Der "Christnacht" op. 85 von Joseph Haas (1879-1960) ("Grüß Gott, Ihr Christen, seid alle willkomm! Wir bieten ein Spiel euch, bieder und fromm.") haben sich der Chor "Cantica Nova Holzkirchen" unter Leiterin Katrin Wende-Ehmer, Organist Norbert Düchtel und Rezitator Alex Dorow verschrieben. Für das 63-minütige "Weihnachtliederspiel" aus dem Jahr 1932 sortierte der Komponist Joseph Haas 13 bekannte alpenländische Volkslieder nach der Weihnachtsgeschichte. Von der "Erwartung", beginnend mit Mariä Verkündigung, zur "Anbetung", bis hin zu den Heiligen Drei Königen reicht das Werk, ergänzt ist es um sieben eigenständige Instrumentalstücke.
Organist Norbert Düchtel hat die Orchesterpartitur für Orgel arrangiert. Bisweilen holprig gereimte Zwischentexte von Wilhelm Dauffenbach stellen eine Rahmenhandlung her. Das Werk spiegelt den tief verwurzelten katholischen Glauben von Haas. Der Komponist blieb zeitlebens der funktionellen Harmonik treu, auch beim vorliegenden Opus lässt er die simple Dur-Moll-Harmonik der Lieder unberührt, in den Instrumentalstücken erweitert er sie behutsam tastend. Beim Betrachten der Noten möchte man meinen, es hätte 1932 weder Debussy, Reger, Schönberg noch Strawinsky gegeben.
Biblische Idylle
Haas war der Meinung: "Musik soll erfreuen, erschüttern, veredeln." In rosigen Farben entfaltet er eine heile biblische Idylle, die manchmal wie ein biedermeierliches Spitzweg-Gemälde wirkt. Seine Einschätzung der volkstümlichen Melodien ("unbeschreibliche melodische Schönheit") entspricht dem Zeitgeist der 30er-Jahre. Auf Dauer allerdings ermüdet die gehäufte Dreiklangs-Brechungs-Melodik den Zuhörer doch ein wenig. Willkommene Auflockerung verschaffen unter anderem das "Intermezzo misterioso" und der sorgenfrei, schneidig und beschwingt voran stapfende Bauerntanz.
Oberstimmen überzeugen
"Cantica Nova" präsentiert sich als kultiviertes, sicher und sauber singendes vokales Team, vor allem die Homogenität der Oberstimmen überzeugt. Oben im Lastenheft der Dirigentin stand ein gut ausbalanciert fließender Mezzoforte-Chorklang, weiter unten erst finden sich deklamatorisch-rhetorische Gestaltung des Textes oder Differenzierung der einzelnen Liedstrophen. Achtenswert mag bei einer Live-Aufführung sein, dass die Soli aus Reihen des Chores stammen, auch süß-scheue Kinderstimmen dürfen mal ran. Für eine CD-Produktion wären intonationssichere Profis die bessere Wahl gewesen.
Stilgefühl und Wärme
Herausragend der Rezitator Alex Dorow: Das feine Stilgefühl, die mitfühlende Wärme, mit der er sich des Textes bis hin zur kleinsten Silbe annimmt, kann man nur rühmen. Nie wirkt das sentimental, rührselig oder gar kitschig.
Ein weiteres Highlight ist, wie souverän, inspiriert und aufmerksam begleitend Norbert Düchtel seine Orgelbearbeitung spielt, die durchaus an die Orgelimprovisationen von Franz Lehrndorfer erinnert. Der Erbauer (Ziegltrum 2005) und die Disposition des farbenreichen Instruments (35/II/P) bleiben ungenannt. Eine unerwartete Schattenseite der Bearbeitung sei nicht verschwiegen: Ohne das orchestrale Klanggewand tritt die kompositorisch überschaubare Strickweise der Musik zutage.
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