Während sich die Spieler des SSV Jahn Regensburg über den Globus verteilt von einer strapaziösen, aber erfolgreichen Spielzeit erholen, steckt Christian Keller bis zum Hals in Arbeit. Im Interview mit Oberpfalz-Medien erläutert der Jahn-Geschäftsführer, wie sich die Suche nach dem Nachfolger von Achim Beierlorzer gestaltet, welche Kriterien der neue Chefcoach erfüllen muss und auf welchen Positionen im Kader er Handlungsbedarf sieht.
ONETZ: Herr Keller, herzlichen Glückwunsch zu einer erneut sorgenfreien Spielzeit in der 2. Bundesliga. Was waren Ihre persönlichen Höhepunkte der abgelaufenen Saison – sportlich wie emotional?
Christian Keller: In der Summe muss man festhalten, dass die Saison an sich ein Höhepunkt war. Wenn der SSV Jahn Regensburg 49 Punkte in der 2. Bundesliga holt – so viele wie noch nie in der Clubgeschichte – dann ist es mit Sicherheit so, dass man sogar vom höchsten Höhepunkt sprechen kann. Wenn man es auf einzelne Spiele herunterbrechen möchte, ragen sicherlich die Auswärtssiege in Hamburg und Köln heraus, aber es gab auch darüber hinaus viele starke Leistungen der Mannschaft. Abseits des Rasens war erneut die Unterstützung der Jahnfans, allen voran der Hans-Jakob-Tribüne, ganz wichtig. Ein ganz spezieller Moment war dabei der letzte Spieltag. Es war eindrucksvoll, wie zahlreich die Fans gegen Sandhausen gekommen sind, wie sie die Mannschaft 90 Minuten nach vorne gepusht haben. Wer miterlebt hat wie die Fans das Team nach Spielende für die gesamte Saison gefeiert und verdiente Akteure, die den Jahn nun verlassen, herausgehoben haben, der weiß, dass das ein besonders emotionaler Moment war.
ONETZ: Empfinden Sie Genugtuung oder sehen Sie es zumindest als eine Bestätigung Ihrer Arbeit an, wenn etwa Trainer Achim Beierlorzer oder Sargis Adamyan sich in Regensburg für die Bundesliga in den Fokus spielten?
Christian Keller: Ich empfinde dabei weder Genugtuung, noch empfinde ich es als persönliche Bestätigung. Diese Tatsache zeigt einfach, dass der SSV Jahn im Kollektiv gut funktioniert. Denn damit sich einzelne Protagonisten in den Vordergrund spielen können, muss es immer die Mannschaft in Gänze gut machen. Damit meine ich im Übrigen nicht nur das Profiteam selbst, sondern auch die vielen helfenden Hände, die in allen Bereichen hinter der Mannschaft und dem Trainerteam stehen und die Rahmenbedingungen schaffen, die solche Leistungen erst ermöglichen.
ONETZ: Ärgern Sie sich manchmal, dass nach Markus Weinzierl und Heiko Herrlich nun der dritte Jahn-Trainer die Herausforderung Bundesliga sucht und Sie erneut einen neuen Übungsleiter für die sportliche Weiterentwicklung finden müssen?
Christian Keller: Ich habe es schon mehrfach betont und werde das auch weiter bei jeder Gelegenheit tun: Achim hat hier einen herausragenden Job gemacht und sowohl als Fußball-Lehrer als auch als Mensch einen großen Fußabdruck hinterlassen. Insofern war es nur folgerichtig, dass auch größere Clubs auf seine Arbeit aufmerksam wurden. Natürlich hätte ich mir sehr gut vorstellen können, dass er noch langfristig in Regensburg bleibt. Diese Perspektive hat sich nun aber nicht geboten, weil er die Chance beim 1. FC Köln wahrnehmen wollte. Das ist absolut nachvollziehbar und sein Verhalten war in diesem Kontext genauso einwandfrei, wie es das auch sonst über die kompletten zwei Jahre war. Deshalb drücke ich ihm die Daumen dafür, dass er beim 1. FC Köln einen genauso großen Fußabdruck hinterlassen kann wie er das beim SSV Jahn getan hat.
ONETZ: Erscheint der Gedanke, mit einem Trainer in Regensburg über mehrere Jahre ein stabiles Gerüst für Zweitliga-Fußball in der Oberpfalz aufzubauen, utopisch?
Christian Keller: Vorstellbar ist natürlich alles und mit Sicherheit ist es auch die Wunschvorstellung, mit einem einzigen Trainer viele gute Jahn-Saisons zu gestalten. Wenn ein kleiner Club – und dazu ist der SSV Jahn im Konzert der ganz Großen in der 1. und 2. Bundesliga definitiv nach wie vor zu zählen – einen guten Job macht, wird es im Fußball aber immer so sein, dass sich einzelne Personen hervortun und bei größeren Clubs Begehrlichkeiten wecken. Insofern ist ein solcher Wechsel auch immer ein Zeichen dafür, dass es vorher alle gemeinsam gut gemacht haben.
ONETZ: Oder ist der "Regensburger Weg" einfach unabhängig von der Besetzung der Cheftrainer-Position konzipiert?
Christian Keller: Ein Club tut immer gut daran, wenn er sich nicht auf einzelne Köpfe fokussiert und von diesen abhängig macht. Viel wichtiger sind zu allererst Normen und Werte und darüber hinaus klare Konzepte und stabile Strukturen. So versuchen wir beim SSV Jahn zu agieren. In Bezug auf den Cheftrainer heißt das, dass der SSV Jahn die Spielidee vorgibt, weshalb es diesbezüglich in den vergangenen Jahren auch trotz unterschiedlicher Trainer keine wesentlichen Veränderungen gab. Aus der Spielidee leiten sich letztlich auch die Spielerprofile ab. Damit sind die Leitplanken für ein erfolgreiches Arbeiten also personenunabhängig gesetzt.
ONETZ: Sind beziehungsweise waren Sie auf den Abgang Achim Beierlorzers vorbereitet?
Christian Keller: Achims Wechsel hat mich grundsätzlich nicht überrascht, weil er mich bei all seinen Überlegungen zu jederzeit informiert und mitgenommen hat. Bis zu dem Zeitpunkt, als sein Abgang dann fix war, haben wir uns dennoch nicht konkret mit etwaigen Nachfolgern beschäftigt, weil das nicht unser Stil ist. Gänzlich unvorbereitet trifft uns ein solcher Schritt aber grundsätzlich nie. Denn genauso wie wir im Zuge unseres Scoutings das ganze Jahr über Spieler beobachten und einen Schattenkader aufstellen, beobachten wir auch Trainer und haben hier Kandidaten im Kopf, die zu uns passen könnten. Diese prüfen wir nun genauer und versuchen entsprechend, den passenden neuen Kandidaten auszuwählen.
ONETZ: Bis wann soll der neue Trainer spätestens verpflichtet sein?
Christian Keller: Diese Personalie soll spätestens bis zum Trainingsauftakt am 23. Juni feststehen. Es wäre natürlich wünschenswert, bereits früher eine Verpflichtung zu tätigen. Allerdings gilt, dass es bei der Entscheidung nicht auf Schnelligkeit ankommt, sondern darum, den richtigen Trainer auszuwählen. Das darf gerne auch den ein oder anderen Tag länger dauern.
ONETZ: Daniel Bierofka, Tobias Schweinsteiger, Heiko Herrlich, Markus Weinzierl: Die Gerüchteküche brodelt. Nach welchen Kriterien erfolgt die Trainersuche?
Christian Keller: Der Kriterienkatalog, der der Trainerauswahl zugrunde liegt, ist vielschichtig. Es ist aber der gleiche, der auch bei den zurückliegenden Trainerverpflichtungen angewendet wurde. Man kann diesen Katalog auf drei Hauptpunkte konzentrieren, die genau in dieser Reihenfolge von größter Bedeutung sind: Der Trainer muss zuallererst in seiner Persönlichkeit zum Jahn passen. Das heißt, dass er für unsere Werte Ambition, Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit stehen und sich mit diesen identifizieren, sie entsprechend vorleben und einfordern muss. Zum zweiten muss er zur Jahn-Spielidee passen. Diese muss sich mit seiner Idee vom Fußball decken. Und zum dritten muss er in der Lage sein, Spieler weiterzuentwickeln, weil für den Jahn auch in der neuen Saison wieder gelten wird, dass Spielerentwicklung eine wichtige Erfolgskomponente ist.
ONETZ: Auf welchen Positionen sehen Sie für die kommende Spielzeit Handlungsbedarf? Kommt eine neue Nummer eins und wie wird Adamyan ersetzt?
Christian Keller: Grundsätzlich werden wir in jedem Mannschaftsbereich Verpflichtungen tätigen. Hier waren wir in den vergangenen Wochen auch schon sehr aktiv. Die Vermeldung erster Ergebnisse wird auch nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen. Konkret wird ein neuer Torwart zum SSV Jahn kommen, der sich einen Dreikampf mit André Weis und Alexander Weidinger liefern soll. Im Bezug auf Sargis Adamyans Abgang möchte ich darauf verweisen, dass wir auch im bestehenden Kader schon Spieler haben, die bereits nachgewiesen haben, dass sie in der 2. Bundesliga auf seiner Positionen eine gute Rolle spielen können. Ich hätte zum Beispiel keine Bedenken, wenn wir heute mit dem offensiven Quartett aus Marco Grüttner, Hamadi Al Ghaddioui, Jann George und Sebastian Stolze ins erste Saisonspiel gehen würden.
ONETZ: Was passiert mit den bisherigen Leihspielern Asger Sörensen, Jonas Föhrenbach, Adrian Fein und Maximilian Thalhammer, die offiziell verabschiedet wurden? Ist die Tür bei allen komplett zu?
Christian Keller: Es ist in der Tat so, dass sich Jonas und Adrian in der neuen Saison neuen Herausforderungen stellen werden. Sie werden also definitiv nicht mehr für den SSV Jahn auflaufen. Bei Asger Sörensen und Max Thalhammer ist es so, dass sie zunächst einmal zu ihren Stammvereinen zurückkehren werden. Die nächsten Wochen werden dann zeigen, wohin ihr Weg geht.
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