für ihn am Rande des Nordgautags eine wichtige Botschaft. Dutz möchte den brachliegenden Bahnhof wiedererwecken.
Das Symposium sollte erste Schritte einläuten. Sieben Künstler haben dort eine Woche gearbeitet, gelebt, diskutiert und Ideen in Material umgesetzt. Da gab es reichlich zum Staunen. Wie kommen die Figuren "Mann und Frau" in den groben Stein? Und warum stehen hier Rollstühle herum? So lauteten die Fragen an die Künstler. Susanne Neumann - Waldsassener Künstlerin mit Wirkungsorten Österreich, Italien und Berlin - hat einen Kunst-Kiosk im ehemaligen Fahrkartenschalter aufgebaut. "Hier hat's sehr schöne Begegnungen gegeben."
Ein großer Vorhang
Das Kennenlernen sei in Susannes Kiosk leichter gefallen, sagt Axel T. Schmid. Der Neustädter Installationskünstler hat prägende Akzente gesetzt. Schade nur, Schmidts Werk ist temporär. Es wird wieder abgebaut, überdauert die Kunstwoche nicht. Oder doch in Gedanken? Ein großer Vorhang teilt das Bahnhofsgelände vom Gebäude. "Der Vorhang soll Rätsel aufgeben", wünschte sich der Erschaffer und meint damit das nicht leicht "begehbare" Leben, sondern dessen Hürden. Millionen Flüchtlinge seien durch Bahnhöfe gegangen. Jetzt geschehe dies im Mittelmeer wieder.
Ein "Nach"-Denkmal soll dieser Vorhang sein, könnte man sich denken. "Ich habe mich hier wohlgefühlt", sagt Axel T. Schmidt noch, dessen Kunstwerk den italienisch klingenden Namen "Pratolo" trägt. Auch Clemens Söllners Intarsienarbeit ist großartig. Er hat einen Karpfen aus vielen Holzteilchen geschaffen. Söllner arbeitet in Nürnberg, möchte aber bald wieder zurückkommen nach Tirschenreuth. Hinter dem Vorhang auf dem Freigelände weitere Künste: Bildhauer Vaclav Fiala aus Klatovy hat eine Stele aus der Stele "herausgekitzelt". Tilo Ettls Skulptur ist beeindruckend. Er hat aus Stein einen Mann und eine Frau gehauen. "Sie warten aufeinander", erklärt er. "Wie im wirklichen Leben", lacht Toni Dutz. Aber wie hat Ettl das geschafft in nur einer Woche? "Das geht. Man hat ja Vorstellungen vorher."
Öffentlich provozieren
Nur wenige Meter weiter will Tone Schmid aus Weiden öffentlich provozieren mit seinen Installationen. Er ist Kulturpreisträger dieses Jahres. "Wigg" Bäuml, Vorsitzender des Berufsverbandes Bildender Künstler Oberpfalz, freut sich. "Da ist Zeit geworden für Tone", sagt er. Barrierefreiheit für den Wiesauer Bahnhof und für menschliche Köpfe hat sich Tone Schmid in seinen Kopf gesetzt. Der Rollstuhl an Luftballons soll die, die das nicht allein schaffen, über die Gleise gleiten lassen. Eine Karikatur, sarkastisch-böse gemeint. "Für die sportlichen Rollstuhlfahrer habe ich eine Sprungschanze gebaut", sagt Tone Schmid zum Unvermögen der Bahn, Wiesaus Bahnhof barrierefrei zu machen. "Wichtig ist, dass die Leute selbst nachdenken", ist das Anliegen des Preisträgers "Das Symposium war hier ein Türöffner", ist Bäuml glücklich über diese Punktlandung. Dem Verbandsvorsitzenden gefällt der Bahnhof narrisch gut. Noch besser gefällt ihm, dass der Bürgermeister was für Kunst übrig hat: Die Arbeiten von Vaclav Fiala und Tilo Ettl bleiben, Dutz hat sie gekauft. Gemälde von Susanne Neumann und Carsten Dick kommen ins Rathaus: Damit werden die "Begegnungen" zum bleibenden Symbol für menschliche Bemühungen um den Erhalt der Dinge. Info-Kasten
Museen, Bücherei mit Leseraum und eine Erlebnis-Brauerei
Die Marktgemeinde Wiesau hat das alte Bahnhofsgebäude von der Bahn erworben. Geht es nach Wunsch der Gemeinde, sollen 2019 die Bauarbeiten beginnen, wobei die Außenansicht erhalten bleibt. Der Markt Wiesau hat dafür einen Förderantrag in Höhe von 2,5 Millionen Euro abgeschickt. Geplant sind zwei Museen, die Bücherei wird mit einem Leseraum einziehen und es ist ein Fahrradverleih im Gespräch. Für weitere Belebung sorgt die ortsansässige Zahnärztin, die im ersten Stock einziehen möchte. "Park and ride" ist der nächste Schritt für die großflächigen Parkplätze auf beiden Seiten neben dem Gebäude. Auch eine kleine Erlebnis-Brauerei ist angedacht. "Und ich mache das barrierefrei. Das Gebäude bekommt einen Aufzug nach hinten raus", betont Toni Dutz. Hintenraus zu den Bahngleisen deshalb, sagt Dutz hoffnungsvoll, weil sich die Deutsche Bahn vielleicht doch eines Tages zu einem Übergang entschließe.
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