Amberg
20.11.2018 - 17:55 Uhr

WM-Tipp aus Amberg: Carlsen macht's

Die Schach-Welt blickt gebannt nach London. Nach acht Remis in acht Partien steht es bei der WM weiter Spitz auf Knopf. Mit Heinz Däubler fiebert auch ein Schach-Experte aus Amberg mit.

Titelverteidiger Magnus Carlsen (links) oder Fabiano Caruana – wer gewinnt den WM-Titel im Schach? Schachexperte Heinz Däubler aus Amberg tippt auf Carlsen als besseren Schnellschachspieler. Bild: Rousseau/dpa
Titelverteidiger Magnus Carlsen (links) oder Fabiano Caruana – wer gewinnt den WM-Titel im Schach? Schachexperte Heinz Däubler aus Amberg tippt auf Carlsen als besseren Schnellschachspieler.

Magnus Carlsen (Norwegen) gegen Fabiano Caruana (USA), Weltmeister gegen Weltranglistenzweiten – es ist der Kampf zweier Schach-Giganten. Für Heinz Däubler kommt es nicht überraschend, dass noch keiner einen Sieg errungen hat. „Das ist ein Duell auf Augenhöhe“, sagt der 74-jährige Schach-Experte. „Wir sehen bislang Schachsport auf sehr hohem Niveau.“

ONETZ: Herr Däubler, die Schach-WM ist in vollem Gange. Verfolgen Sie jeden Zug im Livestream?

Heinz Däubler: Ja, ich habe mir bislang jede Partie live und komplett im Internet angesehen. Bis auf die erste. Als nach 95 Zügen klar war, dass das ein Unentschieden wird, bin ich ausgestiegen.

ONETZ: In den ersten acht Partien nur Unentschieden – eine solche Auftaktbilanz gab es zuletzt 1995 zwischen Kasparow und Anand. Ist die WM 2018 deshalb ein Langweiler?

Heinz Däubler: Nein, überhaupt nicht. Das ist ein Duell auf Augenhöhe zwischen den zwei weltbesten Schachspielern. Ich finde es sehr spannend, wie das Ganze abläuft. Caruana scheint insgesamt sehr gut vorbereitet, er spielt schnell und verbraucht viel weniger Bedenkzeit als Carlsen. Der Weltmeister hat ab und an Probleme, verteidigt aber sehr gut.

ONETZ: Woran liegt’s, dass weder Carlsen noch Caruana einen Sieg verbuchen konnten?

Heinz Däubler: Beide Seiten haben viel Respekt vor dem Können des anderen. Die beiden haben vor der WM bislang 33 Mal gegeneinander gespielt. Da gab es 18 Mal auch ein Remis. Carlsen hat vermutlich genervt, dass er die Auftaktpartie nicht gewonnen hat. Da hatte er einen klaren Vorteil. Das Auslassen so einer Chance ist nicht gut für die Moral, da zweifelt auch schon mal ein Weltmeister ein bisschen an sich selbst. Aber Ähnliches ist auch Caruana in der sechsten Partie passiert. Wenn es nach den ausgelassenen Chancen geht, steht es 1:1, also auch unentschieden.

ONETZ: Wer mit Weiß beginnt, hat im Schach den Anzugsvorteil, heißt es. Jetzt war aber bislang bei der WM mehrmals Schwarz am Drücker. Verkehrte Welt?

Heinz Däubler: Weiß hat einen statistischen Vorteil. Der ist aber nicht besonders groß, rund 0,2 Bauerneinheiten. Weiß kann die große Linie einer Partie bestimmen, Schwarz muss das in der Eröffnung ausgleichen. Ab dem Mittelspiel entscheiden dann andere Dinge wie der bessere Plan, die Intuition oder die Zeitnot. Die Farbe macht dann nicht mehr viel aus.

ONETZ: Carlsen wirkt bisweilen etwas gehemmt, Caruana ist der aktivere Spieler. Ist das auch ihr Eindruck?

Heinz Däubler: Das stimmt schon. Aber ich bin fast der Meinung, dass Carlsen mit seiner Körpersprache blufft. Vielleicht will er seinen Gegenspieler in Sicherheit wiegen, wenn er scheinbar nervös hin- und herrutscht. Eigentlich ist er ja ein ruhiger und gelassener Typ.

ONETZ: Es sind noch vier Partien zu spielen. Wenn es auch dann Remis steht, entscheiden vier Spiele mit verkürzter Bedenkzeit. Wem trauen Sie am ehesten zu, dass er die Schwächen seines Gegners ausnutzen kann?

Heinz Däubler: Ich vermute, dass es nach zwölf Partien 6:6 stehen wird. Das wird auch das Ziel des Titelverteidigers sein. Carlsen ist der bessere Schnellschachspieler und wird dort, wie 2016, die Entscheidung suchen wollen. Da hat er sich am Ende gegen Sergej Karjakin auch im Tiebreak mit zwei Siegen durchgesetzt.

ONETZ: Das Preisgeld beträgt 1,1 Millionen Dollar, der Sieger erhält 60 Prozent. Ist damit ein Schach-Weltmeister ihrer Meinung nach adäquat entlohnt?

Heinz Däubler: Das Preisgeld bei dieser WM ist ja nicht das einzige Einkommen. Wer in der Schach-Weltrangliste unter den ersten Top 20 steht, verdient grundsätzlich ganz gut. Es gibt ja noch andere Turniergelder, außerdem verdienen Schach-Asse mit ihren Einsätzen in nationalen Ligen. Ein Weltmeister wie Carlsen ist zudem Werbeträger und Model. Natürlich ist die Höhe der Einkünfte nicht mit Fußball oder gar Tennis zu vergleichen.

ONETZ: Wie ist es eigentlich um den Schach-Nachwuchs in Deutschland bestellt?

Heinz Däubler: Ganz gut. Viele Schulen bieten mittlerweile Schulschach an, auch weil dieser Sport das strukturierte und schnelle Denken fördert. Dieses Angebot wird auf EU-Ebene gefördert und auch gut von den Schülern angenommen. Am kommenden Wochenende finden zum Beispiel in Regensburg die Bezirksmeisterschaften im Schulschach statt. Da werden 500 Teilnehmer an den Start gehen.

ONETZ: Werden Sie nach Ende der Schach-WM die eine oder andere WM-Partie in der „Schach-Ecke“ unserer Zeitung analysieren?

Heinz Däubler: Das werde ich auf jeden Fall machen. Von den 12 Partien werde ich eine spannende auswählen. Aktuell tendiere ich zur sechsten Partie, in der Carlsen gerade noch ein Remis gehalten hat.

Heinz Däubler, Schachexperte aus Amberg. Bild: Stephan Huber
Heinz Däubler, Schachexperte aus Amberg.
Zur Person:

(af) Heinz Däubler ist wie wohl kein Zweiter in der Region ein Kenner des Schachsports. Der 74-Jährige aus Amberg ist nicht nur Verfasser der Buchreihe „Kniffelige Schachaufgaben“. Er betreut auch die Rubrik „Unsere Schach-Ecke“, die im Zwei-Wochen-Rhythmus in der Wochenendausgabe unserer Zeitung erscheint. „Ich habe Schach von meinem Vater gelernt. Bei uns stand immer ein Schachbrett im Wohnzimmer“, sagt Däubler, der früher in der 2. Bundesliga und Oberliga aktiv war. Für seine Passion nimmt der Amberger weite Fahrten auf sich: Nächste Woche geht Däubler bei den Seniorenmeisterschaften von Mecklenburg-Vorpommern auf Rügen an den Start.

 
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