Wunsiedel
06.11.2022 - 10:32 Uhr

Helikopter-Einsatz auf der Luisenburg-Bühne

Ein Hubschrauber hievt vom Borkenkäfer befallene Bäume von der Luisenburg-Felsenbühne über den Zuschauerraum hinweg. Die Theaterbesucher müssen sich auf ein etwas anderes Ambiente einstellen.

Von Matthias Bäumler

Erst rieselt das Holzmehl von zwei Bäumen und wenig später von 33 weiteren. Forstwirt Markus Roßmeisl ist geschockt, als er das Borkenkäfernest entdeckt. Wie dem Wunsiedeler Natur- und Landschaftspfleger erging es diesen Sommer landauf, landab Hunderten Förstern und Forstwirten. Die wochenlange Trockenheit hat die Fichten derart geschwächt, dass der Borkenkäfer leichtes Spiel hatte und sich prächtig vermehren konnte. Die kleinen Krabbler rafften ganze Fichtenwälder dahin.

35 Bäume fallen da normalerweise nicht ins Gewicht. Wenn diese aber auf der schönsten Naturbühne Deutschlands stehen, ist dies noch einmal eine andere Hausnummer. Für die Verantwortlichen der Stadt Wunsiedel war klar: Nur ein Radikalschnitt kann die Bühne in ihrer natürlichen Pracht retten. Und hier kommen die Männer von „Kitz-Air-Helicopter“ aus Tirol und die Baumkletter-Profis von Ronny Epple aus dem schwäbischen Münsingen ins Spiel. In einer spektakulären Aktion entfernen sie mit dem Mehrzweckhubschrauber PZL-W-3 die tonnenschweren bis zu 25 Meter hohen Fichten und eine Birke unmittelbar vor der Zuschauertribüne.

Millimeterarbeit per Hubschrauber

Ein wenig besorgt betrachtet aus sicherer Entfernung Christof Kaldonek, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Luisenburg, die Aktion. Wie eine überdimensionierte Schwebfliege steht der gelbe Helikopter aus polnischer Fertigung knapp über den Baumwipfeln in der Luft. Die Rotoren wirbeln das Laub über die zu dieser Jahreszeit stuhllosen Zuschauerränge. „Wir opfern ein paar Bäume, damit die Bühne in ihrer Kraft und Ausstrahlung erhalten bleibt“, sagt Kaldonek, als ob ihn, den Kunstsinnigen, das Spektakel am Herzen der Wunsiedeler Kultur wirklich kaum berühren würde. Wie alle an dem etwas anderen Schauspiel Beteiligten vertraut er auf die Künste von Georg Schuster. Der Pilot leistet mit seinem Joystick Millimeterarbeit. Baum für Baum zieht er in die Höhe und fliegt sie einige Hundert Meter weiter zum Lagerplatz auf dem Luisenburg-Parkplatz, wo sie von den Forstleuten in Empfang genommen werden.

Die Schwäbisch-Tiroler Crew arbeitet wie ein Uhrwerk. Die Kletterer sichern Baum für Baum mit Spezialseilen. Auch am Heli ist ein 50 Meter langes befestigt. Wenn Georg Schuster einen Baum anfliegt, verknüpfen die im Geäst wartenden Männer die beiden Taue. Die nächsten Sekunden sind die entscheidenden. Jetzt kommt es auf die Kletterer an, die mit der Kettensäge den Stamm durchtrennen und das Kommando geben. Der Hubschrauber steigt sogleich steil nach oben und zieht den Baum mehr als 70 Meter hoch in die Luft. Geschafft. Dieses Spektakel wiederholt sich um die 50 Mal allein im Bühnenbereich.

„Bäume mit einem Stammdurchmesser von bis zu 30 Zentimetern kann der Heli am Stück transportieren“, erklärt Andreas Eder, Projektmanager von Kitz-Air. Die meisten sind weit mächtiger. „Einen müssen wir sogar in sieben Stücken abtransportieren.“

Um die 1,6 Tonnen kann der Heli problemlos anheben. Ronny Epple und seine Männer haben schon am Vormittag alle Bäume gecheckt und berechnet, in wie viele Teile sie geschnitten werden müssen. „Das ist für uns Alltag, kein Problem.“ Obwohl sowohl die Heli-Crew als auch die Baumkletterer die Aktion als für sie alltäglich bezeichnen, ist sie doch etwas Besonderes. „Das ist jetzt wirklich die schönste Baustelle, auf der ich gearbeitet habe“, sagt einer der Männer zu seinem Kollegen. Dieser nickt. Sie sind zwar beruflich im unzugänglichen alpinen Schutzwald, an Hängen von Burganlagen oder auf Schlossplätzen zu Hause, ein Theater hingegen ist selten Schauplatz ihrer Arbeit.

Luft-Transport kommt günstiger

In der Stellenbeschreibung von Bürgermeister Nicolas Lahovnik hingegen spielt das Luisenburg-Theater eine bedeutende Rolle. Umso interessierter beobachtet er die Forstaktion. „Diese sieht zwar spektakulär aus und ist es auch, ist aber die beste Lösung.“ Das Arbeiten im Bühnenbereich und im Labyrinth, in dem weitere neun Bäume entfernt werden, sei extrem kompliziert. „Natürlich hätten Baumkletterer die Bäume scheibchenweise abschneiden können, das hätte jedoch mehrere Wochen gedauert und wäre der Stadt weit teurer gekommen.“ Auch sei der Transport durch die Luft vor allem für die Bühne wesentlich schonender. „Hier geht es immerhin um unsere wichtigste Kulturstätte, die zugleich ein bedeutender Naturraum ist.“ Letztlich, auch das ein Argument, könne die Stadt die meisten Bäume nun als Langholz vermarkten, was einträglicher sei, als wenn nur noch kurze Stücke davon übrig geblieben wären.

Dies bestätigt Markus Roßmeisl vom Kommunalunternehmen Infrastruktur, das sich um den Stadtforst kümmert. „Der gesamte Bereich um die Bühne ist mehrfach geschützt, unter anderem handelt es sich um ein FFH-Gebiet und um einen Schutzwald.“ Letztgenannte Funktion ist besonders für den Erosionsschutz bedeutsam.

Explosionsartig vermehrt

Ende August hatte der Forstwirt die Bäume im Luisenburg-Areal inspiziert. „Zunächst waren nur zwei Bäume vom Borkenkäfer befallen. Das Holzmehl auf der Rinde und am Boden waren eindeutig. Von diesen beiden haben sich die Käfer explosionsartig vermehrt, daher blieb nichts anderes übrig, als die Bäume zu fällen.“ Allerdings durften Fachmann Roßmeisl oder die Verantwortlichen der Stadt nicht selbst über die Aktion entscheiden, sondern mussten diese bei der Unteren Naturschutzbehörde genehmigen lassen. „Allein dies zeigt, wie bedeutend der Wald für den Naturschutz ist.“

Bei den Bäumen, die weichen müssen, handelt es sich bis auf eine Birke ausschließlich um Fichten. „Wir haben hier oben auch viele Douglasien, diese sind stabil. Der Borkenkäfer ist nur in den Fichten, die sterben allerdings ab.“ Die Birke müsse weichen, da die sie umgebenden Fichten entfernt werden und der Wind an dem auf felsigem Grund nur spärlich eingewurzelten Baum rütteln würde. „Da die Birke auf der Bühne und ganz in der Nähe des Zuschauerraumes steht, wäre es viel zu gefährlich, sie stehen zu lassen.“

Bühne verändert sich

Schon als die ersten Bäume gefällt sind, zeigt sich, wie sich das Ambiente des Bühnenraums verändert. Alles wirkt viel luftiger. Wie Christof Kaldonek sagt, planen die Verantwortlichen der Luisenburg noch weitere Veränderungen auf der Bühne. „Wir wollen all die Aufbauten entfernen, die in den vergangenen Jahren dazugekommen sind.“ Dabei gehe es um Betonpodeste, Kabel und andere technische Anlagen, die einst für Inszenierungen auf die Bühne kamen und blieben. Auch Bürgermeister Lahovnik hält dies für geboten. „Wir wollen die Spielstätte wieder in etwa so gestalten, wie sie früher einmal war.“ In etwa deshalb, da sich die Luisenburg-Bühne permanent wandelt. „Jetzt kommen einige der Bäume weg und schaffen neue Bereiche, die bespielbar sind. In einigen Jahren verschwinden wiederum andere Plätze, auf denen seit Jahren gespielt wird, da wir die Waldverjüngung zulassen und an vielen Stellen Bäume in die Höhe wachsen.“

 
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