15.12.2022 - 09:23 Uhr

Pizza und Rückenschmerzen

Unser Autor hat am zweiten Adventswochenende dabei geholfen, 1200 Pizzastücke zu verkaufen. Warum er seitdem einen völlig neuen Blick auf Pizza und Weihnachtsmärkte hat und was dies mit Leidensfähigkeit zu tun hat, erzählt er im OTon.

Wer liebt es nicht? Das runde Fladenbrot aus gerolltem Hefeteig mit kräftig gewürzter Tomatensauce und Käse sowie nicht zu üppigem Belag aus Salami, Schinken oder Champignons. Wenn eine frisch gebackene Pizza aus dem 400 Grad heißen Steinofen kommt – der Duft ist unvergleichlich, hier läuft doch jedem das Wasser im Mund zusammen.

Am zweiten Adventswochenende kam ich Hunderte Male zu diesem Vergnügen – das irgendwann keines mehr war. Mein Pfadfinderstamm hatte nämlich beschlossen, an der Rosenberger Dorfweihnacht zwei Tage lang selbstgemachte Pizza zu verkaufen. Was sich in der Theorie nach einer tollen Möglichkeit anhört, die Vereinskasse aufzubessern, erfordert in der Praxis eine gehörige Portion körperliche Fitness – und ja, auch Leidensfähigkeit. 48 Kilogramm Teig für 300 Pizzen, zerteilt in 1200 Viertelstücke, müssen erst einmal ausgerollt und belegt werden. Passiert das auf einem nur einen Meter hohen Biertisch, sind Rückenschmerzen im Helferteam programmiert.

Keine Zeit für die Toilette

Hinzu kommt, dass der Arbeitseinsatz um 8 Uhr morgens mit dem Vorbereiten des Teiges und Aufbauen des Standes begann und 14 Stunden später mit Marktschluss um 22 Uhr endete. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, mit kalten Fingern, ist gerade in den frühen Abendstunden Akkordarbeit nötig: Pizzen ausrollen, belegen, backen, zerteilen und kassieren. Und das unter hohem Zeitdruck, denn die Kunden haben schneller gegessen als unser Pizzaofen Nachschub ausspuckte. Zur Zeit des größten Andrangs blieb für die Helfer weder Zeit, auf die Toilette zu gehen, noch von den eigenen Pizzen zu kosten.

Lamentieren will ich hier nicht. Schließlich hat das gemeinschaftliche Pizzabacken auch gehörig Spaß gemacht und Einnahmen für den Verein gebracht. Dennoch habe ich eine völlig neue Erfahrung gesammelt. Wenn ich künftig als Besucher über einen Weihnachtsmarkt schlendere, werde ich einen anderen Blick auf die Arbeit der Fieranten haben. Gerade den ehrenamtlichen unter ihnen zolle ich Respekt. Ich werde deren Einsatz mehr wertschätzen als zuvor – und auch mehr Verständnis für die weiter gestiegenen Preise von Pizza und Glühwein, Bratwurst und Waffeln aufbringen. Stundenlang in der Kälte zu stehen und nach Marktschluss, wenn es sich die Besucher längst zu Hause auf dem Sofa bequem gemacht haben, im Dunkeln noch den Stand abzubauen, Müll einzusammeln, Teller und Tassen zu spülen, das ist keine Selbstverständlichkeit. Die bezaubernde Weihnachtsstimmung auf den Märkten verdanken wir auch den Menschen, die dafür arbeiten – und Rückenschmerzen in Kauf nehmen.

 
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