Es ist ein Trend. Vielleicht auch eher ein Freiheitsdrang der etwas anderen Art, der gerade in meinem Umfeld stattfindet. Das Löschen der Profile auf den sozialen Medien ist für viele ein wichtiger Schritt in Richtung Selbstbestimmung. Es ist die erste tiefgreifende Entscheidung, über die sich Menschen um mich herum seit längerer Zeit Gedanken machen. Auch ich hadere mit dem Gedanken, meine Profile zu deaktivieren. Aber was spricht dagegen?
Während der Pandemie war der Kontakt über diese Kommunikationswege ein wichtiger Anker. Ich selbst habe meinem Umfeld dadurch mein Leben präsentiert. Es hat gut getan, die schönen Momente einzufangen und im Gegenzug am Leben anderer teilzuhaben. Besonders wegen der Kontaktbeschränkungen. Nun findet das öffentliche Leben wieder auf den Straßen statt und ich erlebe es immer häufiger, dass ein Leben offline ein tiefer Wunsch vieler Personen ist. Vielleicht liegt es daran, dass wir vor allem Instagram in den letzten drei Jahren zu intensiv ausgekostet haben. Hinzukommt, dass sich das "Durchscrollen" sinnloser Inhalte immer mehr als Zeitverschwendung entpuppt.
Doch die Facetten der eigenen Individualität, die man online preisgibt, helfen bei der Einordnung in die Gesellschaft. Mein Umfeld postet Inhalte, in denen ich mich bestätigt fühle. Bilder, die mich Sehnsucht empfinden lassen und Fernweh in mir hervorrufen. Zugleich bedeutet es stets präsent sein zu müssen. Was passiert, wenn ich meine Präsenz aus diesem sozialen Raum lösche? Verliere ich dadurch einen Teil von dem, was mich ausmacht? Ich möchte mich von meiner besten Seite präsentieren und zu dem Bild passen, das meine Freunde von mir haben. Ohne in Vergessenheit zu geraten. Die sozialen Medien sind, so banal es klingt, die Möglichkeit Kontakt zu Menschen zu halten, ohne direkt mit ihnen zu interagieren. Ich fühle mich so, als wäre ich stets auf dem aktuellsten Stand. Ich denke, zu wissen, was entfernte Freunde erleben. Folglich bilde ich mir ein, dass mein Freundeskreis ebenso groß sei, wie die Liste der Follower.
Also ist der Weg hin zum Löschen der sozialen Profile keine Entscheidung, die man schnell trifft. Es ist ein längerer Prozess, bei dem auch ich Momente habe, in denen ich es mich nicht traue. Ich erwische ich mich ab und an dabei, wie ich durch die sozialen Medien hechte. Denn verpassen, möchte ich nichts.
Kommentare
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.