Wenn bei Sebastian Kress überhaupt mal WM-Stimmung aufkommt, dann auf dem Kreuzfahrtschiff. Dort hat sich der Windischeschenbacher während seines Aufenthalts in Katar eingebucht – es liegt im Hafen von Doha. Hier würden die Fans der verschiedensten Nationen zusammenkommen und über Fußball philosophieren, sagt Kress. "Und natürlich auch mal eine Halbe trinken", ergänzt der 34-Jährige. Hier sei Alkohol erlaubt, auf den Straßen und öffentlichen Plätzen aber absolut tabu. Auch rund um die Stadien hatten die Gastgeber kurz vor der Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft ein Verbot von alkoholhaltigem Bier durchgesetzt. Einzige Ausnahme: Die Logen mit den "sehr wichtigen Personen".
Außerhalb seines aktuellen schwimmenden Zuhauses tut sich der Oberpfälzer aber schwer, so richtig dem WM-Fieber zu verfallen. Die Einheimischen seien zwar nett, doch auch sehr reserviert. "Man merkt, dass das Land wenig bis nichts mit Fußball zu tun hat", sagt Kress. Vor allem in den Stadien sei die Stimmung kein Vergleich zu den anderen Turnieren, die der 34-Jährige bisher besucht hat. Und das waren einige.
"Ein künstliches Turnier"
Er war beispielsweise bei den letzten beiden Europameisterschaften, mehrere Wochen bei der Weltmeisterschaft in Russland und auch einige Tage beim damaligen deutschen WM-Triumph in Brasilien. Und nun? "Es ist ein künstliches Turnier", urteilt der Oberpfälzer und erklärt sogar: "Ich wäre nicht böse, wenn wir relativ früh ausscheiden würden". Dann könne man diese WM in Katar getrost vergessen.
Harte Aussagen, vor allem, wenn man bedenkt, dass Sebastian Kress sich den Besuch dieses Turniers einiges kosten lässt. Um die 7000 Euro zahlt der Windischeschenbacher alleine für die Zeit während der Vorrunde – komplett aus eigener Tasche. 14 Spiele stehen bis Anfang Dezember auf seinem Plan. Nach dem letzten Vorrundenspiel der DFB-Elf gegen Costa Rica, fliegt er wieder heim. Von der Wüste geht es dann in den Oberpfälzer Winter und auf die Weihnachtsmärkte. "Diese Zeit möchte ich auf jeden Fall mitnehmen", sagt er.
Doch zum Glühwein- oder Punschschlürfen hat er vielleicht nur knapp zwei Tage Zeit. Denn falls Deutschland, trotz der Auftakt-Niederlage gegen Japan, doch noch das Achtelfinale erreicht, könnte er wieder zurückkommen in die Wüste. Wenn er denn will. Kress hat sogenannte Option-Tickets. Zu 90 Prozent werde er das dann aber auch machen und wieder nach Katar reisen, erklärt er.
Scheinheilige Fifa
"Für mich ist das Hauptziel, die Mannschaft zu unterstützen", sagt er. Die Liebe zum Sport und zur deutschen Mannschaft siegt bei dem 34-Jährigen aktuell noch. Wenig überraschend – schließlich ist er auch Fanclubbetreuer für die Nationalelf in Nord- und Ostbayern. Doch auch Kress befindet sich in einem Zwiespalt, der immer größer wird. Denn wer meint, der Oberpfälzer sei nur ein Fußball-Fan, der vor allen Dingen, die sonst noch so rund um diese WM passieren, die Augen verschließt, der irrt. "Natürlich ist das, was hier abläuft, nicht gut", sagt Kress. Es sei absolut die falsche Entscheidung gewesen, die WM nach Katar zu vergeben. Viele Argumente der Fifa finde er einfach nur scheinheilig. "Diese WM hat einen Beigeschmack."
Das merkte er auch, als er zum Eröffnungsspiel im Fanbus unterwegs war. "Plötzlich wurde die Autobahn gesperrt." Mehrere schwarze Limousinen mit "sehr wichtigen Personen" hatten Vorfahrt. Dieses Beispiel habe ihm mal wieder gezeigt, wie klein die Rolle eines einfachen Fans in der Welt der Fifa sei. Doch irgendwie passen diese Erzählungen doch auch perfekt zu den bisherigen Eindrücken, die man als Zuschauer vor dem TV von dieser WM gesammelt hat – von einer WM, auf der keine Stimmung aufkommt, außer auf dem Kreuzfahrtschiff.
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