Er liebt sie, sie aber ihn eigentlich nicht, weil ihr Herz einem anderen gehört. Dieser weiß davon nichts und verliebt sich eh in jemand anderen. Ganz große Liebestragödien, könnte man meinen. Naja, ganz so schlimm kommt es dann doch nicht, handelt es sich doch – etwas komprimiert – um die Handlung der Kult-Operette „Im Weißen Rößl“. Und dass am Ende dann doch alles irgendwie gut wird, versteht sich eh von selbst. Das wurde auch bei der Premiere am Donnerstag bei den Luisenburg-Festspielen deutlich: Die Landesbühnen Sachsen waren mit einer ziemlich staub- und patinafreien Inszenierung des bekannten Singspiels von Ralph Benatzky zu Gast.
Das Reisetheater aus Radebeul ist seit 1992 regelmäßig Gast in Wunsiedel und normalerweise mit einer Oper am Start. Corona brachte aber den ursprünglichen Gastspielplan der Festspiele gehörig durcheinander: Die geplante Operette „Fledermaus“ der Music Hall Antwerpen musste auf nächstes Jahr verschoben werden, ebenso die Oper „Hänsel und Gretel“. Dafür konnten die Sachsen aus Radebeul beweisen, dass sie eben auch Operette gut können. Und das Kommen für die Besucher hat sich gelohnt.
Resolut und etwas frivol
„Zuschaun kann i net…“ singt zwar der Zahlkellner Leopold in einer der bekannten Nummern des Stückes, das bezieht sich aber beileibe nicht auf die Darbietungen des Abends. Ausgesucht hatte sich Regisseur Manuel Schöbel, zugleich Intendant der Landesbühnen Sachsen, die Operetten-Fassung „Bar jeder Vernunft“, die seit Beginn der 90er Jahre für Furore sorgt. An der Geschichte hat sich freilich nichts geändert: Es ist Hochsaison im Hotel „Zum Weißen Rößl“ im österreichischen Salzkammergut und Zahlkellner Leopold (herrlich liebestrunken und gesanglich ideal: Andreas Petzoldt) hat nicht nur mit unzufriedenen Gästen zu kämpfen, sondern auch mit seiner unerwiderten Liebe zur Wirtin Josepha Vogelhuber (resolut und einen Tick frivol: Antje Kahn). Diese hat nämlich nur Augen für den Berliner Stammgast Rechtsanwalt Dr. Otto Siedler (clever und schmalzig zugleich: Kay Frenzel), der an diesem Tag noch anreist.
Dr. Siedler wiederum bandelt mit Ottilie (stimmliches Glanzlicht des Abends: Anna Erxleben) an, der Tochter des Berliner Fabrikanten Wilhelm Giesecke (schnoddernd und nölend in Bestform: Andreas Pannach) – ebenfalls Gäste im "Weißen Rößl". Giesecke hat jedoch andere Pläne für seine Tochter und will sie mit Sigismund Sülzheimer (ein ganzer Kerl im Ganzkörper-Badeanzug: Florian Neubauer), dem Sohn seines Konkurrenten, verkuppeln, um den Disput unter den Firmen zu schlichten. Sigismund hingegen hat sich ins lispelnde Klärchen (bestens mit Humor und Stimme ausgestattet: Kirsten Labonte) verliebt, die mit ihrem Vater, dem armen Professor Dr. Hinzelmann (kann auch über den Kikeriki-Schrei philosophieren: Peter Kube) angereist ist. In der Rolle des „Piccolo“ glänzt immer wieder Suji Kim.
Drei Verlobungen
Da erstaunt es dann doch, dass am Ende gleich drei Verlobungen gefeiert werden dürfen und sich alles in Harmonie auflöst. Der Weg dorthin ist allerdings recht verschlungen – und vor allem musikalisch. Viele Gassenhauer der Operettenliteratur erklingen – vom titelgebenden „Im Weißen Rößl am Wolfgangsee“ über „Die ganze Welt ist himmelblau“, „Was kann der Sigismund dafür“ bis hin zu „Es muss was Wunderbares sein“. Besondere Wirkung entfaltet die Inszenierung in ihren großen Chor-Szenen, bei denen die gesamte Breite und Höhe der Bühne genutzt werden. Für die passenden und fein justierten Instrumentalklänge sorgt ein siebenköpfiges Ensemble am Bühnenrand unter der Leitung von Thomas Gläser. Zum Schluss gab es den berechtigten langanhaltenden Applaus für das gesamte Ensemble.
Weitere Vorstellungen von "Im Weißen Rößl": 23. August um 15 Uhr, 24. August um 15 Uhr, 27. August um 20 Uhr, 28. August um 15 Uhr und 29. August um 15 Uhr.
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