Amberg
18.03.2019 - 13:56 Uhr

Beethovens Zukunftsvisionen: Herbert Schuch im Amberger Stadttheater

Im Amberger Stadttheater gab es wieder ein Kulturereignis: "Alle 32 Beethoven-Sonaten", Folge zwei. Pianist Herbert Schuch spielte in der Konzertreihe der Stadt weitere vier: Die Opera 10/1-3 und 53, die „Waldstein-Sonate“ von 1804.

Wieder einmal begeisterte Herbert Schuch mit seinem Beethoven-Klavierzyklus im Stadttheater Amberg. Bild: Wolfgang Steinbacher
Wieder einmal begeisterte Herbert Schuch mit seinem Beethoven-Klavierzyklus im Stadttheater Amberg.

Drei Jahre, eine kleine Zeitspanne zwischen den Sonaten op. 2 (1795) und op. 10 (1798), ein großer Schritt mit Risiken für Beethoven und Nachwirkungen auf die Musikgeschichte. Die früheren Sonaten sind Joseph Haydn gewidmet, Beethoven reflektiert dessen motivische Verarbeitungskunst, bezieht sich auch auf Mozart'sche Traditionen. In den aktuell musizierten Sonaten aus Opus 10 offenbart sich nun sein überragendes zukunftsträchtiges Potenzial, das die folgenden Komponistengenerationen prägen sollte.

Umfang, Klangpalette und Gewicht der Sonaten sind gewachsen, er stellt sie damit auf eine Ebene neben die Gattung Sinfonie. Die enormen klaviertechnischen Ansprüche (besonders in der "Waldstein-Sonate") werden Schumann, Mendelssohn, Chopin, Liszt und Brahms aufgreifen und weiter steigern.

Sturm und Drang

Neu ist das Gestaltungsmittel der "kontrastierenden Ableitung", ein Begriff, den Arnold Schmitz geprägt hat. Selbst gegensätzliche musikalische Charaktere lassen sich auf einen gemeinsamen Kern zurückführen, so in Opus 10/1 der c-Moll-Akkord, als Block, zerlegt, verkürzt, erweitert, verschieden rhythmisiert, mit kontrastierenden Emotionen. Man darf sich an das Entwicklungsprinzip der Natur "vom Samenkorn zur Pflanze" erinnert fühlen. Bei der c-Moll-Sonate op. 10/1 wechselt Herbert Schuch zwischen den Positionen Dramatik, Tanz und Sanglichkeit.

Im "Adagio molto" geht er an die untere Tempogrenze, dennoch verliert er den Viertel-Puls nicht. Die Coda gelingt ihm als geläuterte Überhöhung - Anton Bruckner wird dies in seinen Sinfonien großflächig ausbauen. Im letzten Satz widerspenstige Synkopen-Akzente, in Takt 54 deutet sich das bekannte Kopfmotiv der späteren fünften Sinfonie an.

Musik als Bekenntnis

Darauf die weiträumige Sonate D-Dur op. 10/3, galant das "Menuett", verspielt das "Rondo", ein Ereignis das "Largo e mesto" (fehlerhafte Satzangaben im wiederum zu spartanischen Programmblatt): Dies ist große in die Romantik weisende Bekenntnis-Musik, symphonisch, tragisch, voll Melancholie, sie gelingt Schuch berührend. Die F-Dur-Sonate op. 10/2 nach der Pause präsentiert er dann mit scheinbar leichter Hand, mit Witz, einer Prise Ironie, gassenhauerisch derb im Finale.

Es wartet aber noch die gigantische Herausforderung der "Waldstein-Sonate" op. 53 - das Finale ist mit 543 Takten das längste aller Beethoven-Sonaten. Sie muss wie aus dem Nichts beginnen, fordert orchestrales Klangfarbengespür, auch im heftigsten Getümmel Gestaltungskraft und immer wieder feinste Pianissimo-Kultur.

Nichts davon ein Problem für Herbert Schuch: Selbst zwischen den Sätzen hält er Hoch-Spannung und hat in der irrwitzig rasanten "Coda" Kondition für die Oktav-Glissandi und Triller-Marathons. Helle Begeisterung. Als kühlende Zugaben zwei Bagatellen aus Beethovens op. 119 und 126. Dieses ist der zweite Streich und der dritte folgt sogleich: Am Sonntag, 12. Mai , gleiche Stelle, gleiche Welle.

 
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