Hannah Mehler spielt mit dem Gedanken, dass sie nach ihrem Freiwilligendienst in Hyderabad nicht gleich ihre Zelte in Indien abbricht. Sie plant, ab Mitte Juli dort auf Reise zu gehen. "Ich habe mir überlegt, mit nur fünf Euro am Tag auszukommen, aber dafür muss man auch erst mal Geld haben." Daher hat die Tirschenreutherin den Onlineshop "Indianbag" aufgebaut. Dort verkauft sie handgenähte Stoffbeutel.
Den Anstoß dazu gaben ihr drei Freunde, die auch mit ihr als Freiwillige im Kinderheim arbeiten. "Wir haben im Urlaub in Pondicherry (Stadt in Südindien) darüber geredet, wie cool es doch wäre, Turnbeutel aus Sari-Stoff (indisches Kleidungsstück) zu verkaufen." Diese Geschäftsidee habe sie aufgenommen und ein bisschen verändert. "Ich wollte ein einfaches Produkt für jedermann und jederfrau. Einfach und aussagekräftig." Daraus entstand "Indianbag".
Diese Art der Stoffbeutel seien mittlerweile wieder "in". "Schon unsere Großeltern und Urgroßeltern haben sie zum Einkaufen benutzt und jetzt hat sie meine Generation wieder für sich entdeckt und neu interpretiert", erklärt die Tirschenreutherin. Und schon rührt sie die Werbetrommel: "Sie sind einfach so praktisch und trotzdem schick oder cool. So einen Beutel kann man immer brauchen. Egal ob zum Einkaufen, als Accessoire oder als Schuhbeutel."
Sie lege aber Wert darauf, dass der Kunde wisse, woher das Produkt komme: vom Einkauf über Fertigung bis hin zum Vertrieb. "Ich bin im Endeffekt alles in einer Person", sagt Mehler stolz. Sie kaufe die Stoffe persönlich in dem kleinen Laden "Sai Krupa" (bedeutet übersetzt Gnade Gottes) in Hyderabad ein - meist in Begleitung von Ronja, einer ihrer Mitfreiwilligen, die sie bei dem Projekt enorm unterstützt habe. Dort werde alles auch gleich zusammengenäht.
Den Laden hatte die 20-Jährige zufällig entdeckt. "Ich bin dann einfach rein und hab meine Idee vorgestellt." Die 54-jährige Shobha und ihre Tochter Mounika (24 Jahre) seien sofort dabei gewesen. "Wir haben gemeinsam gleich die ersten Stoffe ausgesucht. Das Glück spielte mir quasi in die Hände", freut sich die Tirschenreutherin. Die Homepage hat sie selber erstellt und auch der Versand liegt in ihren Händen: "'IndienBag' ist ein Einfrau-Unternehmen." Was ihr auch wichtig ist: Vom Stoff bis zum fertigen Beutel sei alles transparent. Am Herzen liege ihr die Unterstützung von Kleinunternehmern anstelle von großen Konzernen und die Stärkung der dortigen Mittelschicht im kleinen Rahmen. Ein Beutel kostet je nach Stoff 10 oder 12 Euro (inklusive Versandkosten).
Zur Auswahl stehen zwei traditionelle indische Stoffarten: Kalamkari und Banaras. Kalamkari ist ein Baumwollstoff, der mit natürlichen Farben im Block bedruckt wird (traditionell per Hand bemalt). Banaras - auch Brokat genannt - ist ein gemusterter Stoff aus Seide oder Rayon, in den Gold- oder Silberfäden eingewoben sind.
Pro verkauften Beutel gehen zwei Euro direkt an das Kinderheim, in dem Mehler arbeitet. Das Geld werde für den Bau eines neuen Heims verwendet. Vom restlichen Geld werde der Stoff, das Nähen und der Versand bezahlt. "Was übrig bleibt, lege ich mir für meine Reise auf die Seite."
Wohin genau ihre Indien-Reise nach ihrem Dienst im Kinderheim geht, weiß die 20-Jährige noch nicht. Fest steht aber, dass sie möglichst auf dem Landweg von A nach B kommen will, "denn das bringt mehr Abenteuer". Ihre soziale Ader will die Tirschenreuther auch weiter ausleben. Schon während der Tour möchte sie sich in verschiedenen Projekten als Freiwillige einbringen.
Der Online-Shop bleibt vorerst bis Mitte Juli offen, dann endet Hannah Mehlers Dienst in dem Kinderheim. "Ob es danach weitergeht, steht noch in den Sternen."
Ich wollte ein einfaches Produkt für jedermann und jederfrau. Einfach und aussagekräftig.Hannah Mehler
Unterrichten, Uhr lesen und unterwegs mit Freunden
"Die Arbeit im Heim gefällt mir sehr gut. Ich habe die Kinder alle sehr gern. Sie sind mir wirklich ans Herz gewachsen", freut sich Hannah Mehler. Natürlich gebe es wie bei jeder Arbeit immer mal wieder Durchhänger. Ein Kinderlächeln und eine Umarmung würden dafür aber schon entschädigen. Die junge Frau arbeitet für den entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "Weltwärts" des deutschen Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Über diesen entstand der Kontakt zum Kinderheim Chaithanya Happy Home (CHH) in Hyderabad.
Der Tagesablauf der 20-Jährigen ist unterschiedlich. An Schultagen kommt sie gegen 16 Uhr ins Heim, um bei den Hausaufgaben und dem Lernen zu helfen. Nach dem Abendessen fährt sie nach Hause. Momentan sind in Indien die großen Sommerferien, weshalb Mehler schon gegen 9 Uhr ins CHH kommt. Ab 10 Uhr beginnen die Lerngruppen. Zusammen mit drei anderen Freiwilligen gibt sie Unterricht in den Fächern Computer, Englisch, Mathe oder Deutsch.
"Gerade lerne ich mit den Kleinsten (sechs bis neun Jahre), die Uhr zu lesen", erzählt die Tirschenreutherin. Nach dem Mittagessen ist Zeit für Kreatives, beispielsweise das Basteln eines Geburtstagskalenders. Wenn die Temperaturen etwas abgekühlt sind, geht es abends noch ein paar Stunden in den Park.
An ihre Arbeit ging Mehler relativ unbedarft: "Um ehrlich zu sein, hatte ich mir nicht besonders viele Gedanken darüber gemacht, wie es sein wird und was ich so tun werde. Ich wollte völlig ohne Vorstellungen und Erwartungen an meinen Freiwilligendienst heran gehen." Dadurch habe sie sich viel besser darauf einlassen können, ohne enttäuscht zu werden. Die Verständigung ist für die Stiftländerin kein Problem. Mit den Kindern redet sie Englisch. "Mit manchen klappt das gut, mit manchen braucht man auch mal seine Hände und Füße." Je länger die Mädchen schon im Heim sind, desto besser sei ihr Englisch.
In der Stadt und Umgebung wird Telugu gesprochen. Dies wollte die 20-Jährige in einem Kurses lernen, aber der Unterricht sei nicht sonderlich nützlich gewesen und im Internet gebe es kaum gute Lernprogramme. In ihrer Freizeit entspannt Mehler beim morgendlichen Yogakurs oder im Fitnessstudio. Ansonsten ist die junge Frau viel in der Stadt unterwegs oder trifft Freunde.
Ihre Wohnung teilt sich Mehler mit drei anderen deutschen Freiwilligen. Die WG ist zwei Gehminuten vom Heim entfernt. Die Tirschenreutherin hat auch schon Besuch aus der Heimat erhalten. Kurz nach Silvester waren ihre zwei ältesten Brüder und die Freundin von einem für knapp zwei Wochen in Indien.
Kinderheim für Mädchen
Das Chaithanya Happy Home (CHH) in Hyderabad (viertgrößte Stadt Indiens) ist ein Kinderheim für Mädchen mit ganz verschiedenen Lebensgeschichten. Gegründet wurde es von der regierungsunabhängigen Organisation Chaithanya Mahila Mandali (CMM). Ursprünglich war die Einrichtung für Kinder gedacht, deren Mütter zur Prostitution gezwungen werden. Dadurch sollte den Mädchen dieser Weg erspart bleiben. Mit der Zeit wurden aber auch Kinder aufgenommen, die niemanden haben, der sich um sie kümmert oder deren Eltern sie vernachlässigt und zum Teil betteln geschickt haben.
"Im Heim leben die Mädchen in einem sicheren Umfeld, in dem sie sich zu Hause fühlen und Liebe und Zuneigung erfahren", erklärt Hannah Mehler. Alle gehen auf eine private Schule. Täglich kommen Nachhilfelehrer, um bei den Hausaufgaben zu helfen. Zudem gibt es Klavier- und Gitarrenunterricht. Aktuell leben in der Einrichtung 43 Mädchen im Alter von 6 bis 16 Jahren, die alle bis zu ihrer Heirat dort leben dürfen.
Spenden und Patenschaften
Das Grundstück für das neue Kinderheim hat die Organisation CMM (Chaithanya Mahila Mandali) vor gut einem Monat erworben. "Das wäre ohne die Hilfe vieler Tirschenreuther auf keinen Fall möglich gewesen. Ich war wirklich überwältigt von der Unterstützung", verweist Mehler auf die erfolgreiche Spendenaktion. Im neuen dreistöckigen Kinderheim soll es zwei große Schlafsäle, Küche, Speisesaal, Aufenthaltsraum, Spielzimmer, Seminarräume und einen abgegrenzten Bereich für die Freiwilligen geben. Der Strom soll zum Großteil von Solarpanels auf dem Dach und das Wasser zum Teil von einem nahe gelegenen See kommen. Außerdem wird ein Garten zum Spielen, aber auch zum Gemüseanbau beziehungsweise zur Viehhaltung angelegt. "Es geht Richtung Selbstversorger", erläutert die junge Frau.
Spenden an CMM seien noch immer möglich: Bonodirekthilfe, Kreissparkasse Köln, IBAN: DE71370502990373002353, BIC: COKSDE33XXX, Verwendungszweck: Chaithanya Happy Home-Land and Building Project. Zur Spendenkoordination wäre es wichtig, dass man eine Informationsmail über die Spende an den Projekt-Manager Jaya Singh Thomas schickt: jsthomas@ chaithanyamahilamandali.org. Zudem könne Geld über Global Giving überwiesen werden. Darüber kann man Patenschaften für ein Kind übernehmen. Wer dazu Infos möchte, kann Mehler eine E-Mail schreiben: hannah.mehler[at]web[dot]de
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