Sein Buch "Tschechien ein Länderporträt" blieb geschlossen auf dem Tisch liegen. Hans-Jörg Schmidt erzählte den Studenten der Fremdsprachenakademie über sein Leben als Journalist in Tschechien. Mit Freud und Leid über die tschechische Sprache begann er: "Mich fasziniert die Vielfalt der Synonyme, trotzdem empfinde ich diese Sprache als Strafe." Und die Tschechen seien stolz darauf, dass ihre Sprache so schwierig ist.
Wenn er gefragt wird, warum er nicht wie alle anderen Auslandskorrespondenten das Land nach vier oder fünf Jahren verlassen habe, antwortet Schmidt: "Ich liebe dieses Land, und ich verstehe es viel besser als die anderen." Seine Katze hätte sich längst an die Zweisprachigkeit gewöhnt. Dennoch zeichnet Schmidt im Vortrag nicht nur positive Bilder, sondern schildert auf unterhaltsame Art die Besonderheiten des Nachbarlandes und seiner Bewohner. "Tschechen sind liberal", sagt er. Zwar gebe es nicht "den typischen Tschechen", dennoch einige deutliche Mentalitätsausprägungen. Zum Beispiel könnten Tschechen schlecht "Nein" sagen, sie "eiern herum". Falsch sei es, mit ihnen über einen geplanten Vertrag direkt am Gesprächsbeginn zu reden. Tschechen seien eher zurückhaltend. "Man redet erst einmal über die Familie oder das Wetter." Insgesamt sei das Leben in Tschechien langsamer als in Deutschland. "Ich habe noch nie erlebt, dass ein tschechischer Gesprächspartner pünktlich ist." Deshalb seien die Tschechen die Erfinder des akademischen Viertels. Das Ordnungsstreben in Deutschland fänden sie "fürchterlich". Arbeit sei in Tschechien "Mittel zum Zweck".
Tschechen bräuchten auch Freiräume und kümmerten sich gerne um ihre Familie. Dennoch schaffen auch sie ihre terminierten Aufträge, aber anders als es sich der Deutsche vorstellt. Viele Tschechen seien "zu faul, eine Fremdsprache zu lernen". Deshalb sei es auch so schwierig, zum Beispiel einen Polizisten nach dem Weg zu fragen. Viel Lob hatte Schmidt für den tschechischen Humor übrig, der oftmals "tief schwarz ist" und meist die "Obrigkeit" betrifft.
Dann wechselte Schmidt in die Politik. Unter Bezugnahme auf den Wahlsieger Andrej Babis meinte er, "die suchen immer einem Erlöser". Tschechen bewunderten erfolgreiche Menschen, auch Babis als zweitreichsten Mann Tschechiens. Man übersehe bei ihm, dass möglicherweise demnächst gegen einen Regierungschef wegen Betrugs ermittelt werde. Schon bei Václav Klaus seien die täglich wechselnden Krawatten als Symbol für Erfolg angesehen worden. Klaus hätte seine Wähler auch mit dem Satz "bald sind wir so wohlhabend wie die Deutschen" gelockt. Überhaupt sei "der Antriebsfaktor Neid", charakteristisch. Über das Symbol Auto wollen viele ihren Wohlstand dokumentieren, sagte Schmidt.
Schmidt kritisierte auch, dass die Qualität der Produkte im Einzelhandel in Tschechien deutlich schlechter sei in Deutschland. "Deutsches Persil duftet, tschechisches stinkt und ist sogar teurer." Dabei kaufen Tschechen nach seinen Worten "liebend gerne den ganzen Tag ein".
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