Anfang Dezember vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die Scherdel-Gruppe mit Hauptsitz in Marktredwitz Wiesauplast übernimmt. Seit 1. Januar formiert das Unternehmen unter dem neuen Dach, am Mittwoch stellten die Verantwortlichen ihre Pläne für die Zukunft vor. Als „Allianz der Technologien“ und „Leuchtturmprojekt für die Heimat“ beschrieben die Führungskräfte diese Entwicklung. Das neue Logo fügt beide Unternehmensnamen zusammen: Scherdel-Wiesauplast. Bald wird der Name auch außen an den Gebäuden in Wiesau zu lesen sein.
Bei einem Treffen der Firmenspitzen mit Vertretern der Marktgemeinde Wiesau und Landrat Roland Grillmeier wurden die Pläne für die Zukunft präsentiert und die Gründe erläutert, warum die Scherdel-Gruppe Wiesauplast übernommen hat. Den Anfang machte geschäftsführender Gesellschafter Marcus Bach. Der studierte Diplom-Ingenieur ist Urenkel von Siegmund Scherdel. Seit dem Tod seines Vaters führt Bach die Unternehmens-Gruppe. „Es war mit dem Wandel in der Automobilindustrie der richtige Zeitpunkt, die beiden Firmen zusammenzuführen“, erklärte er.
Kunststoff-Technologie-Center
Die Scherdel-Gruppe verfügt an 34 Standorten in 12 Ländern über 45 produzierende Werke mit 6500 Mitarbeitern. Aus Scherdel-Wiesauplast will die Gruppe ein Kunststoff-Technologie-Center machen. „Es bildet dann das Herzstück für die globale Kunststoff-Metall-Fertigung“, sagte Bach. Die Scherdel-Gruppe produziert hauptsächlich für den Bereich Automotive. Bislang fertigte der Federnhersteller vor allem Komponenten für Verbrennungsmotoren. „80 Prozent aller Pkws weltweit haben ein Teil von Scherdel eingebaut“, sagte er. Im Jahr werden etwa 90 000 Tonnen Stahl verarbeitet und ein Umsatz von 700 Millionen Euro erwirtschaftet. Zwar ist das Unternehmen auch in den Bereichen Medizintechnik und Industrie breit aufgestellt. Damit die Firmengruppe zukunftsfähig bleibt, solle der Bereich E-Mobilität ausgebaut werden. Seit über zehn Jahren wird daran schon gearbeitet. Dennoch bekam Scherdel ebenfalls die Krisen in der Autoindustrie sowie die Pandemie-Folgen zu spüren und hatte in den vergangenen vier Jahren mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Um dem entgegenzuwirken, sollten Kompetenzen und Know-how in der Kunststofftechnik ausgebaut werden. „Aufgrund der Geschwindigkeit der Transformation haben wir uns dazu entschieden, ein Unternehmen zu kaufen“, so Bach.
Viele Schnittmengen
Standortleiter Wolfgang Beer führte aus, wieso die Wahl auf Wiesauplast fiel. Beer selbst machte seine Ausbildung als Werkzeugmacher bei Wiesauplast und stieg dann zum Produktionsleiter auf. 2007 ging er nach Kronau, seine Wege führten ihn aber über Scherdel zurück nach Wiesau. „In der Planung kam uns die Idee: Wir brauchen ein Kunststoff-Ideen-Zentrum“, erklärte er. Mit Wiesauplast gebe es große Schnittmengen in Bezug auf Kunden, Produktion und Technologie.
Teile, welche die Scherdel-Gruppe bislang über externe Stellen zukaufen musste, können nun selbst gefertigt werden. Zudem sei die Standortnähe von Vorteil – und zwar nicht nur hier in der Region. Auch die Werke in Mexiko liegen nur eine etwa zweieinhalbstündige Fahrzeit auseinander. Zudem hätten beide Unternehmen gemeinsam, dass sie langfristig auf den Mittelstand ausgerichtet seien. Alle Arbeitsplätze bei Wiesauplast sollen erhalten bleiben, zudem sei in Wiesau eine Reaktivierung des Werks 2 geplant. Die Elektrofertigung Mid-Tronic stelle eine weitere Kompetenzerweiterung für Scherdel dar.
In den nächsten zehn Jahren setze sich die Scherdel-Gruppe zum Ziel, führender Anbieter in den Bereichen Kunststoff-Metall und Metallsubstitution zu werden. „Wir können jetzt von der Entwicklung bis zum Ersatzteildienst alles im eigenen Haus machen“, betonte Beer. Auf diese Weise will die Unternehmensgruppe als umfassender Ansprechpartner für komplexe Kunststoff-Metall-Verbindungen agieren. Dazu gehören: Entwicklung und Forschung, Simulation, Prototypen, Werkzeug, Fertigung von Kunststoff und Metall sowie Automation. Wiesauplast als Technologie-Center soll die Werke international mit neuen Werkzeugen, Prozessen und Know-how versorgen, aber auch selbst für den Markt und andere Werke produzieren.
Neue Arbeitsplätze entstehen
„Durch die Allianz der Technologien entstehen hochinteressante und zukunftsorientierte Arbeitsplätze“, versprach Beer. Denn für die Vorhaben benötige Scherdel-Wiesauplast auch Fachkräfte, die im Ausbildungs- und Trainingszentrum in Marktredwitz ausgebildet und geschult werden sollen. Um den selbst gestellten Ansprüchen gerecht werden zu können, richteten die Führungskräfte auch einige Bitten an die Politik. „Homeoffice wird bleiben. Junge Leute brauchen die Voraussetzungen, um hier zu arbeiten“, sagte Beer zu Landrat Roland Grillmeier und Wiesaus Bürgermeister Toni Dutz. Ein weiteres wichtiges Thema seien die Energiekosten. „Kunststoffe zu schmelzen oder zu kühlen, braucht viel Energie. Energiesicherheit ist wichtig für uns.“ Scherdel-Wiesauplast hoffe auf schnelle und unbürokratische Hilfe der Politik.
Bürgermeister Toni Dutz zeigte sich begeistert von der Präsentation: „Was Besseres hätte uns gar nicht passieren können.“ Er sicherte Unterstützung zu und betonte, offen für Ideen zu sein. Das Gleiche tat auch Landrat Roland Grillmeier.
Zahlen und Daten zu Scherdel-Wiesauplast
- Wiesauplast wurde 1958 gegründet und ist seit 1. Januar 2022 Teil der Scherdel-Gruppe.
- Geschäftsführung: Marcus Bach (geschäftsführender Gesellschafter der Scherdel-Gruppe) und Standortleiter Wolfgang Beer
- Standorte: Werke in Wiesau (Werk 1 und Werk 2) und Mexiko, Vertriebsbüro in Detroit/USA
- Umsatz: rund 50 Millionen Euro
- Mitarbeiter: rund 500 (270 in Wiesau und 230 in Mexiko)
- Produktionsfläche weltweit: 30.000 Quadratmeter
- Verarbeitete Kunststoffmenge: circa 3500 Tonnen pro Jahr (hinzu kommen etwa 1000 Tonnen aus Scherdel-Werken)
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