Amberg
23.11.2018 - 08:50 Uhr

Wurde Wallenstein in Eger oder in Cheb ermordet?

Karlsbad oder Karlovy Vary? Falkenau oder Sokolov? Prag oder Praha? Gibt es eigentlich Regeln, wann man die deutschen, die tschechischen oder beide Namen verwenden sollte oder muss?

Wie denn nun? Prag oder Praha? Den Arbeitern war’s vermutlich ziemlich egal, als sie das Verkehrszeichen vor einigen Jahren montierten. Bild: Armin Weigel dpa/lby
Wie denn nun? Prag oder Praha? Den Arbeitern war’s vermutlich ziemlich egal, als sie das Verkehrszeichen vor einigen Jahren montierten.

Die Frage aufgeworfen hat ein Leser aus Kirchenthumbach: "Seit meiner Jugend bin ich interessierter und geduldiger, aber auch kritischer Leser Ihrer Zeitung. Regionaler, grenzüberschreitender Berichterstattung gilt seit jeher mein besonderes Interesse. Unverständlich ist jedoch für mich die Schreibweise von Ortsnamen, vor allem, wenn sie unsere unmittelbaren Nachbarn in Tschechien betreffen. Hier herrscht heilloses Durcheinander." Deshalb sollte die Redaktion, falls es Regeln zur Schreibweise gebe, diese "bitte verständlich" mitteilen.

"Warum", so der Leser weiter, "heißt in Ihrem Blatt Karlsbad meistens so, wie wir es kennen, und eben nicht Karlovy Vary? Dagegen ist Falkenau auf einmal Sokolov, Taus Domažlice, Plzen Pilsen. Der Grenzübergang Rosshaupt mutierte, seit den traurigen Tagen im August 1968, über die Sie hervorragend berichteten, in Ihrer Zeitung 2018 plötzlich zu Rozvadov. Wurde Wallenstein in Eger oder in Cheb ermordet? Fand der Fenstersturz 1618 in Prag oder in Praha statt? Warschau oder Warszawa, Moskwa oder Moskau oder am Ende gar Monaco statt München? Die Liste dieser Fragen ließe sich noch endlos weiterführen. Ich bin der Meinung, dass Orte, die einen deutschen Namen haben, auch als solche in den Medien und auf Landkarten so genannt werden sollten."

Ein Tschechien-Experte

"Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Schreibweise tschechischer Orte", so begann unser Redakteur Jürgen Herda seine Antwort. Herda ist ein Experte in Sachen Tschechien, er hat dort einige Jahre journalistisch gearbeitet und befasst sich bei Oberpfalz-Medien oft mit Themen, die unser Nachbarland betreffen.

Herda liefert zunächst ein historisches Argument: "Spätestens seit Schaffung der böhmischen Königswürde 1085, eigentlich schon früher (Reich des Samo ab 658, Großmährisches Reich ab 830) ist das heutige Staatsgebiet (das zuvor noch deutlich größere Ausmaße hatte) unter slawischer Herrschaft. Mit Ausnahme der NS-Annektion der sogenannten Sudetengebiete und der Okkupation Böhmens und Mährens existiert somit auch eine Kontinuität slawischer Ortsnamen - unterbrochen durch die auch sprachliche Germanisierung durch die Habsburger." Es gebe aber auch ein sehr praktisches Argument, das da laute: "Wenn ortsunkundige Leser heute nach Tschechien fahren, macht eine konsequente Verwendung deutscher Ortsnamen keinen Sinn. Nur die wenigsten Besucher haben die deutsche und die tschechische Bezeichnung parat."

Zum bisherigen Modus Operandi sagt Herda: "Sie haben Recht, dass diese Frage noch nicht bis ins Detail geregelt ist. Je nach Thema (historischer Bezug oder einfach ein Ereignis in einer Grenzstadt), persönlichem Kenntnisstand, Sprachgebrauch der Quelle (Behörde, Polizei, Referenten) kommt es zu unterschiedlichen Schreibweisen." Nicht zufrieden ist Herda mit der Verfahrensweise der Deutschen Presse-Agentur (dpa): "Ich persönlich halte die Diktion der dpa, tschechische Namen grundsätzlich ohne hácky & Co. zu schreiben, für eine Unsitte, da sie nicht nur maßgeblich für die Aussprache der Wörter, sondern zum Teil auch sinnverändernd sind. Es wäre ungefähr so, als würde man im Deutschen konsequent Smied statt Schmied schreiben."

Herda hält es "für angebracht, beide Ortsnamen zu verwenden, sofern die deutsche Bezeichnung gebräuchlicher ist, wie bei Prag, dem Bäderdreieck, Eger u.ä. - als Service für Reisende sollte aber auch der tschechische Name nicht fehlen."

Beide Namen verwenden

Aufgrund der wechselseitigen deutsch-tschechischen Geschichte sei es außerdem eine Frage der Höflichkeit, zumindest beide Ortsnamen zu verwenden, meint Herda. Mit Blick auf Stadtgründungen deutscher Siedler, die böhmische Könige ins Land holten (Böhmerwald, Riesengebirge etc.), ergäben aber natürlich auch deutsche Städtenamen Sinn.

Hätten Sie's gewusst?:

Brno = Brünn

Olomouc = Olmütz

Ceské Budejovice = Budweis

Ceský Krumlov = Krumau

Ostrava = Ostrau

Liberec = Reichenberg

Mariánské Lázne = Marienbad

Hradec Králové = Königgrätz

Ústí nad Labem = Aussig

Jihlava = Iglau

Pardubice = Pardubitz

Františkovy Lázne = Franzensbad

Chomutov = Komotau

Most = Brüx

Decín = Tetschen

Znojmo = Znaim

Teplice = Teplitz

Zlín = Zlin

Karviná = Karwin

Frýdek-Místek = Friedeck-Mistek

Opava = Troppau

Jablonec nad Nisou = Gablonz an der Neiße

Prerov = Prerau

Breclav = Lundenburg

Terezín = Theresienstadt

 
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