Am Mittwochnachmittag liegt die Kirchstraße in Wölsendorf (Gemeinde Schwarzach) verlassen da. Kein Auto – und auch keine Katzen. "Normalerweise sind hier immer welche unterwegs", sagt Martin Ebnet, dessen Malerbetrieb hier zu einer Anlaufstelle für viele "Freigänger" geworden ist. So nennt man Katzen, die nach Herzenslust draußen herumstromern dürfen und manchmal nicht mal einen Namen haben. In Ebnets Anwesen wartet ein Katzenhaus auf sie, bequem erreichbar und sicher hinter einem abgesperrten Metalltor. Etwa ein Dutzend Katzen ist hier regelmäßig Gast und bedient sich an den Futtervorräten. Doch seit Samstag ist der Unterschlupf verwaist.
"Es ist unfassbar, alle sind weg", berichtet Martin Ebnet. "Nebenan auf dem Bauernhof ist es genauso", erzählt der 54-Jährige, der sich um die zugelaufenen Tiere kümmert, sie zum Tierarzt fährt und kastrieren lässt. Mit ihnen waren auch Mimi und Maxl verschwunden, die beiden "Büro-Katzen", die ein privilegiertes Dasein in den Betriebsräumen im ersten Stock genießen. Seither rätselt er, was mit all den Katzen im Ort passiert ist. Er schätzt, dass es mindestens 20 sind, die fehlen.
Nicht der erste Fall
"Vor sechs oder sieben Jahren sind schon einmal alle Katzen aus dem Ort spurlos verschwunden, das war im August", erinnert sich der Tierfreund und erzählt von ähnlichen Fällen in Fischbach und Maxhütte. "Jetzt geht es von vorne los", lautete der Kommentar einer Schwarzenfelderin, nachdem Ebnet den Vorfall in den Sozialen Medien gepostet hatte. Andere schrieben, das alles sei nur Fake. Doch der Inhaber des Wölsendorfer Malereibetriebs ist sich sicher, dass da mehr dahintersteckt. Seine Theorie: Hier muss ein Katzenfänger unterwegs gewesen sein.
Anders kann es sich der 54-Jährige nicht erklären, warum es nach einem regen Kommen und Gehen der Tiere am Katzenhaus in der Nacht von Freitag auf Samstag ab 1.30 Uhr plötzlich still wurde. Er weiß das so genau, weil das Gelände seiner Firma videoüberwacht ist. Nach dem Ausbleiben seiner Lieblinge hat er sich die Bilder ganz genau angesehen. "Da war nichts, von jetzt auf gleich", sagt Ebnet. Er hat bei der Polizei angerufen, sagt er, "aber was will die Polizei da machen, es gibt weder Beweise noch Indizien".
Ebnet hat im Internet recherchiert. Er glaubt, dass die Tiere Opfer einer "Fell-Industrie" im Ausland wurden. "Das gibt es wirklich", ist er überzeugt und fürchtet, dass die Tiere sterben müssen, weil ihr Fell für Nierenbinden und Bommel für Mützen gebraucht wird. Angeblich würden die Katzenfänger ein Netz auslegen und dann mit Hilfe von Pheromonen (Botenstoffe) die Tiere anlocken, um sie so zu fangen, hat er recherchiert.
Doch wie realistisch ist diese Erklärung? "Der Aufwand wäre schon enorm", schätzt Gabi Hahn, Vorsitzende des Schwandorfer Tierschutzverein. Pheromone seien enorm teuer, würden nicht auf größere Entfernung wirken, sondern eher in geschlossenen Räumen. "Nie im Leben hätte das funktioniert", ist sie sich sicher, "da glaube ich noch eher an ein Ufo". Die meisten Katzen seien doch etwas scheu, und bei einer Falle hätte man immerhin etwas hören müssen, meint Hahn. "In 30 Jahren habe ich immer wieder solche Berichte gehört, aber nicht einmal gab es dafür Beweise", gibt sie zu bedenken. Auch dass die Katzen in einem Versuchslabor gelandet sind, hält sie für ausgeschlossen: "Um vergleichbare Ergebnisse zu bekommen, braucht man lauter gleiche Tiere, und die werden speziell dafür gezüchtet."
Es bleibt ein Rätsel
Eine Erklärung, wie gleichzeitig so viele Katzen aus einem Ort verschwinden können, hat die Vorsitzende des Tierschutzvereins aber schlichtweg auch nicht. Eine Vergiftung schließt sie mangels Spuren ebenso aus wie Ebnet. Und was den Profit mit Katzen anbelangt, ist sie sich sicher: Das Geschäft sei finanziell "völlig unrentabel".
Für den Wölsendorfer Katzenliebhaber bleibt ein Gefühl der Machtlosigkeit und Trauer über den Verlust der liebgewonnenen Lebewesen, die in der Firma etwas Besonderes waren. Einen kleinen Trost hat er immerhin: Maxl ist zurück. Der eineinhalb Jahre alte Kater mit Sonderstatus ist am Mittwoch im Büro wieder aufgetaucht, etwas abgemagert und auffallend schreckhaft. Zur Aufklärung des mysteriösen Verschwindens seiner Gefährtin Mimi und der insgesamt etwa 20 Katzen wird er aber wohl kaum beitragen können.
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