Eigentlich hätte Lucas seinem Vater Uwe Bellmann folgen sollen - als Skilangläufer. Aber: "Der Mannschaftssport im Fußball gibt mir mehr, obwohl ich das größere Talent wohl im Wintersport gehabt hätte." Lucas betrieb beide Sportarten auch parallel. "Im Winter macht es Riesenspaß, aber im Sommer meilenweit joggen ..."
Oberhalb von Jens Weißflog
Aber wie verschlug es ihn, den jetzigen Abwehrspieler des SVL Traßlberg, aus Freiberg, dem Herzen Sachsens (die Stadt ist sinnigerweise Ambergs Partnerstadt) in die Oberpfalz? Vater Uwe Bellmann war schon mit 20 Jahren Dritter mit der Staffel bei der Weltmeisterschaft am Holmenkollen. Als zwei Jahre später Sohn Lucas geboren wurde - "da war Papa nicht dabei. Er befand sich in der Vorbereitung auf die Olympischen Winterspiele in Sarajevo" - verlagerte sich der Lebensmittelpunkt der Bellmanns nach Oberwiesenthal. "Unter uns wohnte Jens Weißflog", erinnert sich der heute 34-Jährige Lucas.
1989 kam die Wende, und Uwe Bellmann lief dank Dieter Heckmanns Bemühungen ab 1990 für den SCMK Hirschau. Es folgte der Umzug zuerst nach Schnaittenbach, ins Elternhaus des ehemaligen Landrats Wagner, und vier Jahre später nach Ehenfeld.
Schon nach einem halben Jahr Aufenthalt in Bayern fragten die Leute Lucas' Mutter, ob er wirklich ihr Sohn sei. Er hätte doch schon einen echten Oberpfälzer Zungenschlag ...
Feldbetten aus Holz
Was für Erinnerungen sind an die DDR geblieben, wenn man so jung in ein ganz anderes Leben verpflanzt wird? An die Zeit im Hort kann sich Lucas noch entsinnen. "Das waren Feldbetten aus Holz, dicht aneinandergereiht. Eher wie ein Soldatenlager. Der Schnaittenbacher Kindergarten war ein echtes Kontrastprogramm." Da der Vater wegen seiner sportlichen Erfolge bereits mit 18 Jahren einen Trabant 601 S besaß, gehörte die Familie zu den Privilegierten. Die 8000 Ostmark hätte er sonst nicht besessen und auch die üblichen langen Jahre Wartezeit blieben ihnen erspart.
Mit 26 PS den Berg rauf?
"Aber im Winter bei Schnee in einem Skisportort den Berg rauf mit 26 PS und Zwei-Takt-Motor? Da hast du keine Chance", so die Erkenntnis. Und dann noch die Urlaubsausflüge zum Balaton nach Ungarn. 15 Stunden Fahrzeit. "Bei Tempo 80 vibriert schon alles. Bei Tempo 100 wird einem Angst." Besonders gern erinnert er sich daran, dass er auf Papas Schoß den Trabi in die Garage fahren durfte. Seit acht Monaten ist der Physiotherapeut selbst Vater.
Ringe im Bügeleisen
Ein Dreivierteljahr vor der Wende konnte der Vater einen Wartburg 1,3 erstehen. "Der hatte einen VW-Motor und war oft mehr als Wertanlage gedacht. Er kostete 25 000 Ostmark, war aber real das Doppelte wert." Was noch tief haften blieb, war ein Elektroauto. "Ich war wohl das einzige Kind in Oberwiesenthal mit diesem Jeep. Papa brachte es von einem der Wettkämpfe aus Schweden mit." Vater Uwe schmuggelte auch das Gold für seine Eheringe in seinem Wachsbügeleisen für die Skier von einem sportlichen Aufenthalt in Russland ein.
Wie glückte das Einleben vom Sächsischen ins Bayerische? "In Ehenfeld war ich der Ossi. Zum Teil bis heute. Das war für mich aber nie ein Problem", ist Lucas Bellmanns Ansicht zu dieser nicht unbedingt beliebten Herkunftsbezeichnung. "Ich habe es nie als verletzend empfunden und mir statt meines Namens 'Ossi' auf die Trainingsjacke schreiben lassen."
Da sein Geburtstag auf den 3. Oktober fällt, dem Tag der Deutschen Einheit, konnte er immer ohne sich um die Nachwirkungen zu sorgen, in den Geburtstag hineinfeiern. Seine Kumpels in Ehenfeld spielten ihm zu Ehren bei einer Plattenparty um Mitternacht die DDR-Nationalhymne ab. Auch das sah Bellmann ganz entspannt - denn als Mensch war er voll akzeptiert. Vielleicht gerade wegen seiner relaxten Art. Wer von klein auf gewöhnt ist, von der Haustür mit den Skischuhen Richtung Loipe zu laufen, hat noch etwas von dieser Leidenschaft in sich. In den Jugendjahren nahm er an Oberpfalz- und Bayrischen Meisterschaften teil. Oberpfalzmeister war er regelmäßig. Bei den bayrischen Titelkämpfen reichte es zu dritten und vierten Plätzen. Selbst ein Sportinternat stand zur Diskussion. Aber Fußball reizte ihn eben mehr. Dank seines Berufes und eines glücklichen Umstandes - der etatmäßige Physiotherapeut fiel krankheitsbedingt aus - durfte Lucas Bellmann die deutschen Skilanglauf-Junioren bei einer Weltmeisterschaft betreuen.
Kasachstan "ein Erlebnis"
Daraus wurden drei Jahre in Seefeld. Plus die Betreuung während der Trainingslager und WM unter anderem in Norwegen oder Kasachstan. "Nach Kasachstan kommt man nie hin oder würde dort Urlaub machen", schwärmt er noch heute. "Ein echtes Erlebnis". Die Gerüche dort erinnerten allerdings an die ehemalige Tschechoslowakei. "Aus dem Flieger raus in Alma Ata und es bleibt einem die Luft weg wegen des Smogs vom Kohleabbau."
Zudem nahm er auch zusammen mit seinem Vater ("Ein Geschenk zu seinem 50.") am Wasa-Lauf teil und lief auch mit Zibi Szlufcik einen 50-km-Lauf. Schöne Erinnerungen, auch wenn daraus für Lucas Bellmann nie eine wirkliche Passion wurde. Insgesamt sind er und seine Eltern aber dankbar, dass es sie vom immer nebligen Oberwiesenthal in die Oberpfalz verschlagen hat: "Hier gefällt es uns sehr, sehr gut."
"Super lustiges Völkchen"
Lucas Bellmann wurde am 3. Oktober 1984 in Freiberg/Sachsen geboren. In den insgesamt 28 Jahren, die er Fußball spielt, wechselte er fünfmal den Verein. Er begann in der F-Jugend des TuS Schnaittenbach, spielte dann wegen des Wohnsitzwechsels der Eltern ab der E-Jugend bis zum 21. Lebensjahr bei der DJK Ehenfeld. Danach ging es weiter zum SV Inter Bergsteig, wo ihn die Kameradschaft (Bellmann: "Super lustiges Völkchen") und das Verhältnis von den geringen Mitteln zu dem, was daraus gemacht wird, sehr beeindruckte. Nach einem Jahr bot sich die Chance, zur DJK Ammerthal zu wechseln und dort einen richtigen Sprung nach oben zu vollziehen. Von der Kreisklasse in die Bezirksoberliga binnen zweier Jahre. In den drei Jahren bei den Ammerthalern schaffte er es bis in die Landesliga. Obwohl er nicht so viele Einsätze in der ersten Mannschaft bekam, konnte er doch in der Reserve den Aufstieg in die Kreisliga im selben Jahr mit fördern. Nach Ammerthal ging es wieder zum Bergsteig (zwei Jahre) und anschließend ein Jahr nach Ehenfeld. Da aber Ehenfeld eine Spielgemeinschaft mit TuS/WE Hirschau bildete und diese SG zur Weidener Gruppe zugeteilt wurde, wechselte er zum SVL Traßlberg. Frau und Wohnsitz boten ohnehin ideale Voraussetzungen für diesen Schritt.
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