Zum zweiten Mal gastierte die Internationale Musikbegegnungsstätte Haus Marteau im Speichersdorfer Ortsteil Wirbenz, diesmal mit ihrem Meisterkurs Gesang. Zehn junge Künstlerinnen hatten sich vier Tage lang von Professorin Ulrike Sonntag schulen lassen und sich auf die große Bühne vorbereitet.
Bevor die ersten Töne erklangen, hieß Bürgermeister Christian Porsch die rund 70 Gäste willkommen. Die Reihe „Haus Marteau auf Reisen“ genieße einen hohen Stellenwert. Porsch dankte Sophie Zeus vom Bezirk Oberfranken für die Koordination und lobte den Verein Kulturscheune e. V.
Gesang, Texte und Dankesworte
Ulrike Sonntag führte charmant durchs Programm. Sie erklärte die Texte, verband Biographisches mit Anekdoten, ließ Goethe, Rückert oder Rilke lebendig werden. Immer wieder dankte sie der Gemeinde und dem Bezirk: „Kultur braucht Raum – und hier wird er ihr gegeben.“
Den Auftakt bildete Mendelssohns „Herbstlied“: Theresa Praxmarer (Sopran, Wien) und Maria Shebzukhova (Mezzosopran, Düsseldorf/Wien) schufen ein zartes Duett, das die herbstliche Melancholie fein auskostete. Praxmarer überzeugte mit klarem Ton und sang Schumanns „Widmung“ von Liebesglut ohne Sentimentalität, dafür mit festem Herzen.
Besonders berührend war Negin Razzaghi Kamroudi aus dem Iran, die nun in Hamburg lebt. Ihr „Nur wer die Sehnsucht kennt“ von Schubert klang wie ein persönliches Bekenntnis. Ihre Gestik machte das Heimweh fast greifbar.
Klangliche Wärme
Lena Kühn aus München verströmte Leichtigkeit und klangliche Wärme. In Ullmanns „Sein erster Kuss“ legte sie feine Nuancen in die Phrasen, während sie in Richard Strauss’ „Schlagende Herzen“ die Leidenschaft förmlich in den Raum schleuderte. Einen Gegenpol setzte Erika Decker Romeu aus Köln. Die jüngste Teilnehmerin präsentierte mit offenen Gesten und fast mädchenhaftem Elan sowohl Wolf als auch Mozart frisch. Ihr „Alleluja“ aus „Exsultate jubilate“ wurde zum ersten großen Höhepunkt.
Maria Shebzukhova zeigte große Bühnenpräsenz. Mit Mozart und später Gounod verkörperte sie nicht nur die Stimme, sondern auch die ganze Figur.
Montserrat Boixadera aus Barcelona brachte mediterranes Feuer nach Wirbenz. In Haydns Grilletta ließ sie den Lebemann Volpino charmant abblitzen. Später in Lehárs „Einer wird kommen“ war ihre Stimme von sehnsüchtiger Glut erfüllt – und dennoch blieb sie stets elegant.
Als Musetta in Puccinis „Quando m’en vo“ glänzte Yingzi Xia aus China, die in München lebt. Mit sicherem Auftreten, tänzelnder Gestik und ihrem Lächeln, verkörperte sie Musettas Koketterie. Dass sie am Ende mit Bellinis „Qui la voce“ den Abend beschloss, war folgerichtig: Hier verband sie lyrische Süße mit dramatischer Wucht.
Eva Degitz aus Heidelberg und Saarbrücken brachte mit Haydns „Nun beut die Flur“ einen frühlingshaften Moment in den Herbstabend. Frisch, lebendig und mit tänzerischem Schwung überzeugte Camille Caradeuc aus Annecy und Berlin bei Händels „Tornami a vagheggiar“. Später ließ sie in Donizettis „Chacun le sait“ die Soldatentochter Marie mit Lust und Stolz aufleben.
Feuerwerk der Oper
Nach der Pause reichte das Spektrum von Massenets heiterer Sophie über Mozarts listige Susanna bis hin zu Verdis Pagen Oscar. Jeder Auftritt wirkte wie ein neues Kapitel einer bunten Opernchronik. Dann kam das große Finale: Yingzi Xia als Elvira in Bellinis „I puritani“. Sie sorgte für einen Gänsehautmoment, der in der Kulturscheune Wirbenz nachhallte.
So endete ein Abend, der mehr war als nur ein Konzert. Er war ein Versprechen, dass Stimmen aus aller Welt auch in kleinen fränkischen Dörfern Gehör finden. Bürgermeister Porsch hatte Recht, als er sagte: „Die Kulturscheune ist unser kulturelles Wohnzimmer.“ An diesem Abend aber war sie zugleich Opernhaus, Weltbühne und Zukunftswerkstatt.
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