München
20.05.2021 - 15:02 Uhr

Bayern lässt Kühe von der Kette

Neue Töne in der bayerischen Agrarpolitik: Ministerin Kaniber betont im Landtag die Bedeutung von Tierwohl, Klima- und Umweltschutz. Den Bauern verspricht sie Hilfen beim Umbau ihrer Betriebe. Die Reaktionen sind geteilt.

Zwei Kühe schauen auf einer Weide bei Brannenburg (Landkreis Rosenheim) in die Kamera. Archivbild: Matthias Schrader
Zwei Kühe schauen auf einer Weide bei Brannenburg (Landkreis Rosenheim) in die Kamera.

München. Mit einer Initiative für mehr Tierwohl und Klimaschutz sowie eine an neue Ernährungsgewohnheiten angepasste Produktion will Bayerns Agrarministerin Michaela Kaniber (CSU) die Akzeptanz der Landwirtschaft im Freistaat erhöhen. "Mensch, Tier und Umwelt müssen zusammen gedacht werden", sagte Kaniber in einer Regierungserklärung vor dem Landtag. Kernpunkt ihrer Pläne ist artgerechtere Haltung von Kühen und Schweinen. So will Kaniber das Ende der ganzjährigen Anbindehaltung von Milchkühen einleiten. Noch immer werde diese Haltungsform in rund 14.000 Betrieben angewandt, was erstaunlich sei, da die Förderung dafür bereits vor 30 Jahren beendet worden sei.

Der Wunsch der Verbraucher nach mehr Tierwohl erfordere einen Umbau in der Nutztierhaltung. "Mehr Tierwohl statt mehr Tiere wird für viele Höfe das Motto der Zukunft sein", sagte Kaniber. Dazu werde die Staatsregierung die Förderung bei Stallumbauten von 30 auf 40 Prozent erhöhen. Geplant sei ein mit bis zu 50 Millionen Euro im Jahr ausgestattetes Tierwohlprogramm für Rinder und Schweine, das auf mehr artgerechte Haltung auf Strohböden und mehr Auslauf setze. Umgehend beendet werden sollen nach dem Willen Kanibers auch tagelange Tiertransporte in Staaten außerhalb der EU. Das ethisch und moralisch nicht vertretbar. Kaniber plant, die Exporteure durch staatliche Hilfen zum zunächst freiwilligen Verzicht zu bewegen.

Kaniber trat auch für Begrenzung des Flächenverbrauchs zulasten der Landwirte ein. Hier sah sie Potenzial durch die Mehrfachnutzung von Ausgleichsflächen durch Photovoltaikanlagen, extensive Agrarnutzung und Biotope. Für den Bereich Klimaschutz kündigte die Ministerin den weiteren Umbau der Wälder, eine Holzbauinitiative und ein "Moorbauernprogramm" an. Mit dem neuen Programm "Flur-Natur" sollen Kommunen, Vereine und Verbände beim Anlegen von Streuobstwiesen und Hecken unterstützt werden.

Neue Einkommenschancen sah Kaniber in der Anpassung der Agrarproduktion an aktuelle Ernährungstrends. Vegetarische oder vegane Ernährung finde immer mehr Anhänger, die Nachfrage nach Bio-Produkten steige. "Wir erleben neuartige Lebensmittel und veränderte Lebensstile, da dürfen Bayerns Bauern nicht nur Zaungäste sein", erklärte sie. "Ob Fleisch- oder Insekten-Burger, ob Kuhmilch oder Hafer-, Soja- oder Leguminosen-Drink: Wir schreiben den Menschen nicht vor, was sie essen sollen, aber wir wollen, dass ihre Lebensmittel aus Bayern kommen." Am Ziel der Steigerung des Öko-Landbaus auf 30 Prozent bis 2030 hielt Kaniber fest. "Unser Anspruch ist Bio aus Bayern", betonte sie.

Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann begrüßte die Ankündigungen Kanibers im Grundsatz, forderte aber eine konsequente Umsetzung. Er erinnerte daran, dass die prekäre Lage vieler Bauern heute das Ergebnis einer verfehlten Agrarpolitik der vergangenen Jahrzehnte sei. "Das System Wachsen oder Weichen trägt wesentlich die Handschrift der CSU", erklärte Hartmann. Die Politik der Dumpingpreise gehe zulasten der Landwirte und der natürlichen Lebensgrundlagen. Nötig sei eine ressourcenschonende und in jeder Hinsicht auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Agrarpolitik.

Mit scharfer Kritik reagierte AfD-Fraktionschef Ingo Hahn auf die Rede Kanibers. Bayerns Bauern seien gefangen in einem Teufelskreis aus Tierseuchen, Bürokratie und "Klimawahn". Es brauche ein Bekenntnis zu einer modernen konventionellen Landwirtschaft. Martina Fehlner (SPD) forderte eine engere Verzahnung von Landwirtschaft und Umweltschutz. Dazu gehöre, dass die Umweltleistungen der Landwirte entsprechend entlohnt werden müssten. Einheitliche EU-Standards für einen fairen Wettbewerb forderte Christoph Skutella (FDP). Zudem sprach er sich für den Einsatz moderner Gentechnik in der Landwirtschaft aus. Nur so könne es gelingen, auf gleicher Fläche zu höheren Erträgen bei weniger Pflanzenschutz zu kommen.

Uneingeschränkt hinter die Ankündigungen Kanibers stellte sich Martin Schöffel (CSU). Den Grünen warf er eine "bauernfeindliche Politik" vor, da sie in den Landwirten die Hauptverursacher von Umweltschäden sähen. Die Staatsregierung setze dem das "Leitbild einer artenreichen Kulturlandschaft" entgegen. Leopold Herz (Freie Wähler) rief dazu auf, beim angekündigten Umbau in Sachen Tierwohl und Klimaschutz Vernunft walten zu lassen. Ansonsten drohe die Gefahr, dass viele Landwirte ihren Hof aufgeben würden.

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Großensees bei Leonberg09.04.2021
 
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