Bayern
01.09.2022 - 17:17 Uhr

Teichwirte in Not: Zum Saisonauftakt fehlt sogar der Fisch für die Ehrengäste

Kormoran, Bürokratie und in jüngster Zeit vor allem der Fischotter: Zum offiziellen Auftakt der Karpfensaison am Donnerstag war das Bild der Branche trüb wie ihre Teiche. Zum Mittagessen für den Ministerpräsidenten und die Ehrengäste gibt es deshalb Schäufele statt Fisch.

Ministerpräsident Markus Söder (links) musste sich beim Fototermin in Thierstein fast schon anstrengen: So einfach war der Kescher nicht mit Karpfen zu füllen – es waren zu wenige im Weiher übriggeblieben. Bild: Christopher Michael
Ministerpräsident Markus Söder (links) musste sich beim Fototermin in Thierstein fast schon anstrengen: So einfach war der Kescher nicht mit Karpfen zu füllen – es waren zu wenige im Weiher übriggeblieben.

Von Christopher Michael

Mit ernster Miene steht Peter Thoma, Vorsitzender der Teichgenossenschaft Oberfranken, vor den Ehrengästen, Vertreter aus Politik, Verbänden, der Verwaltung. Sie alle waren nach Thierstein im Landkreis Wunsiedel gekommen, um gemeinsam mit Ministerpräsident Markus Söder und Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (beide CSU) die Karpfensaison zu eröffnen.

100 Karpfen habe er für dieses Festessen Anfang des Jahres in seinen Teich eingesetzt, sagt er. Normalerweise kann er zum Abfischen 98 Tiere zählen. Am Ende waren diesmal nur noch fünf übrig. Und landeten auf den Tellern der Ehrengäste. Als Vorspeise. Zum Hauptgang musste auf Schweine-Schäufele zurückgegriffen werden. Es ist ein Bild, das symptomatisch ist für eine Branche, die sich derzeit im Würgegriff eines kleinen Landraubtiers sieht - des Fischotters. Von konkreten Verlusten sprechen wollen nur wenige Teichwirte. Doch die allgemeine Frustration ist deutlich spürbar.

Söder fischt im Trüben

Am Morgen noch hatte sich Söder die Anglerhose übergezogen und stieg mit Kescher in der Hand in das trübe Wasser, versank dabei immer wieder im Schlamm und musste wohl länger als in anderen Jahren darauf warten, dass er einen der Karpfen fangen und in einen der bereitstehenden Bottiche legen kann. Auch hier hatte sich der Fischotter übers Jahr hinweg scheinbar immer wieder bedient. "Der Fischotter ist keine Gefahr, die droht, sondern die da ist", sagte Ministerpräsident Söder anschließend, auch mit Blick auf andere Tiere wie etwa den Wolf, die ebenfalls wirtschaftlichen Schaden bei Betrieben anrichten. Die Dimensionen der Fischotter-Schäden seien ungleich größer.

Im Gespräch mit der "Frankenpost" taxiert Reinhard Reiter, Referent für Fischerei und Fischwirtschaft am bayerischen Landwirtschaftsministerium, die Schäden durch den Fischotter auf 1,5 Millionen Euro im Jahr 2021. Zum Vergleich: 2016 betrugen sie mit 250 000 Euro gerade mal ein Sechstel davon. In Niederbayern und der Oberpfalz sei der Fischotter, der sich Jahr um Jahr seinen Weg aus Osteuropa weiter westwärts bahnt, bereits seit etwa 2010 ein Problem, schilderte Reiter. Seit 2017 ist auch das östliche Oberfranken immer stärker betroffen. "Er hat hier keine natürlichen Feinde und steht unter dem strengsten Schutz", erklärte der Fachmann. Das Erstarken der Fischotter-Population kann mitunter eine Kaskade an Folgen nach sich ziehen. "Wo die Teichwirte aufhören, gibt es irgendwann keine Teiche mehr", sagte Reiter. "Dadurch geht auch Lebensraum für andere Tiere verloren."

Tierschutz lockern

Aus diesen Gründen mehren sich immer mehr Stimmen, sowohl aus Politik wie von Betroffenen, die Bejagung - im Fachjargon der Ministerien ist hier von "Entnahmen" die Rede - zu erlauben. "Tierschutz darf daher keine Einbahnstraße sein", mahnte Landwirtschaftsministerin Kaniber. In der Oberpfalz habe es ein Pilotprojekt gegeben, um die Fischotter entnehmen zu können. Doch ein Gerichtsurteil habe das gestoppt - nun laufe das Berufungsverfahren. "Wenn es so viele Fischotter gibt, muss auch die Entnahme möglich sein", forderte Ministerpräsident Söder.

Neben dem Fischotter machen aber auch andere Tiere und die Bürokratie den Teichwirten das Leben schwer. Während im östlichen Oberfranken besagtes Landraubtier Jagd auf die Fische macht, droht weiter westlich Gefahr aus der Luft. "Die Zahl der Kormorane nimmt zu", sagte Manfred Popp, Teichwirt aus Bindlach und stellvertretender Vorsitzender der oberfränkischen Teichgenossenschaft. "Solche Probleme hatten wir früher nicht."

Erschwerend käme die Bürokratie hinzu, etwa wenn Auflagen für die Bewirtschaftung erhöht würden oder das Anlegen neuer Teiche mit hohen Gebühren verbunden seien. Viele Teichwirte würden daher mit ihren Betrieben aufgeben. Und das, wo die Betriebe doch "einen wichtigen Beitrag zur Pflege der Kulturlandschaft" leisteten, wie es auch Markus Söder eingangs in Anglerhosen betont hatte. "Das Potenzial für die Teichwirte wäre in jedem Fall da", ergänzte Popp.

Am anderen Ende der Verwertungskette - im Speiselokal - müssen sich die Verbraucher in der diesjährigen Karpfensaison auf höhere Preise einstellen, so das bayerische Landwirtschaftsministerium in seiner Bilanz zum Karpfenjahr. Es rechnet für diese Saison mit einer "deutlich unterdurchschnittlichen" Ernte an Speisekarpfen. Liegt diese in normalen Jahren zwischen 4000 und 5000 Tonnen, dürften es in diesem Jahr 1000 bis 2000 Tonnen weniger sein.

 
Kommentare

Um Kommentare verfassen zu können, müssen Sie sich anmelden.

Bitte beachten Sie unsere Nutzungsregeln.

Klicken Sie hier für mehr Artikel zum Thema:
Zum Fortsetzen bitte

Sie sind bereits eingeloggt.

Um diesen Artikel lesen zu können, benötigen Sie ein OnetzPlus- oder E-Paper-Abo.