Klimawandel. Digitalisierung. Kinder, die ohne Mutter aufwachsen. Wirtschaftsflüchtlinge. Diese Themen beherrschen derzeit die Luisenburg in Wunsiedel. Doch keine ernste Dokumentation haben die Premierengäste auf der Luisenburg-Naturbühne gesehen, sondern das nagelneue Familienstück „Trolle unter uns. Das schwerste Level kommt erst noch“. Da geht es lustig, temperamentvoll, aber auch nachdenklich zu. Die norwegischen Autoren Øystein Wiik und Gisle Kverndokk haben es eigens für die Felsenbühne geschrieben, und wie schon im Vorjahr mit „Der Name der Rose“ landen sie damit musikalisch und inhaltlich einen großen Wurf; die deutsche Übersetzung stammt von Roman Hinze.
„Das Haus voller Kinder – das ist doch toll!“, freut sich die künstlerische Leiterin Birgit Simmler bei der Begrüßung. Und tatsächlich: Im Zuschauerraum ist gehörig was los, vor Beginn der Vorstellung und währenddessen. Immer wieder klatschen die jungen Zuschauer begeistert Beifall nach den großartigen Gesangs- und Tanznummern (Regie und Choreographie: Simon Eichenberger), freuen sich über die fantasievollen Kostüme (Angela Ribera), staunen über das geschickt zusammengestellte Bühnenbild (Stephan Prattes) und gehen vor allem bei den schwungvollen Liedern, die eine Band (Leitung: Thore Vogt) auf der Bühne begleitet, voller Begeisterung mit. Sie schaffen es aber durchaus auch, während der ruhigeren Momente einmal still zuzuhören. Allerdings – und das ist vielleicht die einzige Kritik, die man anbringen könnte – sind knapp zwei Stunden Spieldauer zumindest für die Grundschüler im Publikum deutlich zu lang.
Abenteuerliche Suche
Dass die Geschichte von Elmar (Maurice Daniel Ernst) und Lena (Henrike Starck) die Kinder aber doch zu fesseln versteht, zeigt sich spätestens an dem langanhaltenden, riesigen Schlussapplaus. Bis es jedoch so weit ist, müssen Elmar und Lena erst noch ein paar nicht ungefährliche Abenteuer bestehen. Die beginnen, als Elmar die Eltern abhanden kommen. Die beiden wollen im Urlaub die norwegische Natur genießen und gehen spazieren. Der Zwölfjährige kann sich nicht von seinem I-Pad losreißen und bleibt alleine im Auto zurück. Erst, als er den High-Score geschafft hat und Mama (Carmen Wiederstein) und Papa (Torsten Ankert) nicht mehr zurückkommen, kriegt er es mit der Angst zu tun.
Vor allem, als plötzlich seltsame Wesen auftauchen, die zu dritt nur ein Auge haben. Was für ein Glück, dass plötzlich Lena da ist. Sie rettet ihn vor den Trollen, die ihn ganz appetitlich finden („Sieht lecker aus“). Lena schnappt sich das Auge und nimmt Elmar mit in die Parallelwelt der Trolle, die Kehrwelt „östlich der Sonne und westlich vom Mond“. Dorthin, so meint sie, haben Trolle Elmars Eltern verschleppt. Und sie erklärt: „Die Trollwelt ist, als wär man mittendrin in einem Online-Game. Dort ist alles vorstellbar.“
Welt der drei Könige
Zum Beispiel, dass der Troll Pelle (Tom Schimon), der von seinen Eltern ausschließlich vegan ernährt wird und deshalb Heißhunger auf Fleisch hat, seinen eigenen Fuß anknabbert und schließlich sogar Steine isst, was die Kinder im Publikum mit einem entsetzten „Iiiihhh!“ quittieren. In der Kehrwelt herrschen drei Könige: der King Burger, der King Coal und der Cyber King (alle drei: Thorsten Tinney). Der King Burger wird sein vieles Rindfleisch nicht los, weil keiner mehr Kühe kaufen will, die so viel pupsen und deshalb schlecht fürs Klima sind; der King Coal, der frappierende Ähnlichkeit mit Elvis hat und seine Kohle nicht loswird, weil er den „Green Deal“ unterschrieben hat; daran halten will er sich allerdings nicht. „Warum sollte ich mir verbieten, was ich will?“, sagt’s und schmettert einen Rock ’n’ Roll; und schließlich Cyber King, der eine Tastatur am Handgelenk trägt und Elmar trollscannen lässt, ihm das Gedächtnis löschen lassen und zum Troll machen will. Wieder einmal rettet ihn Lena, die, wie Elmar nun erfährt, die Tochter eines Trolls und einer Menschen-Mutter ist.
Mission: null Emission
Doch sie ist nicht die einzige Helferin in der Not. Da ist noch die Professorin Dilldall (Sanni Luis). Sie kann mit der Traum-Welt der Online-Games nichts anfangen und setzt statt auf Abrakadabra auf Algebra und auf Mathe-Magie. Ihr ganzer Stolz: Sie hat einen Algorithmus erfunden, der Schluss machen kann mit dem Klimawandel. Ihr Motto im Dreiviertel-Takt, in das am Schluss alle einstimmen, lautet „Meine Mission ist null Emission!“. Seltsam nur, dass auch Lena die Mathe-Magie zu beherrschen scheint.
Zum Schluss geht alles gut aus. Elmar ist mit seinen Eltern, die auch einiges durchmachen müssen, wieder vereint. Und auch Lena findet endlich eine Familie.
Luisenburg 2022
- Eigenproduktionen: "Trolle unter uns" (Familienmusical), "Amadeus" (Schauspiel), "Sister Act" (Musical), "Der Sturm" (Komödie), "Zeitelmoos" (Musical)
- Gastspiele: "Land des Lächelns" (Operette), "Hänsel und Gretel" (Oper)
- Konzerte: u.a. The Spirit of Falco, Chris de Burgh, Beth Hart, Django 3000, Haffner meets Landgren, The Magic of Queen Classic mit Markus Engelstädter, Silly, Hannes Ringlstetter
- Luisenburg Xtra (im Hof des Fichtelgebirgsmuseums): u.a. Gankino Circus, Matthias Egersdörfer, "Tom Waits For You"
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