Amberg
11.12.2018 - 15:55 Uhr

"Stille Nacht" macht nachdenklich

Die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsliedes als Musical - diese Ankündigung lockt die Besucher in das gut besuchte Stadttheater. Vom Titel her sind wohl viele mit anderen Erwartungen gekommen, als durch das Musical erfüllt werden.

„Stille Nacht“ ist ein Weihnachtslied, das um die Welt geht. Als Musical weckt es bei einigen Besuchern des Stadttheaters wohl falsche Erwartungen. Bild: Wolfgang Steinbacher
„Stille Nacht“ ist ein Weihnachtslied, das um die Welt geht. Als Musical weckt es bei einigen Besuchern des Stadttheaters wohl falsche Erwartungen.

Die Story beginnt im Jahr 1848. In einem einsamen Bauernhof erhalten die Bewohner am Nikolaustag die Nachricht, dass ihr ehemaliger Hilfspfarrer Joseph Mohr im Alter von nur 56 Jahren verstorben ist. Der Bauer erzählt daraufhin rückblickend die Stationen, die vor genau 30 Jahren in Oberndorf im Salzburger Land zur Entstehung des Liedes "Stille Nacht, heilige Nacht" im Winter 1818 durch Joseph Mohr und den Dorforganisten Franz Gruber führten.

Gespielte Szenen

Claus J. Frankl, Petra F. Killinger und Thomas F. Killinger schaffen aus diesem Sujet ein Musical, das nach Uraufführung im November vom Euro-Studio Landgraf unter der Regie des Komponisten zur Aufführung kommt. Das Musical stellt diese Situation schnörkellos, ohne Sentimentalität dar. Gezeigt werden in übergangslos gespielten Szenen die Armut, die Trostlosigkeit, die Not nach der Zeit der Napoleonischen Kriege. Aber auch Anklänge an das gepflegte Brauchtum in Österreich, wie den Perchtenlauf, finden Eingang in die Rückblenden.

Der gesamte 1. Akt des Musicals ist von einer eher düsteren Grundstimmung geprägt, die auch durch einige turbulente Szenen nur bedingt aufgelockert werden. Die 5 Darsteller des Musicals schlüpfen in verschiedenste Rollen: Tom Wagenhammer ist nicht nur der Hilfspfarrer Joseph Mohr, Josef Eder hat den Vater, den Bauer, den Pfarrer und den Orgelbauer Karl Mauracher darzustellen. Martin Mantel ist nicht nur der Knecht Wast, sondern auch der Handschuhmacher Lorenz Strasser. Karsten Kenzel darf /muss unter anderem in die Rollen des Sebastian und des Franz Gruber schlüpfen. Steffi Regner hat nicht nur als Berta starke Szenen, sondern war auch Maria, und Lisa. Maria Sonderegger sind die Mali und die Wirtstochter Agnes anvertraut. Alle Akteure verstehen es, ihre unterschiedlichen Rollen glaubhaft und überzeugend darzustellen. Singend vermögen vor allem die Damen zu überzeugen. Es überwiegen jedoch die gesprochenen Texte, die Handlung wird, passend zum Sujet, von einem Ensemble mit Klavier, Harfe, Gitarre, Kontrabass, Hackbrett und Zither musikalisch gestützt.

Reduzierte Stimmung

Hier sind im 1. Akt deutliche Schwachstellen zu hören, weil die Dialoge kaum verständlich sind. Aus Gesten und Mimik kann man die dargestellten Emotionen erahnen und nachvollziehen. Manches wird, wie die Auseinandersetzung des jungen, idealistischen Joseph Mohr mit dem auf Einhaltung des Kirchenrechts bestehenden Pfarrer, etwas klischeehaft dargestellt.

Es gibt auch anrührende Szenen. Als die "mit Gewalt genommene" schwangere Berta in der Kirche mit Mohr zusammentrifft, und er sie nicht nur trösten kann, sondern ihr auch zu einem Partner verhift ("Du bist allein, er ist allein"), da brechen im eindringlich gesungenem Duett echte Emotionen auf. Auch hier schade, dass man den Text dabei nur erahnen kann. Ein Gedicht, das Mohr anlässlich der späteren Taufe des Kindes verfasst, wird dann auch zur Grundlage des "Stille Nacht-Textes".

Der Dorforganist Franz Gruber, herrlich hektisch von Karsten Kenzel dargestellt, verzweifelt am Heiligabend fast, weil seine Orgel streikt. Mohr, der zu Weihnachten in der Kirche einen Chor ("Auch mit Frauenstimmen!!") singen lassen will, schafft es, ihn zum einfachen Vertonen seines Textes zu inspirieren. Erstmalig erklingt dann zur Christmette dieses Lied. Diese einzelnen Stationen erfolgen, mit wenig Aufhellungen, in einer eher düsteren Situationsschilderung. Die Musik, passend auf diese reduzierte Stimmung ausgerichtet, untermalt die Handlungsabläufe mit modernen, aber nie "abschreckenden" Klangfarben.

Allerdings macht die Art der Darstellung wohl manche Besucher ratlos, denn nach der Pause bleiben einige Plätze leer. Im 2. Akt hat sich die Technik besser auf das Geschehen eingestellt. Jetzt sind auch die Dialoge verständlicher. Und jetzt geht es ja auch hauptsächlich darum, die Verbreitung des "neuen" Liedes zu erzählen. Da sind die Situationen weniger düster. Und als Franz Gruber davon träumt, "wie Mozart" wirken zu können, erscheinen sogar in höfische Kostüme gekleidete Personen auf der Bühne.

Variable Arrangements

Die Weiterführung der "Liedverbreitung", die Einübung einer "tirolerischen" jodelähnlichen Gesangseinlage zur Präsentation auf einer Verkaufsmesse, und die "Flexibilisierung" des "Stille-Nacht"-Liedes, das wird im Spiel ähnlich überzeugend dargestellt, wie auch in einzelnen Szenen die Not und die Widrigkeiten in der winterlichen Kälte.

Und als zum Schluss das ganze Ensemble die "Stille Nacht" in den verschiedensten Sprachen in variablen Arrangements anstimmt, dann wird nicht nur der weltumspannende Erfolg dieses Liedes deutlich, sondern da hat auch das Musical seinen opulenten Abschluss. Großer, nicht euphorischer Beifall ist Anerkennung für die Leistungen der Darsteller und der Instrumentalisten.

 
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