Vor einigen Wochen hat mich die CSU für zwei Tage nach Berlin eingeladen. Genau genommen die Abgeordnete Susanne Hierl, die bei Neumarkt wohnt und für den Wahlkreis Amberg zuständig ist. „Informationsreise Wahlkampfpresse“ nannte sich das. Der Besuch in der Hauptstadt sollte „Einblicke in den Parlamentsbetrieb“ gewähren und „Hintergrundgespräche“ mit Vertretern der CSU-Landesgruppe im Bundestag ermöglichen. Neben mir waren noch Journalisten von sechs anderen Regionalzeitungen aus ganz Bayern dabei.
So läuft das also, werden Sie sich jetzt denken. Da lädt die CSU Redakteure aus der bayerischen Heimat – dort, wo die Wähler sitzen, dort, wo es auf eine wohlwollende Berichterstattung wirklich ankommt – nach Berlin ein, schmiert ihnen Honig ums Maul, zahlt das Hotel an der Spree und schmeichelt ihnen beim Abendessen im Restaurant.
So naiv ist niemand
Nun ja, mag schon sein, dass diese so nie offen ausgesprochene Intention zumindest auch ein Grund für die CSU-Pressestelle im Bundestag für Reisen dieser Art ist. Und den Lieblingsitaliener von Alexander Dobrindt – ja, der mit der Maut – kenne ich jetzt tatsächlich. Andererseits sind selbst junge Journalisten einer Lokalzeitung nicht so naiv, als dass ihnen das nicht bewusst wäre. Und das weiß umgekehrt auch die CSU (oder jede andere Partei).
Ich glaube, solche Treffen haben für beide Seiten Vorteile. Wenn Journalisten mal nicht mit dem gezückten Notizblock dasitzen, sprechen Politiker offener, vertraulicher. Und Journalisten haben die Chance, Politiker als Menschen kennen zu lernen und Interna zu erfahren, die helfen, manches besser einzuordnen. Natürlich könnte man auch hier wieder Kalkül unterstellen und sagen, die geben sich nur nahbar, in Wirklichkeit ist alles inszeniert. Doch auch wenn Inszenierung ein funktionaler und damit notwendiger und nicht zwangsweise verwerflicher Bestandteil von (Bundes)Politik ist, so ist mein Eindruck nach langen Abenden doch:
Keine Pauschal-Urteile
Auch Bundestagsabgeordnete machen politisch unkorrekte Witze. Sie versprechen sich bei Auftritten im Wahlkreis und ärgern sich hinterher. Sie spüren den Druck, auf sozialen Medien omnipräsent zu sein und schnell möglichst viel zu posten, da viele Wähler sie oft nur noch dort wahrnehmen. Sie sitzen in Ausschüssen bis nachts um halb drei und haben einen leeren Kühlschrank, weil sie keine Zeit zum Kochen haben. Nicht falsch verstehen, ich will kein Mitleid einfordern. Aber auch Politiker sind Menschen. Alle pauschal über einen Kamm zu scheren, nach dem Motto „die da in Berlin“, wäre unfair. Man sollte sich von jedem ein eigenes Bild machen. Dann stellt man fest: Manche können sogar sympathisch sein.
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