Ich habe ein Kätzchen gefunden, weiß, flauschig, die Augen sind noch zu. In der Mittelkonsole meines Autos. Wie es dahingekommen ist? Keine Ahnung, ist gerade nicht wichtig. Ich strecke die Hand aus, um das arme Ding zu befreien, nach drinnen zu bringen, es friert bestimmt schrecklich. Da plärrt mir ein Ton in die Ohren. Als ob ein geheimes drittes Mitglied von Modern Talking auf einer mir unbekannten Droge seinen Synthesizer verprügelt.
Es ist der Weckton meines Freundes, der mir seit Wochen den Morgen versaut. Wer mir nicht glaubt, dass das der schlimmste Ton aller Zeiten ist, hört sich bitte den Klingelton "Arpeggio" auf dem iPhone an. Grausam, wer so etwas als Wecker einstellt, der einen eigentlich sanft auf einen harten Arbeitstag einstimmen soll. Unmenschlich, wer so etwas abscheuliches als Option anbietet.
Gut, wer hört gerne Wecker in seiner Freizeit? Wenn ich meinen eigenen Weckton in anderem Kontext höre, zieht sich auch kurz alles vor Schreck zusammen und mein Herz muss sich wieder beruhigen. Eine kurze Internetrecherche behauptet: Wecker bringen unseren Rhythmus durcheinander, haben Einfluss auf Blutdruck und Hormone und erinnert uns daran, dass die Ruhephase vorbei ist und der Arbeitstag ansteht. All das könne Stress und Angst auslösen.
Das kenne ich auch aus meiner Jugend. Das Lied "Dominique" einer grinsenden Nonne aus den 60ern, das mich mit 16 regelmäßig aus dem Schlaf riss, zum Beispiel. Warum ich mir ausgesucht habe, um 5 Uhr morgens mit einem übermäßig fröhlichen "Dominiique, nique, nique" für die Ferienarbeit aufzustehen, weiß ich nicht. Es war schon schwer genug, mit dem Fahrrad steil bergauf zu der Firma zu fahren, in der ich acht Stunden Ferienjob-Monotonie ableisten musste. Dazu noch die Angst, zu verschlafen, nicht unberechtigt um die Uhrzeit, und den gewöhnlichen Teenager-Schlafmangel, auch nicht unberechtigt um die Uhrzeit.
Mit meinem eigenen Wecker bekomme ich inzwischen kaum noch Weckerstress. Es hilft auch, einen Job zu haben, auf den man sich freut. Früh genug ins Bett zu gehen, um ausreichend zu schlafen. Eine Routine zu haben, die das Risiko zu verschlafen minimiert. Und einfach angenehmer geweckt zu werden – mit Tageslicht und Vogelgezwitscher, zum Beispiel.
Hintergrund
Wir sind junge Mitarbeiter von Oberpfalz-Medien. In unserer Kolumne "OTon" schreiben wir einmal in der Woche über das, was uns im Alltag begegnet – was wir gut finden, aber auch, was uns ärgert. Dabei geht es weniger um fundierte Fakten, wie wir sie tagtäglich für unsere Leser aufbereiten, sondern um unsere ganz persönlichen Geschichten, Erlebnisse und Meinungen. Wir wollen zeigen, dass nicht nur in Hamburg, Berlin oder München Dinge passieren, die uns junge Menschen bewegen.
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