Mit „Kanonen statt Glocken“ beschönigte man, weshalb der Turm der Kirche im Zweiten Weltkrieg plötzlich leer geräumt geworden war. Zuvor befand sich dort eine Kirchenglocke, die 1907 in Straubing gegossen und mit rund 26 Zentnern wohl die schwerste war. Auf ihr waren Josef mit dem Jesuskind und das Kreuz Christi abgebildet. Ebenfalls 1907 stiftete Pfarrer Jakob Ferstl eine weitere „Turmbewohnerin“, auf der das Bild Jakobus des Älteren zu sehen war. Sie wog 13 Zentner. Im Ersten Weltkrieg wurde sie eingeschmolzen. Die dritte Vertreterin, die mit ihren acht Zentnern im Glockenstuhl befestigt war, versah man mit dem Bild Michaels mit dem Flammenschwert. Maria mit dem Zepter zierte schließlich die gut sechs Zentner schwere vierte Glocke. Die kleine Totenglocke wog lediglich 25 Kilogramm.
Dass im Ersten Weltkrieg – 1914 bis 1918 – nur eine abgegeben werden musste, um eingeschmolzen zu werden, verdankten die anderen einem Gutachten, das man 1917 seitens der Pfarrei erstellen ließ. Darin wurde von einem besonderen und unersetzlichen Klangwert gesprochen. Bei einem Neuguss sei dies nicht mehr zu erreichen, behauptete der hinzugezogene Sachverständige. Offensichtlich ging man der Sache nicht weiter nach. Die Angelegenheit war damit ad acta gelegt. Für immer verschwunden aber blieb die Sankt-Jakobus-Glocke.
Der Zweite Weltkrieg aber sollte das Aus für alle klingenden Glocken bedeuten. Vom 8. April 1940 bis zum Jahresbeginn 1949 mussten die Wiesauer unfreiwillig auf den gewohnten Klang verzichten, weil aus den Glocken Waffen gefertigt wurden. In der Pfarrei wurde danach gespendet und fleißig gespart. Unversehrt zurückgekehrt war längst die kleine Totenglocke. Schließlich reichte das Geld, um bei der Gescher Glockengießerei Petit & Gebrüder Edelbrock wenigstens drei der großen Glocken bestellen zu können.
Deren Weihetermin wurde, nachdem sie endlich eingetroffen waren, auf Sonntag, 13. Februar 1949, festgesetzt. Man hatte sie auf Wagen verladen und festlich geschmückt. Über 3000 Gläubige hatten sich zum Weihefest eingefunden. Die neu angeschafften Schmuckstücke wurden im festlichen Zug durch die Gemeindestraßen geleitet. Herrliches Wetter habe den Festzug begleitet, schrieb Pfarrer Franz Perlinger in sein Protokoll. Musikalisch umrahmt wurde der Anlass von der Musikkapelle, vom Gesangverein und vom Kirchenchor der katholischen St.-Michaels-Pfarrgemeinde. Pfarrer Franz Perlinger sprach von „Freude und Dankbarkeit“. In seiner Predigt würdigte er zudem die Aufgaben der nach Wiesau zurückgekehrten Kirchenglocken. „Die drei Glocken haben die Töne Es, F, As und erfreuen durch ihren schönen vollen Klang Herz und Ohr.“ Als Konzelebranten standen dem Geistlichen Kaplan Michael Dengler und Benefiziat Joseph Schreiber sowohl bei der Weihe, als auch am Altar zur Seite. Bei den Bauarbeiten erneuerte man auch den Glockenstuhl. Das Holz wurde durch eine stählerne Konstruktion abgelöst.
Die Glocken
Rund 28 Zentner wiegt die größte Glocke, die mit dem Bild des Kirchenpatrons St. Michael und der Inschrift „Sancte Michael Archangele. Defende nos in proelio! 1946" versehen wurde. Die acht Zentner leichtere Glocke ziert Maria mit dem Jesuskind. Deren Inschrift lautet: „Maria mit dem Kinde lieb, uns allen deinen Segen gib! 1946“. „Sankt Joseph Du! Mit mächt’ger Hand schütze dein Volk und schirme dein Land! 1946“, kann man auf der dritten, zehn Zentner schweren Glocke lesen. Lange aber war das Geläut nicht stimmig, weil noch eine fehlte. Viele Jahre gingen ins Land, bis eine unbekannte Stifterin die Kosten für die heutige St.-Anna-Glocke übernahm, die seit 1987 wieder für einen harmonischen Klang in Wiesau sorgt. (wro)
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