Geniale, gewaltige Genesis

Amberg
20.05.2019 - 14:54 Uhr

Haydns Oratorium "Die Schöpfung" behandelt nicht weniger als die Erschaffung der Welt, wie sie in der Bibel beschrieben wird. Im Amberger ACC lieferten Chöre und Orchester eine Meisterleistung ab.

Bravorufe und Beifallspfiffe gab es am Sonntag für die sehr gut besuchte Aufführung „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn im Amberger Congress Centrum.

Haydns "Schöpfung", ein kompositorischer Geniestreich und für Dirigent Dieter Müller eine musikalische Glanzleistung. Spontaner Szenenapplaus und nicht enden wollender Schlussbeifall für eine fantastische Leistung der Amberger Chorgemeinschaft, des Chors der Berufsschule für Musik des Bezirks Oberpfalz, des Symphonieorchesters "Bohemia" Prag und der Solisten.

Gras und Kräuter, Licht, Stürme, Blitz und Donner, Schnee oder schäumende Wasser, Adler, Löwe und Gewürm - Haydn malt mit Noten. Dabei erschafft er zuerst mit Musik, was dann die Erzengel auch in Worte fassen: Das Ende, und damit auch gleich die Krone der Schöpfung, ist der Mensch.

Nach dem Sittenbild der Zeit ist das höchste Ziel des Mannes, die Frau zu leiten, das größte Glück der Frau, ihm zu folgen - na ja, diese Vorstellung entspricht nicht ganz modernen Ideen. Sie ist im Denken der Gegenwart Haydns verwurzelt. "Holde Gattin, teurer Gatte" singen Adam und Eva. Daniel Ochoa übernimmt die Rolle des ersten Mannes der Schöpfungsgeschichte. Kurzfristig ist er für den erkrankten Daniel Blumenschein eingesprungen. Schon von Beginn an verlieh er als Erzengel Raphael den Schilderungen der Genesis Charakter. Mit weichem Bass, großer Ausstrahlung und sehr präsent traf er auch den tiefsten Ton bei "der Tiere Last". Als Adam lief er nochmals zu großer Form auf.

Charmant und mit erfrischender Mimik verband er sich mit dem strahlenden Sopran von Barbara Beier als Eva. Zuvor hatte sie als Gabriel mit jubelnden Koloraturen überzeugt und dem vor Liebe girrenden Taubenpaar glitzernde Glanzlichter aufgesetzt. Das prachtvolle und leidenschaftlich inspirierte Duett brachte - entgegen aller Oratorien-Benimmregeln, aber durchaus nachvollziehbar - das Publikum zum leisen Schmunzeln und zu lauter Beifallsbekundung. Als Dritter im Bunde der Solisten fügte sich Tenor André Khamasmie als Uriel perfekt ins Umfeld. Er ließ die Sonne so strahlend aufgehen und stimmte am vierten Schöpfungstag das Lob Gottes mit geradezu "himmlischem Gesang" an. Zum Schlussquartett gesellte sich noch Altistin Simona Hellwig.

Wieder einmal hat Dirigent Müller zwei Chöre erfolgreich zusammengespannt und ausgezeichnet vorbereitet: Jung und frisch und in feinsten dynamischen Abstufungen formte der hochmotivierte Klangkörper aus dem Urknall eine großartige Schöpfungsgeschichte. Aus dem Chaos erwuchs Leben. Leise schwebend, spannend aufbereitet, dramatisch interpretiert und auch akustisch gut zu verstehen. Durch differenzierte Anweisungen reizte Müller die Ressourcen der Sängerinnen und Sänger voll aus. Von Anfang an vertraute er auch auf das große Können und das Gespür des Orchesters aus Prag: Schon die einleitende Schilderung des Chaos, die eingeworfenen, technisch versiert ausgeführten Soli, die musikalisch perfekt umgesetzten Ideen erzeugten Gänsehaut. Die feinen tonmalerischen Passagen des Werkes übersetzte Bernhard Müllers am Cembalo.

Es war nicht nur ein Ohrenschmaus, sondern auch eine Augenfreude, wenn man in die vor Begeisterung strahlenden Gesichter der Musiker und der perfekt eingestellten Sängerinnen und Sänger blickte. Auch die Solisten zündeten ein Feuerwerk der Interpretationskunst, sängerisch, mimisch und mit wohldosierten Gesten.

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