Wildenreuth bei Erbendorf
19.11.2018 - 16:04 Uhr

"Heute noch Gräben"

„Gräben gab es nicht nur im Ersten Weltkrieg, sondern sie gibt es auch heute noch.“ Das stellte Pfarrer Manuel Sauer am Kriegerdenkmal fest. Mit Kurt Tucholskys Gedicht „Der Graben“ gedachte der Geistliche den Opfern von Krieg und Gewalt.

Vor dem Kriegerdenkmal in Wildenreuth legten (von links) zweiter Bürgermeister Johannes Reger und Pfarrer Manuel Sauer einen Kranz ab. Bild: njn
Vor dem Kriegerdenkmal in Wildenreuth legten (von links) zweiter Bürgermeister Johannes Reger und Pfarrer Manuel Sauer einen Kranz ab.

Nach dem Gottesdienst in der St.-Jakobuskirche zog die Gemeinde zum Kriegerdenkmal am Dorfplatz. Sauer wies darauf hin, dass im Ersten Weltkrieg jahrelang Soldaten für nur wenig Landgewinn gestorben seien. „Die Menschen waren nicht Brüder und Schwestern, sondern Feinde“, betonte der Pfarrer. Er zitierte einen Satz „mit den Serben muss aufgeräumt werden, den Kaiser Wilhelm II. kurz nach dem Attentat von Sarajewo 1914 aussprach. „Damit begann die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts.

„Vor 100 Jahren ging der Krieg zu Ende, aber auch eine neue Demokratie wurde ausgerufen, die Weimarer Republik“, so Sauer weiter. Doch die Gräben, die damals weiterhin bestanden, konnten nicht aufgefüllt werden. „Das Lagerdenken in Freund und Feind verstärkte sich, was letztendlich in Deutschland zu einer Schreckensherrschaft und zum Zweiten Weltkrieg führte.“

Das Jahr 2018 erinnere auch an die Reichspogromnacht vor 80 Jahren, als gut 1400 Synagogen zerstört und 1000 jüdische Mitbürger getötet wurden. „Gräben gab es aber nicht nur damals, sie gibt es auch heute noch“, betonte Sauer. „Heute ist es salonfähig, Menschen herabzusetzen.“ Dies gelte für Ausländer ebenso, wie für Andersdenkende und Andersglaubende. „Nicht wenige sind heute fleißig dabei, die Gräben wieder auszuheben.“

Sauer stellte fest, dass die letzten Worte von Kurt Tucholsky aus dem Gedicht „Der Graben“ aktuell wie nie seien. „Reicht die Bruderhand als schönste aller Gaben, übern Graben, Leute, übern Graben.“

Zweiter Bürgermeister Johannes Reger hob die Symbolik der „8“ aus den Jahreszahlen hervor, die sowohl mit Schrecken, als auch mit Neuanfang verbunden seien. So begann 1618 der Dreißigjährige Krieg, 1638 sei die Ortschaft Wildenreuth fasst dem Erdboden gleichgemacht worden und 1918 sei der erste Weltkrieg vorbei gegangen, neue Demokratien seien erstanden. Des weiteren nannte Reger das Jahr 1938 mit der Reichspogromnacht und die Währungsreform von 1948, die den heutigen Wohlstand begründete.

Gemeinsam legten Pfarrer Sauer und zweiter Bürgermeister Reger am Kriegerdenkmal einen Kranz nieder. Musikalisch wurde die Feier vom Kirchen- und Posaunenchor gestaltet.

 
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