Politologe und Wirtschaftsmanager Horst Teltschik war enger Vertrauter Helmut Kohls. Er kennt die bedeutendsten Staatsmänner der Welt persönlich, leitete von 1999 bis 2008 die Münchener Sicherheitskonferenz, ist beliebter Experten-Gast bei TV-Talk-Runden und nach wie vor international unterwegs - aber in Amberg war er am Donnerstagabend zum ersten Mal. In der Buchhandlung Rupprecht las aus seinem Buch "Russisches Roulette - Vom Kalten Krieg zum Kalten Frieden".
Gleich zu Beginn entschuldigt er sich für seine angegriffene Stimme. Die aber hält durch während des temperamentvollen Parforcerittes durch die Geschichte und Vorgeschichte der Einigung Deutschlands. Damals saß er im Hintergrund mit an den Schaltstellen. Spannend und eindrucksvoll schildert er die Szenen internationaler Politik von einst, erinnert an "Kohlanfänge" während der Spitzenzeit des Kalten Krieges, stülpt die persönlichen Beziehung und Männerfreundschaften nach außen und beleuchtet die "sensationellen Veränderungen" von innen.
Im stilgerechten grauen Diplomatenzwirn steht er am Mikrofon: "Was haben wir 1989/90 für Perspektiven bekommen - und was haben wir daraus gemacht?" Es fehle heute an Selbstbewusstsein, an politischen Visionen und Zielen, an Gesprächsbereitschaft und Vertrauen. "Alle sind Menschen mit Verhaltensweisen wie du und ich", sagt er, also müsse man Ansatzpunkte der Veränderung suchen und finden.
"Das wichtigste Thema für Russland ist und bleibt Sicherheit." Das ist Teltschiks Botschaft, die er mit einem Bild illustriert. Bei einem Treffen in Russland sei eine Gruppe hochdekorierter Kriegsveteranen an die Politiker herangetreten. Zum Erstaunen aller meinte deren Sprecher: "Russen und Deutsche müssen Freunde sein." Eine Äußerung, die den Politprofi tief berührte. Derzeit sind die Beziehungen frostig. Doch trotz allen Gegensatzes müsse ein "Modus vivendi" gefunden werden. Nachzulesen sind seine Gedanken in seinem Buch. In dessen Klappentext ist zu lesen: "Die NATO und Russland befinden sich in einer Eskalationsspirale, die nicht selten an Sandkastenspiele trotziger Kinder erinnert: Truppen werden an die Grenze verlegt ... es wird aufgerüstet und von gegenseitigem Vertrauen ist nichts mehr zu spüren."
In Amberg regte Horst Teltschik deshalb den Austausch von Kultur, Wissenschaft und Jugend an. "Wir müssen Vertrauen gewinnen, den Dialog führen und vor allem die Generation nach der Zeit der Sowjetunion" gewinnen, sagt Teltschik. Sein Amberger Publikum jedenfalls hat er schnell gewonnen.
Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.
Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.