Winklarn
15.10.2024 - 14:57 Uhr

Umstrittene Windkraft-Pläne in Winklarn: Ist die Trinkwasserversorgung bedroht?

Wird eine Lebensader der Rendite geopfert? Diese Angst treibt in Winklarn viele um, seit der Frauenstein in den Fokus für Windenergie geraten ist. Denn der Höhenzug ist mehr als ein landschaftliches Highlight.

Die Zeit drängt. Noch bis zum 31. Oktober besteht die Möglichkeit, schriftliche oder elektronische Stellungnahmen beim Regionalen Planungsverband Oberpfalz-Nord abzugeben zu einen Entwurf, der die Basis für den Bau von Windkraft-Anlagen sein könnte, das Beteiligungsverfahren läuft. Auch der Markt Winklarn will bei der nächsten öffentlichen Sitzung Stellung nehmen. Doch schon Monate vorher sind Projektentwickler unterwegs, die sich die besten Grundstücke sichern wollen und das Gespräch mit den Eigentümern suchen. Andere bekommen oft gar nichts mit von den Plänen vor ihrer Haustüre. Die Marktgemeinde hat deshalb Ende September in einem Schreiben alle Haushalte und auch auswärtig wohnende Grundstückseigentümer über die Hintergründe informiert.

"Bislang hatte der Markt Winklarn keine Flächen für Windenergie gemeldet", berichtet Benjamin Zwack, Sachbearbeiter Baurecht bei der Verwaltungsgemeinschaft Oberviechtach, auf Nachfrage von Oberpfalz-Medien. Trotzdem könnten auf Gemeindegebiet Windräder gebaut werden. Eine Potenzialflächenkarte des Regionalen Planungsverbands für Windgüte liefert den Interessenten die Anhaltspunkte, eine neue Gesetzeslage lässt das zu – falls mit dem Regionalplan die Weichen dafür nicht entsprechend gestellt sind.

Komplexe Geologie

"Der Markt Winklarn ist von diesen Planungen unmittelbar betroffen, insbesondere das Gebiet SAD 22 östlich von Pondorf, welches den markanten Mittelgebirgszug Frauenstein umfasst", heißt es in dem Schreiben der Gemeinde. Eine Skizze markiert dabei drei Areale unmittelbar an der nordöstlichen Gemeindegrenze. Schnell kommt man auf den entscheidenden Punkt: Der Frauenstein mit seinen knapp 900 Höhenmetern sei nicht nur ein landschaftliches Highlight im Naturpark Oberpfälzer Wald, sondern auch von herausragender Bedeutung für die Trinkwasserversorgung. Fünf Kommunen beziehen von dort ihr Trinkwasser, neben Winklarn sind das Tiefenbach, Weiding, Schönsee (Gaisthal), und Rötz. 25 Quellen gibt es, 16 versorgen rund 1440 Einwohner im Gemeindebereich. Wegen der komplexen Geologie hält die Marktgemeinde eine genauere Überprüfung für geboten, der Trinkwasserschutz habe oberste Priorität.

Das findet auch Hans Bock, ehemals stellvertretender Bürgermeister und Ehrenbürger des Markts Winklarn. Weil auch er ein Waldstück in dem anvisierten Gebiet besitzt, gehörte er zum Kreis derer, die bislang von zwei verschiedenen Entwicklern zu einem Infotermin eingeladen waren. "Das Hauptproblem ist das Wasser", findet er. Der 75-Jährige befürchtet, dass sich "die auswärtigen Grundstücksbesitzer um unser Wasser nicht viel pfeifen", wenn es um lukrative Pachtverträge geht. Außerdem bestehe die Gefahr, dass man auf den Altlasten sitzen bleibe, wenn die Investoren pleite gehen, gibt er zu bedenken. "Dass der Höhenzug verschandelt wird, würde ich an letzter Stelle setzen."

Nicht ohne Sprengung?

"Riesenprobleme" sieht Bock wegen der erforderlichen Infrastruktur: "Da muss man absprengen, um ebene Flächen von 30 mal 30 Metern für die Windräder zu bekommen", warnt er. "Halbe Autobahnen" seien beim Bau für einen Kran erforderlich, enorme Mengen an Zement müssten antransportiert werden. Und ob sich die Windräder tatsächlich rechnen, daran hat er ebenfalls seine Zweifel, wenn er am Windpark Pamsendorf vorbeifährt. "Diese Windräder stehen doch die meiste Zeit", ist er sich einig mit Thomas Liegl, der als Waldbesitzer in Winklarn ebenfalls aus erster Hand von den Plänen weiß und sie wegen der Quellen sehr skeptisch sieht. Aber da gehe es auch um eine Menge Geld, gibt er mit Blick auf das gute Dutzend Eigentümer der insgesamt 200 Hektar großen Fläche zu bedenken.

"Es ist klar dass wir Energie brauchen in Zukunft", verdeutlicht die Winklarner Bürgermeisterin Sonja Meier das eigentliche Dilemma. Man müsse eben zusehen, dass erneuerbare Energie im Einklang mit der Natur und den Menschen vor Ort sei. "Mir persönlich ist es ein Anliegen, dass hier genau hingeschaut wird, das können nur Fachleute", sagt sie mit Blick auf das wertvolle Quellgebiet. "Wir sind stolz auf unser gutes Wasser, das wollen wir nicht gefährden." Ob das ausreicht, um die Potenzialfläche zur Tabuzone für Windräder zu machen? Das, so der Sachbearbeiter bei der VG, werde sich wohl erst im Verfahren zeigen.

Hintergrund:

Wind-an-Land-Gesetz

  • Ziel: Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 verdoppeln, neues Gesetz soll Ausbau der Windenergie in Deutschland deutlich schneller voranbringen; 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms sollen dann aus erneuerbaren Energien stammen, um im Jahr 2045 Treibhausgasneutralität zu erreichen
  • Zeitplan: verabschiedet im Juli 2022, am 1. Februar 2023 in Kraft getreten
  • Flächenziele: Länder müssen bis Ende 2032 zwei Prozent der Bundesfläche für die Windenergie ausweisen, bis 2027 sollen 1,4 Prozent der Flächen bereitstehen
  • Abstände: Wird das Flächenziel nicht erreicht, treten die landesspezifischen Abstandsregeln außer Kraft; für die artenschutzrechtliche Prüfung gelten bundeseinheitliche Standards; auch Landschaftsschutzgebiete können einbezogen werden
  • Einsichtnahme: Fortschreibungsentwurf des regionalen Planungsverbands Oberpfalz-Nord liegt bis 31. Oktober im Landratsamt Neustadt auf; online möglich über www.oberpfalz-nord.deaktuelles.htm; Stellungsnahmen über rpv[at]neustadt[dot]de
 
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